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Züchtig gekleidet, gesittet im Benehmen, lerneifrig, wenn es um Kohlrouladen und Putzmethoden geht, so präsentiert die ARD derzeit zehn junge Frauen der Gegenwart in einer nachgestellten Bräuteschule des Jahres 1958. Schon als die ARD freiwillige Darsteller für das Rollenspiel suchte, echauffierte man sich bei der Zeitschrift "Emma" über derartig reaktionäres Verhalten des öffentlich-rechtlichen Senders. Für die "Emma"-Autorin Katja Kullmann ist die "Bräuteschule" voll und ganz inakzeptabel. Dabei gehört Katja Kullmann doch zur sogenannten "F-Klasse", die sich um die Krimi-Autorin Thea Dorn geschart hat. Deren Motto: Der Feminismus ist tot, es lebe die F-Klasse!

Aber was ist die F-Klasse überhaupt? Erst einmal ist es ein Buch: "Die neue F-Klasse - Wie die Zukunft von Frauen gemacht wird", Piper, München 2006, brosch., 343 Seiten, 14,90 Euro. Zu diesem fühlte sich die Autorin Thea Dorn laut eigenen Angaben inspiriert, nachdem sich ihr ein "distinguierter Kulturbetriebsherr" nach einer Talk-Show indirekt als Samenspender angeboten habe, "mit dem Hinweis, es sei doch ein Jammer, wenn meine Gene aus der ewigen Kette des Seins genommen würden". Aber nicht nur, daß die 1970 Geborene das Angebot eher weniger lustig fand, es hinterließ bei ihr auch das Bedürfnis, über die Stellung der Frau nachzudenken. Dabei war sie sich durchaus bewußt, daß unsere Gesellschaft keine 95 Thesen bräuchte, die eine Lutherine mit wuchtigem Hammer
ans Kirchenportal schlägt. Das Rad der Emanzipation müsse nicht neu erfunden, es müsse nur wieder in Schwung gebracht werden. Und daher die F-Klasse.

Denn was will man modernen Frauen zwischen 30 und 40 Jahren überhaupt anbieten? Begriffe wie "Feministin" seien für viele negativ belegt. Der Begriff "F-Klasse" hat hingegen eher was von "Klasse-Frau" und einem edlen, wertvollen Mercedes. Die "F-Klasse" bezeichnet also gebildete Karrierefrauen, die durch ihre eigenen Fähigkeiten gegen zahlreiche Widrigkeiten etwas erreicht haben.

Doch was sind die Standpunkte der F-Klasse? Die Antwort lautet, es gibt keine. Es handelt sich nur um eine lose Schicksalsgemeinschaft von Frauen zwischen 30 und 40 Jahren, die erkannt haben, daß die früher auch von ihnen getätigte Aussage, Emanzipation sei für sie ein alter Hut, nicht ganz der Realität entspricht.

Eben auch die gelegentliche "Emma"-Autorin Katja Kullmann hat dies für sich erkannt. "Schule, Ausbildung oder Studium, Start ins Berufsleben - so sieht seit den 70er Jahren die westliche Normalbiographie aus, ganz gleich ob für einen Mann oder eine Frau. In gewisser Weise kann man sagen, daß Männer und Frauen heute bis in ihr drittes Lebensjahrzehnt hinein eine androgyne Biographie haben." Doch dann käme die Krise. "Solange ich nicht darüber nachdachte, Mutter zu werden, konnte ich vergleichsweise ungehindert das Leben eines Mannes führen", so die 1969 geborene Expertin für Kampfmittelbeseitigung Vera Bohle. "Aber sobald die Kinderfrage auftauchte, war mir klar: Nichts mehr wird sein, wie es vorher war."

