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Der wöchentliche Brief von meiner Freundin von daheim, der reißt mich aus dem Lagertrott", sinniert ein Hauptgefreiter von der Stabskompanie im nordafghanischen Mazar-e-Sharif. Er ist einer von vielen - eigentlich von allen - die für kurze Zeit Schutzweste und Waffe beiseite legen, wenn sie Post aus der Heimat entgegennehmen. Am Hindukusch können die Rekruten zwar auch auf Telefon und Internet zurückgreifen, aber ein Brief ist dann doch etwas anderes. Das Handschriftliche, das mitgeschickte Malbild der Tochter, das Foto der Braut - das sind die Dinge, die so persönlich sind, daß mancher Soldat in einem Anflug von Heimweh den Tränen nahe ist. Und auch der Hauptgefreite steckt seinen Brief zu dem Foto der Freundin in die Brusttasche.

Auch heute, im Zeitalter der digitalen Medien, die es möglich machen, daß Informationen in Millisekunden um die Welt sausen, gilt die Feldpost als eines der wichtigsten Instrumente zur Hebung der Moral in der Truppe. Doch wie funktioniert sie, die Feldpost?

Es ist gerade 25 Jahre her, daß die Bundeswehr die Feldpost wieder eingerichtet hat. Zwei Jahre zuvor, 1980, hatte man bei der Truppe festgestellt, daß Soldaten der 1. Kompanie des leichten Pionierbataillons 240, die zur Erdbebenhilfe in Nepal eingesetzt waren, mangels Feldpost nur umständlich mit Nachrichten von daheim versorgt werden konnten. So richtete man die aus preußischer Zeit bekannte Feldpost wieder ein und begann die Postversorgung im Rahmen von Wehrübungen wie "Leuchtendes Morgenrot", "Flinker Igel" zu üben.

Wenn heute die Ehefrau eines in Afghanistan stationierten Soldaten, nennen wir ihn Stabsunteroffizier Hagen Schmidt, einen Brief schreibt, dann wird der Brief den folgenden Weg einschlagen: Frau Schmidt adressiert den Brief mit "Stabsunteroffizier Hagen Schmidt / Deutscher Einsatzverband (Kurz: DtEinsVbd) Mazar-e-Sharif / Mazar-e-Sharif (AFG) / Feldpost / 64298 Darmstadt. Für die Marineverbände am Horn von Afrika gilt die Feldpost in 26384 Wilhelmshaven (Zerstörer
flotille) oder 18119 Rostock-Warnemünde (Schnellbootflotille). Die geheimen Feldpostnummern gibt es bei der Bundeswehr allerdings nicht mehr.

Anschließend frankiert Frau Schmidt den Brief ausreichend mit 55 Cent - das günstige Inlandsporto genügt - und wirft den Brief an einem warmen Montag morgen in den nächstgelegenen Briefkasten der "Deutschen Post". Diese ist nämlich für den ersten Teil beziehungsweise je nach Laufrichtung des Briefes für den letzten Teil der Logistik zuständig. Die "Deutsche Post AG" liefert den Brief auf dem üblichen Weg und mit den üblichen Schwierigkeiten am Dienstag in der Feldpostleitstelle Darmstadt ab. Hier und in den weiteren Dienststellen der Feldpost arbeiten 503 Reservisten, darunter 26 Offiziere.

Die Kameraden von der Feldpost sortieren den Schmidtschen Brief nach Einsatzland und Einheit zu der für Afghanistan vorgesehenen Post. Der Brief findet sich erneut in einer gelben Postkiste wieder, denn auch die Bundeswehr nutzt die praktischen Plastikverpackungen. Die Kiste mit Frau Schmidts Brief wird palettiert, verpackt, verdeckelt und verplombt. Die so gesicherte Feldpost wird sodann von Darmstadt aus durch ein privates Speditionsunternehmen bis Mittwoch nach Trollenhagen verfrachtet. Der bei Neubrandenburg gelegene ostmecklenburgische Ort beheimatet einen Luftwaffenstützpunkt. Eine von der Bundeswehr gecharterte ukrainische Iljuschin fliegt Frau Schmidts Brief je nach Witterung noch am Donnerstag nach Mazar-e-Sharif.

Der Brief für Stabsunteroffizier Schmidt erreicht ihn über das Feldpostamt im Bundeswehrstützpunkt Mazar-e-Sharif im Idealfall noch vor dem Wochenende. Vier bis sieben Tage Transportzeit gelten als normal.

