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Die ostdeutsche Dichterin Agnes Miegel (1879–1964) ist die bedeutendst deutsche Balladendichterin des 20. Jahrhunderts. Diese Behauptung stammt von de Literaturwissenschaftler Gero von Wilpert und steht in "Deutsche Dichterlexikon
" (Kröner Verlag, Stuttgart, 2. erw. Aufl. 1976, S. 492 ). I einer anderen Quelle wird sie die größte deutsche Balladendichterin seit der Droste Hülshoff genannt. (Lennartz, Franz. Deutsche Schriftsteller des 20. Jahrhunderts in Spiegel der Kritik. Bd. 2. Kröner, 1984, S. 2213)

Als ich diese Behauptungen las, war ich darüber sehr erstaunt. Denn der Name diese bedeutenden Dichterin wird in den meisten Büchern über die Literaturgeschichte entwede nicht erwähnt oder nur nebenbei angeführt mit anderen Schriftstellern. Auf den Namen vo Agnes Miegel bin ich während meiner Forschung über die Traumdichtung gestoßen. Die Interpretation ihrer Balladen und Erzählungen hat gezeigt, daß ich es mit eine außergewöhnlichen Dichterin mit seherischer Gabe zu tun hatte.

Nun aber fragte ich mich als türkischer Germanist und als jemand, der in Deutschlan aufgewachsen ist und dem Deutschtum gegenüber eine starke Zuneigung hegt, weshalb ein Dichterin, die in ihren Werken das Bild des ostdeutschen Menschen gezeichnet hat un deswegen von ihren Landsleuten als Mutter Ostdeutschland verehrt wird, in Deutschland nich dementsprechend  gewürdigt wird. Da solche Situationen auch in meiner Heima kein seltener Fall und immer mit politischen Hintergründen zu erklären sind, wollte ic der Sache auf den Grund gehen.

Meine Vermutungen waren richtig. Agnes Miegel bekannte sich immer wieder zu Christentum, sie war eine durchaus fromme Dichterin. Das war einer der wichtigste Gründe, warum sie von der zum größten Teil linksorientierten Literaturkritik ignorier wird. Außerdem ist ihr Gesamtwerk vor allem eine Huldigung an Ostdeutschland. Persönlich Erlebnisse, Sagen und Legenden Ostdeutschlands bilden den Hintergrund ihres Werkes. Ihr Ruh ruht im wesentlichen auf ihrer Lyrik. Als unauffälliges Mädchen aus bürgerlichem Haus begann sie mit 18 Jahren Balladen zu dichten, die schlechthin genial waren. Miegel, die von rätselhaften Visionen heimgesucht wurde, hatte ihre inneren Erlebnisse immer wiede zu Dichtungen verarbeitet. Sie schrieb ihre Gesichte auf. Anni Piorreck, die ei ausführliches Lebensbild der Dichterin verfaßte (Agnes Miegel: Ihr Leben und ihr Dichtung. Diederichs, München, 1990), berichtet, daß sie vor dem Ersten Weltkrieg groß Traumvisionen hatte. Sie beziehen sich eindeutig auf ihre Heimat Ostdeutschland. So sah si Königsberg ohne Kirchen, tatsächlich wurden später im Zweiten Weltkrieg Kirche zerstört. Ihre klare und manchmal verschlüsselte Prophetie über den Untergan Ostdeutschlands erwies sich tatsächlich als Wirklichkeit.

Am 27. Februar 1945 mußte Agnes Miegel ihr so furchtbar zerstörtes liebes Königsber verlassen, um auf einem Flüchtlingsschiff das rettende Ufer des Westens zu erreichen. Die 65jährige trug nur einen Rucksack auf dem Rücken und hielt einen kleinen Handkoffer in der Hand. Durch dieses Bild wurde sie zur Symbolgestalt des ostdeutschen Schicksals Das Ereignis der Flucht war das starke Band, das sie mit ihren Landsleuten verknüpfte Diese traurige Situation gab Anlaß zu neuen Versen, die bald zur Stimme Ostdeutschland wurden. Sie sprachen das aus, was die vertriebenen Deutschen empfanden. So gingen sie vo Hand zu Hand.

