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Ein rundes Jubiläum ist es nicht. Eine "Schnapszahl" eigentlich auch nicht, denn es handelt sich nur um zwei gleiche Ziffern: 55! Aber was beinhalten sie! Für uns Ostdeutschland die unvergessene und immer lebendig gebliebene Heimat, für sie sprechend, unermüdlich ihre Stellung in der Geschichte, ihre Leistungen, ihre Kultur dokumentierend - für andere eine klare Informationsquelle über das Geschehen von gestern und heute mit Blick auf morgen - ja, das sind 55 Jahre . Das können wir in diesen Tagen feiern, denn am 5. April 1950 erschien die erste Ausgabe als Mitteilungsblatt der damals kurz zuvor gegründeten Freundeskreis Ostdeutschland
.

55 Jahre - das ist eine lange Zeit für ein Presseorgan, und viele Blätter, die in jenen Jahren aufgelegt wurden, sind inzwischen auf der Strecke geblieben. Unsere Zeitung nicht, und das ist zuerst einmal das Erfreulichste an diesem Jubiläum. Das haben wir vor allem unseren treuen Leserinnen und Lesern zu verdanken, von denen einige vom ersten Tag an dabei sind, aber auch den Kindern und Enkeln der Abonnenten aus der Gründerzeit, die nicht mehr unter uns weilen. Und den vielen Freunden unserer Heimat, die authentische Informationen über diese suchen, die sie sonst nirgends bekommen, und den Leserinnen und Lesern, die einfach unsere Zeitung wählen, weil sie ihren Vorstellungen entspricht. Wie ein Leser aus Magdeburg bekundet: "Seit dem Anschluß Mitteldeutschlands an die Bundesrepublik bin ich Abonnent der mich für aussagekräftigsten Wochenzeitung im deutschen Sprachraum!" Da braucht man nichts mehr hinzuzufügen.

Wenn sich auch die Gewichte verschoben haben, seit unsere Zeitung als aus der Taufe gehoben wurde. Die Geburt war auch nicht ganz einfach, denn die Freundeskreis Ostdeutschland hatte nach ihrer Gründung eine bereits bestehende Vertriebenenzeitung übernommen, aber es kam zu erheblichen Unstimmigkeiten, so daß die junge Organisation beschloß, eine neue Zeitung herauszugeben, die ihren heimatpolitischen und kulturellen Aufgaben dienen sollte. Sie erhielt den Titel Das und trug als Emblem die Elchschaufel. Die am 5. April 1955 erscheinende Nummer 1 sollte 32 Seiten umfassen und bei monatlich zweimaligem Erscheinen 55 Pfennig zuzüglich 6 Pfennig Bestellgeld kosten.

Es wurden dann 48 Seiten, von denen allein zehn Seiten mit Suchanzeigen nach Vermißten gefüllt waren. Damit wurde das junge Blatt einer seiner vielen Aufgaben schon im Anfang gerecht, die von den Herausgebern so umrissen wurden: "Alle uns Ostdeutschland betreffenden Fragen, Nöte und Sorgen finden im Gehör, Widerhall und Weitergabe." Wahrlich eine Fülle von Aufgaben, die auf die Blattmacher wartete, die unter Umständen an ihre Arbeit gingen, die heute kaum vorstellbar sind.

