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Alte Schüler feiern mit jungen Studenten

 
     
 
Zum 100. Jubiläum des Hufengymnasiums in Königsberg waren neun ehemalige Schüler mit 13 Angehörigen angereist, um mit den russischen Studenten und Lehrern des heutigen Staatlichen Stadtbaucollege die Gründung der Schule zu feiern.

In der festlich geschmückten Aula, an deren Empore der Spruch "Wir gratulieren zum 100jährigen Jubiläum des Hufengymnasiums" angebracht war, fand die gemeinsame Festveranstalt
ung statt. Vor Beginn der Feier trafen die Ehemaligen sich mit Angehörigen des Baucollege, Sem Simkin und L. Natjagan von der Ernst-Wiechert-Gesellschaft in Königsberg sowie dem Direktor des Deutsch-Russischen Hauses, P. Wunsch, am Gedenkstein für Ernst Wiechert neben dem Portal der Schule. Die Geschichtslehrerin des Baucollege, G. Kalinskaja, Sem Simkin und der ehemalige Hufenschüler H. Werbke gedachten in kurzen Ansprachen des einstigen Lehrers und Dichters, der von 1920 bis 1930 an der Schule tätig war und sich mutig für Frieden und Menschlichkeit einsetzte.

Danach rezitierte eine russische Studentin ein Gedicht von Ernst Wiechert. Ein Blumengebinde wurde niedergelegt und mehrere Studentinnen folgten mit je einer Rose. Nach einem Musikstück begrüßte der Direktor A. Besnossow in der Aula der Schule die ehemaligen Schüler des Hufengymnasiums auf das herzlichste. Er schilderte in Kürze die gegenwärtige Situation des Baucollege, das 1947 seinen Lehrbetrieb aufnahm und nach der Rekonstruktion des durch die Kriegsereignisse zerstörten Hufengymnasiums am 1. September 1958 in das Schulgebäude einzog. Dabei erinnerte er auch daran, wie schnell die letzten zehn Jahre vergangen sind seit dem 90. Jubiläum des Hufengymnasiums, das auch schon von deutschen Exgymnasiasten und russischen Baucollegeangehörigen gemeinsam begangen worden war. Auch E. Tschesjakowa, die stellvertretende Direktorin der 51. Schule, in deren Gebäude in der Hermannallee 8 das Hufengymnasium von 1905 bis 1915 untergebracht war, gratulierte den Ehemaligen zum 100. Jubiläum und wünschte ihnen weiterhin alles Gute.

In der folgenden Festansprache ging der ehemalige Hufenschüler Dr. Hans Wiehler auf die Geschichte des Hufengymnasiums seit seiner Gründung am 1. Mai 1905 ein. Er lieferte einen Abriß über die Entwicklung der Schule vom ersten Abitur 1913 über den Umzug in den Neubau an der Ecke Hufenallee / Tiergartenstraße am 14. Oktober 1915 bis zu ihrem Ende im Januar 1945. Infolge der Kriegsereignisse verloren acht Lehrer ihr Leben, von 170 Schülern wurde bekannt, daß sie gefallen sind. Wiehler würdigte solche hervorragenden Pädagogen wie Dr. Postelmann, der elf Jahre das Direktorenamt erfolgreich ausübte, bis er 1934 von den Nationalsozialisten abgesetzt wurde. Er nannte den bekannten Lehrer und Dichter Ernst Wiechert, der nach seiner fast zehnjährigen Tätigkeit an der Schule nach Berlin ging und dort 1933 aus dem Schuldienst ausscheiden mußte. Wegen seines aktiven Auftretens gegen die NS-Diktatur kam er 1938 in das KZ Buchenwald. Weitere bedeutende Lehrer waren der Musiklehrer Hugo Hartung, der sich als Chor- und Orchesterleiter durch seine öffentlichen Auftritte mit Werken von Bach, Haydn und Brahms in der Stadthalle und dem Haus der Technik hohes Ansehen erwarb. Auch er wurde von den Nationalsozialisten aus dem Schuldienst entlassen. Nach dem Krieg wirkte er als Professor für Musikerziehung an der Humboldt-Universität in Berlin. Erwähnt wurde auch der sehr talentierte Zeichen- und Kunstlehrer Dr. Handschuk. Von den ehemaligen Hufenschülern würdigte der Redner den bekannten Tierfilmer Professor Heinz Sielmann, der heute noch mit seiner Stiftung die älteste Vogelwarte der Welt in Rossitten tatkräftig unterstützt. Weitere ehemalige Hufenschüler, die beachtliche Leistungen für Wissenschaft und Kultur erbracht haben, waren die Mathematiker Kaluza und Artzy sowie der Historiker Hillgruber.

