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Alte Staatsgalerie Stuttgart zeigt Werke von Edouard Manet

 
     
 
Über 50 Museen neben einer Anzahl nicht namentlich genannter privater Leihgeber haben mitgeholfen, die Ausstellung "Edouard Manet und die Impressionisten" zu einem bemerkenswerten Kunstereignis zu machen. In den erweiterten Räumen der Alten Staatsgalerie Stuttgart sind neben anderen 50 Ölbilder und Pastelle sowie etwa 30 Zeichnungen und Graphiken des 1832 in Paris geborenen Manet zu sehen.

Dem Besitzbürgertum entstammend, dessen Vorrechte er genoß, brüskierte Manet gerade diese Gesellschaftsschicht mit seiner Malerei
, die von ihr als revolutionär empfunden wurde. Häufige Besuche im Louvre begeisterten den jungen Edouard Manet für die Werke Tintorettos und Tizians; Velazquez und Goya inspirierten ihn für spanische Motive. 1863 stellte er im Pariser Salon sein Bild "Frühstück im Freien" aus, das einen Skandal hervorrief. Man hielt die Komposition für außerordentlich unschicklich: eine nackte Frau war in Gesellschaft zweier alltäglich gekleideter Männer abgebildet. Aber auch die unkonventionelle Malart mit ihrer Farbintensität und "unfertigen Skizzenhaftigkeit" entsprach nicht der akademischen Praxis.

Noch empörter reagierte die Bourgeoisie, als Manet zwei Jahre später seine "Olympia" ausstellte, ein altes Thema venezianischer Frauenbilder bei Giorgione und Tizian. Begeisterte Zustimmung erhielt er dagegen von seinen jungen Malerkollegen der impressionistischen Bewegung, die fortan in ihm ihren Führer sahen. Beide Bilder, im Besitz des Louvre, haben leider nicht den Weg nach Stuttgart gefunden. Nur ungern trennen sich verständlicherweise die großen Museen von ihren Spitzenwerken.

Den französischen Malern gelang es leichter und intensiver, das Thema der von Frauen verschönten Geselligkeit und der Entfaltung weiblicher Reize mit dem Gegenwartsrealismus in Beziehung zu setzen. Edgar Dégas Mädchenbilder und Renoirs Gemälde von 1874, "Camille Monet und ihr Sohn Jean im Garten von Argenteuil", verdeutlichen dies. Letzteres Bild gestattet den überaus reizvollen Vergleich mit dem von Manet gemalten gleichen Motiv, einer Leihgabe des New Yorker Metropolitan Museum of Art. Obwohl der Dichter Mallarmé seinen Freund Edouard Manet als Anführer der impressionistischen Bewegung bezeichnete, trifft dies nicht ganz zu. Manet stand wohl im Zentrum der Avantgardisten - bekannt sind die legendären Diskussionen im Café am Place Pigalle mit Pissaro, Cézanne, Sisley, Dégas, Renoir und Claude Monet - aber erst durch deren duftige Malweise samt systematischer Zerlegung der Farbtöne begann sich auch Manets Palette aufzuhellen.

Edouard Manet gilt als der Vater der modernen Malerei. Die Großstadt Paris war für ihn die Bühne, wo er Menschen auf der Weltausstellung, bei Maskenbällen oder in den Follies-Bergère beobachten konnte. Er malte die nach der neuesten Mode gekleideten Pariserinnen, übersah dabei auch kein Detail der schicken Accessoires. Während die Farben kontrastreich nebeneinander bestehen, bleiben die Formen klar abgegrenzt, sie verlieren sich nicht im Flimmern des Lichtes. So verwundert es nicht, daß er an den Ausstellungen seiner Impressionistenfreunde unbeteiligt blieb.

