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Zwischen zwei Männern

 
     
 
Mit 13 Jahren war Clara bereits gefeierte Klaviervirtuosin. Sie verdankte es einem ebenso autoritären wie glanzvollem Dressurakt ihres Vaters Friedrich Wieck. Als gerühmter Musikpädagoge hatte er Clara (1819-1896) zur Meisterschaft herangebildet. Wohin die Konzertreisen die beiden auch führte, Clara wurde umjubelt und umschwärmt. Letzteres galt ihrer Gestalt. Das fragile Mädchen mit den länglich geformten Augen, dem pechschwarzen Haar erregte Aufsehen. Niemals würde Wieck seinen Edelstein aus der Obhut lassen, schon gar nicht, um "irgendwen" zu heiraten. Sie wohnten in Leipzig, und hier wurde Robert Schumann
(1810-1856) Wiecks bevorzugter Schüler. Er schätzte den jungen Mann - noch. Schumann brach sein Jurastudium ab. Zum Pianisten fühlte er sich berufen. Doch eine selbstverschuldete Lähmung eines Fingers der rechten Hand verwehrte diesen Zukunfts-traum. Erste Depressionen befielen ihn. Sie werden schicksalsmächtig sein.

Schumann änderte die berufliche Zielsetzung. Er begann zu komponieren. Seine Musik wurde als ungewöhnlich empfunden. Nur wenige wußten die "Papillons", "Carnaval", die Sinfonien zu würdigen. Seiner spärlichen Einnahmen wegen gründete er die "Neue Zeitschrift für Musik".

Seit Claras Kinderzeit dachte er an sie. Mit der kleinen Virtuosin war er im Wieckschen Haus herumgetollt. Nun kehrte die 16jährige Beifallumrauschte aus Paris zurück - und beide erkannten, daß sie sich liebten. Wieck griff ein. Bis zur 1840 von Schumann gerichtlich erzwungenen Heiratserlaubnis verfolgte Wieck ihn mit übelsten Verleumdungen und trieb Clara von Tournee zu Tournee. Er stellte vor Augen, daß ihr als Ehefrau eines armen Schluckers ein banales Schicksal drohe: Hausfrau, Kinder gebären - ausgerechnet sie, der die Konzertsäle der Fürstenhöfe offen standen. Dennoch: Am 12. September 1840 wurde in der Dorfkirche von Schönefeld bei Leipzig die Ehe geschlossen. Und dann?

Wieck behielt recht. Zwar blieb die Liebe noch lange Zeit unerschütterlich, aber es fiel Clara, die hohe Gagen gewöhnt war, schwer, um Wirtschaftsgeld zu bitten. Außerdem fehlte ihr der tosende Applaus. So startete sie 1842 nach der Geburt des ersten Kindes wieder ihre Tourneen. Eine Weile begleitete Schumann sie. Doch er mußte erfahren, daß er für Claras Publikum nur der Gatte der berühmten Pianistin war. Er erlebte, daß Clara allein zu Hof gebeten wurde und daß man ihn fragte, ob "er auch Musiker sei". Schumann zog die Konsequenz. Von Hamburg fuhr er allein nach Leipzig zurück; Clara reiste nach Kopenhagen. Ins Tagebuch notierte er: "Soll ich denn mein Talent vernachlässigen, um Dir als Begleiter auf der Reise zu dienen? Und Du, sollst Du Dein Talent ungenützt lassen, weil ich nun einmal an Zeitung und Klavier gefesselt bin. Wir haben den Ausweg getroffen. Du nahmst eine Begleiterin, ich kehrte zum Kind zurück und zu meiner Arbeit."

Mehrere Versuche Schumanns, in anderen Städten finanziell auskömmlich Fuß zu fassen und Achtung zu erwerben, scheiterten. In Dresden fühlte sich Clara überfordert: Sechs (!) Kinder hatte sie geboren; die Warnung ihres Vaters schlich sich ins Gedächtnis. Jetzt dünkte ihr Robert als Hindernis ihrer Karriere. Schumann belog sich, wenn er schrieb: "Clara kennt selbst ihren Hauptberuf als Mutter, daß ich glaube, sie ist glücklich in den Verhältnissen, wie sie sich nun einmal nicht ändern lassen." Ändern tat sich sein gesundheitliches Befinden; die Depressionen nahmen zu ...

1850 funkelte seiner kränkelnden Psyche ein Sonnenschimmer. Er wird als Musikdirektor das Düsseldorfer Orchester leiten und endlich Anerkennung finden. Mit dem "Glück" läßt sich kein Dauervertrag schließen. Am 13. September 1853 tritt Johannes Brahms (1833 bis 1897) in das Leben der Eheleute Schumann - und zwischen sie. Der 20jährige Komponist und die 34jährige Clara verstricken sich leidenschaftlich. Geheim Liebende sind nicht der Einsicht fähig, Briefpapier wie die Teufelsklaue zu meiden. Zwar hatten sich Clara und Brahms versprochen, ihre Briefe zu vernichten. Sie taten es auch, aber eben nicht alle. So lesen wir: "Meine geliebte Clara - In einem fort möchte ich Dich Liebling und alles mögliche nennen, ohne satt zu werden." Und Clara: "Lieber Johannes. Es war schön, daß Du kamst, nur gar so kurz - fast ein Traumbild. Innig, Deine Clara." Verliebte meinen stets, daß außer ihnen niemand etwas von den Gefühlswallungen bemerkt. Ein gefahrvoller Irrtum ...

Am 27. Februar 1854 stürzt sich Schumann, psychisch zerrüttet, in den Rhein, wird von Schiffern gerettet und bald danach in die Nervenheilanstalt Endenich bei Bonn gebracht. Am 11. Juni gebiert Clara ihr siebtes Kind, den Sohn Felix, der Johannes Brahms ähneln soll. Ahnte Schumann die Intimität der Beziehung? Mit seiner Genehmigung hatte Brahms die Sonate in fis-moll Clara gewidmet. Gewiß eine Zuneigungsbekundung, jedoch nicht unüblich. Aber er war auch Reisegefährte Claras gewesen.

Gemeinsame Reisen lassen Zeit zur Entspannung. Vermutung oder Wissen Schumanns - der finale Krankheitsverlauf dürfte beschleunigt worden sein. Am 23. Juli wurde Clara nach Endenich gerufen. Schumann lächelte sie an, schlang den Arm um sie. Clara bekannte: "Um alle Schätze dieser Welt gäbe ich diese Umarmung nicht wieder hin." Am 29. Juli starb er ...

Der Weg zur offiziellen Bindung von Clara und Brahms wäre nun frei gewesen, aber er mündete in eine Sackgasse, die an ihrem Ende durch den unentrinnbaren Schatten Schumanns zur Umkehr zwang. Erhalten blieb die lebenslange Freundschaft.

Erste Depressionen befielen schon früh den jungen Komponisten Johannes Brahms: Schwärmte für E.T.A. Hoffmann und dessen Kapellmeister Kreisler
 
     
     
 
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