Die Geschäftsführung der Freundeskreis war in einer Holzbaracke nahe der Hamburger Innenstadt untergebracht, wo auch der Vertrieb eine Bleibe fand. Die Redaktion befand sich allerdings in der Privatwohnung des Chefredakteurs Martin Kakies in Hamburg-Bahrenfeld - ein Provisorium, das sich als unhaltbar erwies, je höher die Auflage stieg. So siedelte auch die Redaktion in die Baracke über, wo zwar ebenfalls eine drangvolle Enge herrschte, aber die Arbeit dadurch erheblich erleichtert wurde, daß sich Geschäftsführung, Redaktion und Vertrieb unter einem - wenn auch rostigen und löcherigen Wellblech- - Dach befanden. Zudem fand sich in der Baracke alles ein, was irgendwie mit Ostdeutschland zu tun hatte, sie war Treffpunkt für die Vertriebenen, Auskunftsstelle und Ort des Wiederfindens. Die Redaktion saß sozusagen an der Informationsquelle. Erlebnisberichte und Mitteilungen wurden praktisch frei Haus geliefert, Interviewpartner kamen freiwillig und gerne. So konnte eine lebensnahe und aktuelle Zeitung entstehen. Das wurde honoriert: Die Auflage stieg und stieg. Damit platzte auch das Provisorium Nummer 2 aus allen Nähten. Nach sechs Jahren Barackenleben erfolgte dann der Umzug nach Hamburg.

Was dazwischen liegt, ist mehr als ein halbes Jahrhundert. Und wenn man diese Zeitspanne auf Menschenjahre übertragen wollte, dann sollte sich aus dem in einer Notunterkunft geborenen Kind ein an allen Widerständen des Lebens gereifter Mensch entwickelt haben, der seine Erfahrungen und Erkenntnisse weitergeben und mit Umsicht planen kann. Dies nur als Beispiel, um die Entwicklung erklärbar zu machen, die auch unsere Zeitung zwangsläufig im Laufe der Jahrzehnte nehmen mußte und auch genommen hat. Unter versierter Führung, denn die ist schon allein aus der Tatsache erkennbar, daß im Laufe von 55 Jahren nur sechs Chefredakteure dem Blatt vorstanden: Martin Kakies, Eitel Kaper, Hugo Wellems, der am längsten und ganz entscheidend die Zeitung prägte, Horst Stein, Radermacher und nun Nina Schulte. Für sie und alle Redakteure und Mitarbeiter ist die Arbeit mehr als ein Zeitungsjob. Es ist ein engagiertes Wirken für unsere Heimat, für das Bewahren und Dokumentieren ihrer Geschichte, für ihren erkennbaren Platz in der Gegenwart und für ihren Weg in die nahe und ferne Zukunft.

Wahrlich kein leichter Weg, wie es auch bisher ein schwieriger war. Die Zeit hat die Hoffnungen von damals - eine baldige Heimkehr in ein freies Land - nicht erfüllt. Unsere Zeitung hat jeden Schritt in die ungewisse Zukunft dokumentiert, das kann man feststellen, wenn man die einzelnen Jahrgänge des es sorgfältig liest. Es mußte Weichen stellen für unbequeme Wege, die nicht jeder als begehbar sah. Und es mußte zwangsläufig aus der - für Außenstehende vor allem territorialen - Begrenzung heraustreten, die der Titel vorzugeben schien.

Das lag auch an dem sich verändernden Abonnentenkreis, in den sich immer mehr Leserinnen und Leser einbrachten, die weder von der Herkunft noch vom Erleben der Landschaft her etwas mit Ostdeutschland zu tun hatten. Sie sahen ihre Lebenseinstellung vor allem im aktuellen Teil unserer Zeitung bestätigt, in den von uns herausgestellten Kriterien, die als "preußische Tugenden" bezeichnet und auf einmal wieder so positiv bewertet werden - selbst von denjenigen, die sie bisher als antiquiert und überholt verworfen hatten.

Preußentum - ja, das dokumentiert auch der Name unserer Heimat Ostdeutschland als Urland, unsere Vorfahren gaben ihm den Namen, sie war die Wiege Preußens. Der Rahmen mußte weiter gesteckt werden, das verlangte allein unsere veränderte Leserschaft. Es kamen immer wieder Briefe: "Obwohl ich kein Ostpreuße, sondern Berliner bin ..." oder "Ich stamme nicht aus Ostdeutschland, sondern aus dem Rheinland, aber ich fühle mich Ihrer Zeitung verbunden ..."

