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Wähler mit Schulden gekauft

 
     
 
Mit einer Rückkehr des französischen Defizits zur erlaubten Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts rechnet Frankreichs Budgetminister Alain Lambert frühstens für 2006. Entgegen allen Beschwichtigungen der Pariser Regierung dürfte das Defizit der öffentlichen Hand in Frankreich für 2003 nicht nur die 3,4 Prozent erreichen, sondern sogar bei vier Prozent anzusetzen sein. Deutschland dürfte ein Defizit von 3,8 Prozent aufweisen. Die ehemals stark defizitären Länder Italien und Portugal haben hingegen gesundere Finanzen und werden dieses Jahr die vom Maastrichter Vertrag erlaubte Obergrenze nicht überschreiten.

Nach der Bekanntgabe des angekündigten Defizits ist die Debatte an der Seine hochpolemisch geworden. Die Sozialist
en, die traditionell gute Beziehungen zur Brüsseler Kommission unterhalten, vertreten die Ansicht, daß das erhöhte Haushaltsdefizit nur von den vom Kandidaten Chirac während der Wahlkampagne versprochenen Steuersenkungen verursacht wird. Die europafreundliche Zentrumspartei UDF des Altpräsidenten Valéry Gis-card d Estaing mahnt die französischen Staatsbehörden dazu, ihre Verpflichtungen der Europäischen Union und dem Stabilitätspakt gegenüber zu beachten.

Unter solchen Umständen scheinen die Chiracianer in die Defensive geraten zu sein. Premierminister Jean-Pierre Raffarin will nicht von der vom Staatschef festgelegten Linie abweichen. Der Vorsitzende der Chiracschen Partei äußert sich vertrauensvoll darüber, daß die Steuersenkungen die französische Wirtschaft termingerecht anziehen lassen und es erlauben werden, 2006 einen den Stabilitätspakt beachtenden Haushalt zu präsentieren.

Chirac muß aus Gründen der Glaubwürdigkeit trotz Haushaltsloch an der versprochenen Steuersenkung festhalten. Schon bei seiner ersten Amtszeit 1995 hatte er eine breite Großzügigkeit seitens der Finanzämter in Aussicht gestellt, sich dann aber nach seiner Wahl aufgrund finanzieller Engpässe doch dagegen entschieden. Der Steuerzahler fühlte sich betrogen. Dies führte dann auch bei vorgezogenen Parlamentswahlen 1997 zu einer Niederlage der Chiracianer und zur Kohabitation (Ämteraufteilung) zwischen Chirac als Staatspräsidenten und Jospin als Regierungschef.

Für einen Vollblutpolitiker wie Chirac scheint es jetzt besser, ein defizitäres Budget in Kauf zu nehmen, als zu riskieren, nochmals eine Wahlschlappe hinnehmen zu müssen. Da im nächsten Jahr zahlreiche Wahlen in Frankreich anstehen, ist also höchste Vorsicht angebracht.

Frankreichs europäische Partner zeigen sich vom waghalsigen Kurs der französischen Finanzpolitik höchst beunruhigt. Außer dem italienischen Wirtschaftsminister, der von "außerordentlichen Umständen" spricht, verbergen die Experten von kleineren Ländern wie Spanien, den Niederlanden oder Irland nicht, daß sich auch die großen Staaten mit mehr Ernst an den Stabilitätspakt halten sollen, zumal es eben gerade Frankreich und Deutschland waren, die bei der Aushandlung des Maastrichter Vertrags auf dem Stabilitätspakt beharrten.

Die Frankfurter Allgemeine sagt der europäischen Zentralbank unter diesen Voraussetzungen schwere Zeiten voraus. Da der gegenwärtige Chef der "Banque de France", Jean-Claude Trichet, am 1. November den Niederländer Wim Duisenberg ablösen wird, ist die Furcht vor Sonderrechten Frankreichs nicht ganz unbegründet. Der scheidende Duisenberg ermahnte seinen Nachfolger sogar schon, den Kurs der Währungspolitik der EZB nicht zu ändern. Er äußerte sich ausdrück-lich gegen jede Verwässerung der Maastrichter Kriterien. Es sei statt dessen viel wichtiger, die jeweiligen Staatsdefizite schon für 2004 so niedrig wie möglich zu halten. Insofern wird Jean-Claude Trichet ein großes Verhandlungsgeschick brauchen, denn zur Zeit basieren die Haushalte Frankreichs und Deutschlands auch für 2004 eher auf übertriebenem Optimismus als auf fundierten Zahlenmaterial, wenn es um die Einhaltung der Obergrenze von drei Prozent des BIP geht.

Stabilitätspakt muss auch für Frankreich gelten
 
     
     
 
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