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Teilung und Einheit

 
     
 
I n Deutschlands Hauptstadt herrscht Wahlkampfstimmung. Und einen solchen Wahlkampf hat Berlin noch nicht erlebt: Für das höchste Amt kandidiert der Repräsentant einer Partei, die – wenn auch unter anderem Namen – die Hauptverantwortung für vier Jahrzehnte Teilung trägt.

Immerhin, Gregor Gysi und seine PDS dürften froh sein, wenn sie diese Tage um den 13. August endlich überstanden haben. Denn das geschichts
trächtige Datum bewirkt, daß die Verbrechen ihrer Vorgänger, der SED, wenigstens vorübergehend in den Medien mehr Raum einnehmen als das intellektuell verbrämte Strahlemann-Gehabe ihres obersten Wendehalses. 40 Jahre Mauer – das läßt sich auch mit größter Eloquenz nicht schönreden, das ist für die um die Machtergreifung im Roten Rathaus kämpfende PDS unangenehm, ja geradezu geschäftsschädigend.

Aber man wird wohl nicht lange warten müssen, bis alle Sender und alle Blätter ihre Erinnerungs-Pflichtübungen absolviert haben und zur Tagesordnung übergehen. Und auf der steht obenan: Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung müsse man die PDS endlich wie eine "ganz normale" Partei behandeln. Man müsse sich mit ihr politisch, inhaltlich auseindersetzen und man müsse sich auch die Option offenhalten, mit ihr Bündnisse und Koalitionen einzugehen.

Kann eine Partei mit einer solchen Vorgeschichte wirklich "ganz normal" sein? Kann man es wirklich aus dem Gedächtnis löschen oder allenfalls auf der politischen Tagesordnung ganz nach hinten, sozusagen ins Kleingedruckte verdrängen, daß die SED jahrzehntelang schwerste Schuld auf sich geladen hat? Sie war verantwortlich für tausendfachen Mord an den Grenzen quer durch Berlin und durch Deutschland, für millionenfache Freiheitsberaubung, für Meinungs- und Gesinnungsterror, für kriminelle Bespitzelung und so weiter. Selbst wenn man die Beteuerungen einiger weniger Mitglieder der heutigen PDS, sie hätten sich von diesem düsteren Kapitel der eigenen Geschichte losgesagt, ernst nehmen will – von derartigen Verbrechen, für die 28 Jahre lang die Mauer als Schreckenssymbol stand, kann man sich nicht so einfach "lossagen". Zumal solche Erklärungen in aller Regel nur dann erfolgen, wenn es gerade opportun erscheint.

Der einzige, dem ich persönlich die Abkehr von den Untaten des SED-Regimes uneingeschränkt abnehme, ist Ex-Politbüro-Mitglied Günther Schabowski. Der Mann, dessen bis heute etwas nebulös wirkende Presseerklärung vom 9. November 1989 der bereits wackelnden Mauer den entscheidenden Stoß versetzte, hat sich glaubwürdig zu Mitverantwortung und Mitschuld bekannt, hat dafür gebüßt und wurde nicht, wie manch anderer, der einst in der DDR-Hierarchie auch weit oben stand, von westdeutschen Medien mit satten Honoraren und publikumswirksamen Auftritten belohnt.

Die Mauer, am 13. August vor 40 Jahren erbaut, wird immer ein Symbol der Teilung und der Unfreiheit bleiben. Und solange diejenigen, die für ihren Bau und für 28 Jahre Grenzregime Verantwortung tragen, Einfluß auf die Politik in Berlin und in Deutschland haben, ja sogar sich erdreisten können, uns zu lehren, was Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat bedeuten, so lange wird diese Mauer auch Symbol dafür sein, daß der 9. November 1989 uns dem Ziel der Einheit unseres Vaterlandes zwar ein gutes Stück näher gebracht hat, daß die volle innere und äußere Einheit Deutschlands aber noch lange nicht vollendet ist.

 
     
     
 
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