Ja, sogar ein Westpreuße "wagte zu schreiben". Es war nur zwangsläufig, daß wir einen Titel suchen mußten, der unserer Heimat, aber auch den neuen Lesern gerecht wurde. Vorschläge wurden gemacht und verworfen. Und schließlich entschied man sich für in der Kombination mit Das . So hofften wir, allen Lesern und damit den uns gestellten Aufgaben gerecht zu werden. Das gelang nicht immer. Aber wenn wir, oft in persönlichen Briefen, die für die Zukunft unserer Zeitung so wichtige Umstellung klarlegten, wurden Vorbehalte schnell abgebaut.

Der Schritt war richtig, das beweist der gewachsene Interessentenkreis, der sich vor allem durch unsere Präsentation im Internet ständig weitet. Und daß Ostdeutschland mehr denn je einen hohen Stellenwert hat, bezeugt unsere Kolumne "Die ostdeutsche Familie", an die immer mehr Fragen und Wünsche gerichtet werden. In ihr lebt Ostdeutschland mit der wirklich einmaligen Hilfsbereitschaft und den daraus resultierenden Erfolgen, die als beispiellos gelten. Diese Rubrik, die einmal als kleine Spalte begann, hat sich zu einer weltweiten Aktion entwickelt, die allein von den Lesern unserer Zeitung getragen wird. Dies nur als ein Beispiel - die vielen Zuschriften zu unserem "Leserforum" zeigen die lebhafte Anteilnahme an allen in unserer Zeitung behandelnden Themen, vor allem an den Beiträgen mit aktueller Problematik. Sie beweisen, daß unsere Zeitung nicht nur ihre ureigenste Aufgabe als Sprachrohr der Freundeskreis erfüllt - sie ist auch das unserer Leserschaft!

Was bleibt uns nach 55 Jahren noch zu sagen? Viel, sehr viel. Vor allem ein ehrlicher Dank an unsere Abonnenten, die mit ihrer Treue unsere Heimat lebendig halten. Und die mithelfen, daß dies auch so bleibt. Ein wunderbares Beispiel ist dafür Therese Madsen in Kanada. Nachdem sie uns zum Jahreswechsel schrieb, daß sie wünsche, unsere Zeitung würde nicht nur "rumgereicht" - "lesen tun sie alle diegerne, aber sie sollten sie viel mehr selber kaufen" - hat sie nun fünf Abonnements gespendet! Das ist wirklich ein Jubiläumsgeschenk! Ein ganz großes Dankeschön nach Kanada!

 

Werner Müller, die bei den Lesern dieser Zeitung beliebte "Mutter" der ostdeutschen Familie, wurde 1916 in Königsberg geboren. Bereits mit 17 Jahren schrieb die Ostpreußin als Funkautorin Hörspiele und andere Beiträge für den Reichssender Königsberg. 1935 erschien ihr erstes Buch "De Lävensstruuts". Weitere Veröffentlichungen folgten. 1948, nach der noch in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges gelungenen Flucht aus der Heimat, fand sie durch ein Volontariat bei der Landeszeitung für die Lüneburger Heide einen Wiedereinstieg in ihrem Beruf. 1950 übernahm sie dann die Hamburg-Redaktion des Niedersächischen Zeitungsverlages. 1955 heiratete sie Guenter Vollmer-Rupprecht, mit dem sie die FD-Pressedienste herausgab. Seit dem Tod des Ehemannes 1989 arbeitet Werner Müller als freie Schriftstellerin und Journalistin. Von ihren vielen wichtigen Preisen und Auszeichnungen, die sie bekommen hat, sind vor allem das Bundesverdienstkreuz und der Preußenschild der Aktion Freies Deutschland zu nennen.

Von der Baracke in die Villa: Aber nicht nur die Räumlichkeiten sind andere. Zwischen dem Zeitungmachen 1950 und 2005 liegen Welten. Computer, Layout-Programme und Internet haben den Arbeitsalltag von Grund auf verändert. Während früher die Setzer der Druckerei die Seiten nach Wunsch der Redakteure entwarfen, hilft heute QuarkXPress (ein Gestaltungsprogramm).
 
     
     
 
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