Als Gastgeschenke erhielt das Baucollege von den Ehemaligen ein modernes Kopiergerät und 100 Exemplare des ins Russische übersetzten ersten Teils der Autobiographie Ernst Wiecherts "Wälder und Menschen". Wiehler wünschte den Lehrern und Studenten viel Erfolg beim Lehren und Lernen und eine weitere Festigung der Zusammenarbeit zwischen den deutschen und russischen Menschen zum Wohle beider Völker.

Im Anschluß daran überreichte K. Behrend sechs Studentinnen, zwei Lehrerinnen und dem Leiter der Arbeitsgruppe für die Gestaltung des Museums "100 Jahre Hufengymnasium", B. Fedotow, eine "Alberte" und das Buch "Wälder und Menschen". Den Abschluß der Feier bildete ein auf hohem Niveau stehendes kulturelles Programm. Die Studentinnen und Studenten boten den Exschülern ein ausgezeichnetes Ensemblespiel mit Gesang, Tanz und Musik. Anschließend besichtigten die Deutschen einige Unterrichtsräume und das Museum zu 100 Jahre Hufengymnasium.

Für dieses Schulmuseum hatte das Baucollege das Buch des ehemaligen Schülers Neumann "Geschichte des Hufengymnasiums 1905-1945", Rundbriefe der Schultreffen, Fotos, Zeugnisse und andere Dokumente verwandt. Interessant waren auch Fotos, die den Gestalter des Museums B. Fedotow als Studenten des Baucollege bei der Restaurierung des Gebäudes des Hufengymnasiums in den Jahren 1957/58 zeigen. Am Nachmittag machten die Ehemaligen noch eine Stadtrundfahrt und besuchten dabei die 31. Schule, um sich die in der Bibliothek befindliche Ernst-Wiechert-Ausstellung anzusehen.

Abends fand dann mit dem Direktor, den Lehrern und den deutschen Gästen ein festliches Essen in der Schule statt. Dabei führten die Teilnehmer freundschaftliche Ge-

spräche und tauschten Gedanken über ihr Leben aus. K. Behrend überreichte der Deutschlehrerin T. Borissowa das Buch "Der Untergang Königsbergs - ein ,Geltungsjude berichtet" von Michael Wieck in russischer Sprache mit einem persönlichen Signum des Autors. Die russischsprachige Ausgabe dieses Buches war am 9. Dezember vergangenen Jahres in der Königsberger Universität in Anwesenheit des Gouverneurs Wladimir Jegorow durch den Autor öffentlich vorgestellt worden. Im Vorwort zu dem Buch schreibt der bekannte Schriftsteller Siegfried Lenz; "Geprägt von einem besonderen Geist der Gerechtigkeit stellen Wiecks Memoiren ein faszinierendes, zugleich nachdenklich stimmendes Dokument dar, das auf besondere Weise der jüngeren Generation im historisch-politischen Unterricht Zeitgeschichte vermitteln kann."

Am folgenden Tag machten die Ehemaligen mit ihren Angehörigen bei herrlichem Wetter einen Tagesausflug auf die Kurische Nehrung mit einem Besuch der Vogelwarte Rossitten. Einige interessierte Hufenschüler nahmen am 27. Mai noch an einer Besichtigung der BMW-Produktionsstätte in der ehemaligen Schichauwerft teil. Die Reise zum Jubiläum war für alle Teilnehmer ein sehr eindrucksvolles Ereignis. Entstandene Kontakte werden sie weiter pflegen und ausbauen. So mancher von ihnen wird sicher bald wieder einmal nach Königsberg kommen. K. B.

Vor der Jubiläumsfeier in der Aula am Gedenkstein für Ernst Wiechert: Konrad Behrend, Lidia Natjagan, Hajo Werbke, Sem Simkin, Galina Kalinskaja sowie zwei Studenten des Baucollege (von links nach rechts)
 
     
     
 
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