In fünf Räumen präsentiert die Stuttgarter Ausstellung - die größte Werkschau Manets, die je in Deutschland zu sehen war - den Künstler als Menschenschilderer, als Maler des zeitgenössischen Lebens. Da darf der Beginn des technischen Zeitalters nicht fehlen. 1872 entsteht das Freilichtbild "Die Eisenbahn". Den Vordergrund nimmt eine junge Mutter mit ihrer adrett gekleideten Tochter ein. Das Mädchen, mit dem Rücken zum Betrachter, schaut durch ein Absperrgitter auf den Gare Saint-Lazare. Welch eine Bilderfindung. Der voluminöse Dampf der Lokomotiven läßt nur erahnen, was sich auf den Gleisen abspielt. Dagegen Claude Monet, er hat den gleichen Bahnhof gemalt; schwarze, runde Bahnsignale ragen wie Totenschilder in ein diffuses Gemenge aus Rauch und angedeuteten Strukturen, eben ein impressionistisches Werk. Dieser krasse Unterschied in der Malweise der beiden Künstlerfreunde verdeutlicht Manets besondere Position innerhalb des Impressionismus, der ihn mehr als neues Experimentierfeld interessierte.

Für die bourgeoisen Pariser des 19. Jahrhunderts gehörten Sommerferien am Meer zum guten Ton. "Am Strand von Boulogne-sur-Mer" heißt Manets fast surreal anmutendes Bild, das neben spielenden Kindern, Personen mit Sonnenschirmen eine von Pferden gezogene Badekabine zeigt. Schwungvoll hingemalte Schiffs- und Hafenbilder erinnern an Manets frühe Seereise nach Südamerika. Auf dem "Seestück" betitelten Bild ist das intensiv blaugrün schimmernde Meer nicht der Hintergrund, sondern der Hauptakteur. Wenn Manet mit dem Dichter Charles Baudelaire durch den Bois de Boulogne promenierte, dann ermunterte ihn dieser zur kühlen Beobachtung der Mitmenschen, die man doch als soziale Wesen erfassen sollte.

Edouard Manets künstlerische Tätigkeit wurde vom deutsch-französischen Krieg unterbrochen. Die preußische Armee brachte Frankreich eine Niederlag nach der anderen bei und stand am 3. September 1870 vor Paris. Manet schloß sein Atelier und meldete sich mit Dégas freiwillig zur Nationalgarde. Nach der Kapitulation konnte er eine Reihe von Bildern an einen Kunsthändler verkaufen. Er veranstaltete eigene Atelierausstellungen, beispielsweise 1876, als innerhalb zweier Wochen viertausend Besucher seine Werke anschauten. Ein Jahr später malte er das Auftragsbild "Faure in der Rolle des Hamlet", ein Ölgemälde der Größe 196 mal 129 cm. Diese schwache Arbeit zeigt den Bariton Faure während eines Theaterauftritts. Die impressionistische Malweise ging hier gründlich daneben, der schwarz gekleidete Hamlet wirkt, als sei er vom Schüttelfrost befallen. Jedenfalls lehnte der Auftraggeber die Annahme des Bildes ab. Nur einige Säle weiter, nicht zur Ausstellung gehörend, hängt ein Spitzenwerk der Staatsgalerie, das "Champa-gnerlied" von Max Slevogt (1868-1932). Ein Vergleich der beiden Sängerbilder lohnt sich, im Begleittext zu Slevogts Bild heißt es: "Kühn trat der junge Maler in Konkurrenz zu Manet. Der Deutsche wagte mit diesem Bild die Herausforderung und zauberte in leichten Tönen die Erscheinung des legendären Mozart-Interpreten D Andrade, als Don Juan das Champagnerlied singend, auf die Leinwand." Manets Gesundheitszustand verschlimmerte sich zusehends, sein sehnlicher Wunsch nach Anerkennung ging mit der Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion in Erfüllung. Am 30. April 1883 endete sein Leben.

Rüdiger Ruhnau

Die Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart dauert noch bis zum 9. Februar 2003. Der Katalog kostet 23 Euro.

Edouard Manet: Die Familie Manet in ihrem Garten in Argenteuil (Detail, 1874) Fotos (2): Staatsgalerie Stuttgar
 
     
     
 
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