Für Vera Bohle sind Frauen, die medienwirksam das "Superweib" präsentieren und Kind und Karriere miteinander vereinen, nicht die Normalität. Und darüber müsse offen gesprochen werden. Zumal jene, die der Doppelbelastung Kind und Karriere entsagten, laut Katja Kullmann schnell merken würden, daß das auch nicht das Ideal sei. "Ende der 90er Jahre begannen die berufstätigen Single-Frauen zu spüren, daß ihnen im Leben etwas fehlt. Der Mangel der sogenannten ,Karrierefrau trug den Nachnamen ,Liebe , sein erster Vorname war: ,Mann , sein zweiter: ,Kind ... Mittlerweile haben viele Frauen den Job an den Nagel gehängt, geheiratet und sich fortgepflanzt. Und siehe da: Nach dem anfänglichen Rausch ... setzt der Kater ein."

Schnell wird aber deutlich, daß keine der von Thea Dorn befragten Frauen entweder besonders feministisch veranlagt ist oder in die neue Kind-Kegel-Küche-Lobpreisung der TV-Moderatorin Eva Hermann einstimmen wird. Die Damen sind irgendwo dazwischen und finden viele Dinge, die im Rahmen der Gleichstellung erfolgt sind, auch nicht gerade schlüssig. "Als Chefin habe ich ungern Vollidioten um mich herum, nur weil sie weiblich sind. Allerdings habe ich ebenso ungern Vollidioten um mich herum, nur weil sie männlich sind", meint die 44jährige Fernseh-Köchin und Unternehmerin Sarah Wiener auf die Frage nach dem Sinn von Frauenquoten in der Wirtschaft.

Auch die 36jährige FDP-Europa-Abgeordnete Silvana Koch-Mehrin sieht Widersprüche in der bisherigen Frauenpolitik. "Das mit der ,Frauenpolitik ist ein Dilemma. Das ist so, wie wenn jemand mit Einwanderungshintergrund Ausländerpolitik macht." Wer selbst betroffen sei, könne sich nur schwer objektiv für ein Thema engagieren. Allerdings, so meint die 43jährige türkische Anwältin und Frauenaktivistin Seyran Ates, wenn sie als Türkin sich nicht für die Rechte der islamischen Frauen einsetzte, wer täte es dann? "Der Mulikulturalismus ist eine schöne Idee. So wie der Sozialismus. Nur die Umsetzung ist - in beiden Fällen - vollkommen schiefgelaufen." Wer einem türkischen Vater erlaube, seine Tochter aus religiösen Gründen vom Biologieunterricht fernzuhalten, denke nur an den Vater, aber nicht an die Tochter.

",Rechts und ,links ist genauso kalter Kaffee wie ein ideologischer Feminismus, nach dem alle Frauen arme Opfer und alle Männer böse Vergewaltiger sind", findet auch Vera Bohle. Trotzdem gebe es durchaus Defizite im Bereich der Gleichstellung. So könne es nicht sein, daß nicht nur Polen, sondern auch Frauen die Löhne verderben würden, so Thea Dorn. "Die Medizin ist ein schönes Beispiel: Früher war der Arztberuf fast ein reiner Männerberuf. Er war hoch angesehen und entsprechend seiner Verantwortung, Kompetenz und Belastung auch sehr gut bezahlt", gibt die 40jährige forensische Psychiaterin Nahlah Saimeh zu bedenken.

Außerdem wären die potentiellen Ehemänner und Väter der Gegenwart auch ein Problem, so die Herausgeberin. Während früher der Mann mit 40 einen Baum gepflanzt, ein Haus gebaut und einen Sohn gezeugt habe, so säße er heute mit 40 Jahren noch im Baumhaus. Entsprechende Gebäraufrufe à la Frank Schirrmacher an die Frauen zur Verhinderung der demographischen Katastrophe wären also falsch adressiert. Abgesehen davon sieht zumindest die kinderlose Thea Dorn - fast alle anderen der befragten Frauen sind Mütter - kein Problem darin, ohne Nachwuchs zu bleiben. Ob dies der Sache der Frau dient, bleibt fraglich, denn ohne Kinder gibt es in der Zukunft auch keine Frauen mehr.

Foto: Für das Leben lernen: In der ARD-Serie "Bräuteschule 1958" werden junge Mädchen von heute mit den Methoden der 50er Jahre zu perfekten Hausfrauen und M
 
     
     
 
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