Diese Verse, die erfüllt waren von Heimatliebe, zeigten ihre nationale Haltung. Da ist der eigentliche Grund, warum die Dichterin von der deutschen (!) Literaturkriti ignoriert wird. Die Ursache liegt also in ihrer deutschnationalen Gesinnung. Es kling zwar paradox, aber ähnliche Situationen sind auch in meiner Heimat zu beobachten. Agne Miegel war eine stolze Deutsche, Ostpreußin und eine überzeugte Christin. "Mein Volkszugehörigkeit und mein Glaube sind mir mitgegeben als die beiden großen Aufgabe meines Lebens ...", sagte sie einmal. (Bekenntnis. In: Dichterglaube: Stimme religiösen Erlebens. Hrsg. v. Harald Braun. Eckart, Berlin 1931. S. 201).

Agnes Miegel wurde noch zu Lebzeiten zum Symbol des verlorenen Landes Ostdeutschland Durch ihre Dichtung hat sie das Land Ostdeutschland zu einem Begriff gemacht, auch fü solche Menschen wie mich, die nicht von dort stammen. Anni Piorreck berichtet, daß auc Menschen, deren einziger Zugang zur Dichtung sich auf sonntägliche Kirchenlieder in Gottesdienst beschränkte, ihre Verse aus der Zeitung ausschnitten, sie in ihre Gesangbuch aufbewahrten und sie lasen.

Ein anderer Grund für ihre Diskriminierung war die Berufung Miegels im Mai 1933 als Mitglied in die neugeordnete Preußische Akademie der Künste, Sektion Dichtkunst. Ih Werk wurde von den Nationalsozialisten nicht abgelehnt. 1940 trat Agnes Miegel in die NSDAP ein. Die Folgen des Hitler-Regimes waren jedoch auch für sie eine groß Überraschung. Vielleicht sah sie Hitler auch als den einzigen Retter vor de bolschewistischen Bedrohung. Ihre Freundin Anni Piorreck, die Zugang hatte zu unveröffentlichten Tagebüchern, Notizen und Briefen, schreibt, daß sie aus volle Herzen – vertrauensvoll und bedingungslos, wie es ihre Art war – an den Führe glaubte. Aber trotz ihrer Parteizugehörigkeit ist sie niemals antisemitisch eingestell gewesen, sie hat immer Freundschaften mit jüdischen Familien gepflegt. In Ostpreuße galt es immer, Religion und Überzeugung der anderen zu achten.

Natürlich hat die Parteipropaganda die Dichterin für ihre Zwecke benutzt, wie auc andere Dichter und Künstler. Daß sie von der Literaturkritik heute ignoriert wird hängt mit einigen Gedichten zusammen, die ihr Bekenntnis zum Nationalsozialismus zeigen Die Reichsschrifttumskammer hatte 1938 angeordnet, daß jeder Schriftsteller ei Huldigungsgedicht an den Führer schreiben sollte, so schrieb auch Miegel wie viele ander ein solches Poem. Auch eine Erzählung, "Das Erlebnis des Feldwebels Schmidtke" (1938), hatte eine Verbindung mit der nationalsozialistischen Ideologie. Insgesamt ware es sechs Gedichte und diese eine Erzählung, in denen man die Einflüsse de Hitler-Ideologie beobachten konnte.

Nach 1945 beschäftigten sich Zeitungen in den USA, in Südafrika und in Brasilien mi ihrem Werk. Vor allem gingen ihre Verse mit den Kriegsgefangenen bis nach Sibirien. Si konnte auch in diesen schweren Zeiten Trost spenden. Sogar Dissertationen wurden über si geschrieben. Nach dem Krieg aber begann in Deutschland eine Periode des Verschweigens, die für mich Verrat an der Sache der Vertriebenen bedeutet.

Die Ausgabe der Gesammelten Werke wurde von der deutschen (!) gegenwärtige Literaturkritik wenig beachtet. Die Literaturblätter der großen Zeitungen erwähnten si überhaupt nicht. Jetzt hieß es nur verschweigen, so wie es die antinational Literaturkritik auch bei uns in der Türkei mit den nationalistischen Dichtern macht Daran sind wir gewöhnt. Wer nicht Verfechter der linken Ideologie ist, wer es sogar wagt sich für nationale Belange einzusetzen, der hat keine Chance, es in der Literaturszen weit zu bringen. Seine Werke werden nicht beachtet. Aber dieses Verschweigen bedeute auch: Ostdeutschland, Königsberg oder die Millionen von Vertriebenen – alles das wolle wir auch lieber vergessen ...

 
     
     
 
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