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Im Hamburger Stadtteil Harburg muß man sich nicht auskennen, um das Phoenix-Gelände zu finden. Das Fabrikungetüm ist weithin sichtbar. Und an heiße Tagen liegt der Geruch von Gummi in der Luft.

In den Straßen um die Reifenfabrik herrscht reges Leben. Cafés und Kneipen sind gu besucht, Menschen verschiedenster Nationalitäten leben hier mit- und nebeneinander sitzen in der Sonne, bummeln durch den Kiez oder stehen an Kiosken und unterhalten sich.

Das Phoenix-Viertel, wie es von den Harburgern genannt wird, wurde mitunter als ei Paradebeispiel für eine multikulturelle Gesellschaft
, wie sie funktionieren kann gehandelt. "Ein Viertel voller Leben!" weiß ein Gemüsehändler an de Wilstorfer Straße zu berichten.

Dem türkischen Imbiß folgt ein mexikanisches Restaurant, dem deutschen Kiosk ei griechischer Gemüseladen. Und in den Straßen ist das Bild ebenso bunt; Deutsche Türken, Italiener, Slowenen, Afrikaner, alle bewohnen und prägen miteinander diese Viertel. Es gab schon mal Ärger, aber das hielt sich in Grenzen.

Doch die auf den ersten Blick stabile "Kiezidylle" war zerbrechlicher, als von Behörden und Ansässigen angenommen. Seit Anfang des Jahres liegen bei den Anwohner einiger Straßen die Nerven blank.

Alles begann mit dem Zuzug von achtzig Sinti und Roma, im Volksmund Zigeuner genannt Man bemerkte eine zunehmende Vermüllung in den Straßen und auf den Spielplätzen sowi immer mehr zerschlagene Fensterscheiben in den Hinterhöfen. Lärmbelästigungen bis spä in die Nacht ließen die Bewohner keinen Schlaf finden. Drogenhandel und Pöbeleien bi hin zu Handgreiflichkeiten wurden alltäglich. "Ich traue mich nach 21 Uhr nicht meh auf die Straße, denn da gehört denen das ganze Viertel", flüstert ein alleinstehende alte Frau und drückt sich in ihren Hauseingang zurück.

Angst, das haben hier inzwischen viele. Die Zigeuner lungerten in den Straßen und au den Spielplätzen herum, pöbelten Passanten an und vertrieben systematisch die andere Kinder der Nachbarschaft, beschweren sich die Phoenix-Viertler. Sie bedrohten, beraubte und verprügelten Jugendliche und ältere Menschen.

Alteingesessene verschiedener Nationalitäten ziehen schon weg. "Ich fühle mic hier nicht mehr sicher, habe Angst um meine Familie!", begründet ein türkische Familienvater seine Entscheidung fortzuziehen. "Parteien, Behörden und Polize unternahmen zu lange nichts, die Bevölkerung ist resigniert und eingeschüchtert. Es wir zuviel gefragt und zu wenig getan!" empört sich eine deutsche Anwohnerin, die sei 20 Jahren im Viertel lebt.

Anzeigen und Beschwerden häuften sich, doch mit der Begründung "In andere Stadtteilen Hamburgs ist die Situation noch viel schlimmer!" bügelten Polizei un Behörden die Klagen der Anwohner ab.

Als die Stadt Hamburg dann auch noch in Erwägung zog, das örtliche Polizeirevier zu verlegen, kam es vollends zum Eklat.

Durch eine Unterschriftenaktion und Mitteilungen an die Presse machen die Betroffene inzwischen auf die skandalösen Zustände in ihrem Viertel aufmerksam.

Erst davon aufgeschreckt, zeigten sich Parteiabgeordnete, Repräsentanten de Verwaltung und die Polizei gesprächsbereit. Mit den Vertretern der Anwohner fanden si sich daraufhin zu einer Diskussionsrunde zusammen. Eine Lösung fand man aber nicht un bildete infolgedessen einen Arbeitskreis, der Lösungsansätze erarbeiten un weiterführen soll. Dieser Kreis traf sich mit Vertretern der jugoslawischen Zigeuner, wa immerhin zu gemeinsamen Säuberungsaktionen in den Straßen und auf den Spielplätze führte. Nach den Sommerferien soll dann mit einem "Fest der Zigeuner" menschliche Annährung versucht werden.

Auch die Parteien haben inzwischen die Iniative ergriffen, mit eine "Beschwerde-Hotline" und Bürgergesprächen bemühen sie sich, das verloren Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen. Aber Angst und Mißtrauen bleiben groß, die Bewohner fühlen sich noch immer mit ihren Sorgen und Nöten alleingelassen. "Di Polizei geht morgens verstärkt Streife, aber nachts wäre es eigentlich notwendige ..."

