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Von jenem stillen Heldentum wurde wohl auch die Französin Marie Bowmann, Dozentin an einer Hochschule in Ulm, erfaßt, als sie bei ihren deutschen Studenten eine beängstigende Abstinenz in Sachen eigener Geschichte ausmachte. Anlaß stiftete eine Zufallsfrage nach Manfred von Richthofen, das Ergebnis wurde schließlich ein Büchlein mit dem Titel "Auf der Suche nach dem deutschen Helden" (Gerhard Hess Verlag Ulm/Donau).

Was nun die Französin mehr als irritierte: Von "200 Studenten wußten sechs, daß er als Roter Baron bekannt war, fünf wußten, Richthofen war ein Flieger, drei vermuteten, er hatte im Ersten Weltkrieg
gekämpft, und 59 kannten ihn aus den Comic Strips". Madame war "schockiert: hier war der erste Kampfflieger des Ersten Weltkrieges, der fast total von seinem eigenen Volk vergessen wurde? Eine Unverschämtheit." Sie wollte sich damit nicht zufrieden geben und machte sich auf die Spurensuche, befragte Kollegen, Busfahrer, Ärzte, Hausfrauen, Professoren.

Nur eine Sekretärin wußte
Bescheid, die stammte so-
gar aus Schlesien, wie sie unkommentiert hinzufügte. Bücher fand sie nicht. Die Ulmer Stadtbibliothek verneinte, ebenso die Buchhandlung, CD-Rom – Fehlanzeige! Die "Chronik der Deutschen" (1223 Seiten, vier Kilogramm schwer) – kein Wort! Die junge Französin fragte bei ihren Studenten zurück: "Was sagt ihr? Er wurde von den Nazis vergöttert? Sein Todestag, der 21. April, wurde als Fliegertag zelebriert? Na und? Es ist immer noch kein Grund, ihn zu vergessen." Wer solche Fragen stellt und solche Schlußfolgerungen zu ziehen weiß, kommt bald an die schwärende Wunde der Deutsche. Marie Bowmann, beileibe keine Fachhistorikerin, versucht uns Deutsche zu einer Normalität zu überreden, die schlichtweg in der Notwendigkeit begründet liegt, nur so den Aufgaben der Zukunft gerecht werden zu können. Um dies zu erleichtern, verweist sie, höchst subjektiv, auf die "schwarzen Löcher" der Weltgeschichte. "1782 hatten wir eine Diktatur, aber am 14. Juli spielen wir die Marseillaise, statt uns über die Opfer Gedanken zu machen. Die Amerikaner haben die Indianer vernichtet, die Spanier ganze Völker mit Krankheiten ausgerottet, die Russen u. a. die Ukrainer verhungern lassen, genau wie die Engländer mit den Iren; Sklaven wurden von Türken, Japanern, Chinesen, Deutschen ausgenutzt und die in Israel, sie sind auch nicht besser: kein Volk ist unschuldig. Wehe dem, der auf uns einen Stein wirft!"

Das Beklemmende an ihren
Feststellungen ist, daß ihr
die Anomalie unseres Umgangs mit der eigenen Geschichte sofort in die Augen springt. Und das Lobenswerte, das stille Heldentum, daß sie kein neues "Testament Richelieu" draufgibt, kein "Immer daran denken, aber nie davon sprechen" gelten läßt, sondern zur selbstbewußten Umkehr drängt. Daß "20jährige ihre eigene Geschichte nicht lernen wollen, sehe ich als furchtbaren Erfolg einer gemeinen Diktatur an".

Doch was soll der gemeine Michel tun, wenn ein Bundeskanzler Schröder äußert: "Jeder unserer EU-Partner darf nationale Interessen deutlich vertreten, nur wir Deutschen dürfen das anscheinend nicht. Ich verstehe das, denn hierfür gibt es wesentliche historische Ursachen, die man nicht verdrängen darf, die auch weiter unsere Politik beeinflussen müssen ..." Müssen? Marie Bowmann, merken Sie, der Wahnsin hat Methode.

 
     
     
 
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