Die Schmidts telefonieren zwar täglich miteinander und senden sich regelmäßig SMS - E-Plus-Handys haben auch im Norden Afghanistans Empfang. Regelmäßig nutzen sie zudem das Internet - was eine Fernmeldeeinheit in Kunduz möglich macht, die 110 Telefon- und Internetanschlüsse (30 Cent je Minute) über eine 6,50 Meter breite Satelittenschüssel empfangbereit hält.

Dennoch - die Feldpost ist es, die die besonderen Emotionen auslöst, denn jeder Brief und jedes mitgeschickte Foto bedeuten eine halbe Stunde der intensiven Beschäftigung mit dem Partner. Der handschriftliche Brief ist ein kleines Stückchen Heimat, ein paar Minuten familiäres Glück. So wird der persönliche Brief zur Munition für die Moral der Truppe, wie es bei der Feldpost der Bundeswehr heißt.

Mit den Einsätzen der Bundeswehr jenseits der deutschen Grenzen erlebt so auch die Feldpost eine echte Renaissance. Die Rekruten - ganz gleich, ob am Hindukusch oder auf dem Balkan - haben eine regelrechte Schreibwut entwickelt.

Inzwischen richten auch Sammler und Philatelisten ihren Blick auf Postkarten mit Feldpoststempel. Soldatenpost aus Kambodscha, dem Kongo, Bosnien und Kabul steht eben nicht nur bei Ehefrauen und Müttern hoch im Kurs.

Foto: Afghanistan: Am Hindukusch werden selbst Schreibfaule fleißig. Fern der Heimat ist der persönlich gehaltene Brief sogar wichtiger als das tägliche Telefonat. (Deutsche Post)

 

Zeitzeugen

Kaiser Karl V. - Der Habsburger setzte wegen der drohenden Türkengefahr 1522/1524 feldpostähnliche Staffetenläufer ein, die staatliche Botschaften übermittelten. Schon Maximilian I. hatte um 1500 einen Kurierdienst zwischen der Lombardei und Wien eingerichtet.

Karl Ziegler - Der Leiter der Personalabteilung des Reichspostministeriums und frühere Präsident der Reichspostdirektion Köln erhielt am 24. August 1939 seinen Gestellungsbefehl zum Heeresfeldpostmeister im Stab des Generalquartiermeisters beim OKH. Mit dieser Einberufung des 61jährigen Beamten begründete die Wehrmacht die Feldpost neu. Ziegler, zwischen 1933 und 1937 Mitglied der NSDAP, blieb in dieser Funktion bis Kriegsende. Die Feldpost der Wehrmacht lieferte rund 30 bis 40 Milliarden Sendungen aus.

Dieter Seegers-Krückeberg - Der 1943 in Ahlbeck geborene Logistikmanager mit einer besonderen Vorliebe für Friedrich den Großen war der letzte General Feldpostmeister der Bundeswehr (im Verteidigungsfall). Der ehemalige Postvorstand und Begründer eines privaten Paketdienstes war aufgrund seiner Funktion bei der "Deutschen Post" - die einen Feldpoststrang organisiert hatte - zwischen 1991 und 1998 als Brigadegeneral der ranghöchste Reservist. Die Stelle wurde abgebaut, seitdem die Feldpost durch die Einbindung privater Dienstleister keine Brigadestärke mehr hat.

Heinrich Böll - Der 1985 verstorbene Literat und Nobelpreisträger war zu Beginn des Zweiten Weltkriegs begeisterter Soldat. 2001 publizierte seine Witwe Annemarie 878 seiner Kriegsbriefe. Vor ihm hatte schon der 1917 gefallene Walter Flex Kriegsbriefe geschrieben und diese publiziert.

Franz Josef Jung - Der Verteidigungsminister entscheidet über die Einrichtung oder Schließung der Feldpoststellen. Der logistische Aufwand soll in einem vertretbaren Verhältnis zu der Bedeutung des Einsatzes stehen. Das ist bei Auslandseinsätzen regelmäßig der Fall. Beim Einsatz im Kongo gab es allerdings Engpässe - die Feldpost wurde zwar geliefert, nur die Dauer blieb längere Zeit im Dunkeln. Jungs Streitkräfte hatten einen spanischen D
 
     
     
 
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