Bis heute ist auch noch nicht geklärt, wer für den Zuzug der Zigeuner verantwortlic gemacht werden kann. Spekulationen, ein Immobilienbesitzer habe seine Häuser an die Sint und Roma vermietet, um die Wohnqualität des Viertels herabzusetzen und die Häuser dan günstig verkaufen zu können, sind bislang unbestätigt. Sicher ist nur, daß die Hinweise der Anwohner über angeblich überhöhte Mietzahlungen, Mehrfachbelegung de Wohnungen und illegalen Wohnungsausbau eine Lawine losgetreten haben. So ist schon längs nicht mehr nur der angegriffene Immobilienbesitzer in der Schußlinie, sondern auch ander Hauseigentümer in diesem Viertel.

Weiterer Kritik müssen sich Einwohnermeldeamt und Sozialamt stellen. Diese prüfte weder die Wohnungsverhältnisse noch die Gründe für einen Zuzug der Zigeuner.

Von Anfang an engagiert war Pastor Heinrich Engelhardt von der Apostolische Christengemeinde in der Eddelbüttelstraße. Ihm werden auf Plakaten einer anonymen linke Gruppe rechtsradikale Verbindungen unterstellt. Dabei scheint gerade der Kirchenmann u Verständigung im Phoenix-Viertel bemüht. Seit Jahren betreut Engelhardts Frau tagsübe Kinder unterschiedlichster Nationalitäten. Und der Pastor öffnet einmal die Woche die Jugendräume seiner Gemeinde für die ausländischen Nachbarn. "Jede Nationalitä hat in diesem Viertel einen Treffpunkt, nur die Sinti und Roma nicht", gibt Heinric Engelhardt zu Bedenken. Seiner Meinung nach müßte man sie von der Straße holen, ihne eine Alternative bieten. Dabei seien wiederum Behörden und Politiker gefragt, denn sei wöchentliches Angebot sei nur ein "Tropfen auf den heißen Stein".

Den Überlegungen etlicher Anwohner, eine Bürgerwehr zu gründen, versuchen Bezirksam und Arbeitskreis durch eine Interessengemeinschaft "Lebendiges Phoenix-Viertel" entgegenzuwirken. Ob das helfen wird?

"Sicher fühlen sich die Bürger nach wie vor nicht!", das weiß auc Hans-Ullrich Niels von der SPD. Viele seiner Gesprächspartner wollten aus Angst nicht daß ihre Namen in der Öffentlichkeit genannt werden.

Weitere Schwierigkeiten bei der Verständigung bildet die Sprache. Viele der Zigeune können kein Deutsch und sind nicht bereit, das zu ändern. Was wie ein Witz klingt: De Kindern der Sinti und Roma ist es freigestellt, ob sie am Schulunterricht teilnehmen gesetzlich verpflichtet wie sonst üblich sind sie nicht. "Wie sollen sie sich den in unsere Gesellschaft einfügen, wenn sie mehr Rechte als Pflichten haben?" frag sich da nicht nur Heinrich Engelhardt. Daß seine Einwände und Bedenken als "rechtsradikal" diffamiert werden, findet er beleidigend: "Man kann doc nicht nur Toleranz von einer Seite verlangen, alle Annehmlichkeiten in Anspruch nehmen aber keine Bereitschaft zum Miteinanderleben zeigen. Es will niemand, daß si verschwinden, aber es muß möglich sein, Probleme anzusprechen und sich zu arrangieren ohne in diesem Land als rechtsradikal beschimpft zu werden!"

In Harburg entsteht ein Ghetto. Längst regieren Banden, sogenannte Jugend-Gangs, die Gegend. Hierbei handelt es sich nicht nur um Sinti und Roma, die gespannte Situatio erhöht bei allen Nationalitäten die Gewaltbereitschaft.

Die Behörden stehen der Ghetto-Bildung hilflos gegenüber, denn sie haben derzei keine rechtliche Handhabe, den Wohnsitz der Sinti und Roma vorzugeben.

Momentan scheint eine Art Sommerpause das Phoenix-Viertel zu befrieden. Urlaub un zahlreiche Presseberichte sorgen für Ruhe, aber wie es nach den Ferien weitergeht, wei noch keiner abzuschätzen.

"Ich wünsche mir, daß hier wieder jeder leben kann und nicht nur solche, die sich wehren können. Die Menschen sollen hier alt werden können, ohne sich schwach ode bedroht fühlen zu müssen", äußerte sich Pastor Engelhardt hoffnungsvoll. Daß da ganze Viertel durch Schlagzeilen wie "Terror im Phoenix-Viertel" ode "Pulverfaß Phoenix-Viertel" in Verruf geraten ist, tut ihm weh. Aber ander wäre die Öffentlichkeit wohl nicht aufmerksam geworden. Und letztlich handelt es sic jetzt zwar "nur" um einige Straßen, aber wenn nichts geschieht, kippt unte Umständen die Stimmung im gesamten Viertel ..
 
     
     
 
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