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Zunächst glaubten Millionen, wenn man erst mal die Deutschen in der Weltpolitik ausgeschaltet hätte, dann breche der ewige Frieden aus. Deutschland wurde als Machtfaktor eliminiert, doch der Weltfriede ließ auf sich warten. Dann war - wenn auch reichlich spät - als Friedensstörer die Sowjetunion ausgemacht. Als sie zusammenbrach, schöpften die Bannerträge
r des westlichen Liberalismus Hoffnung. Nun konnte es keine großen Krisen mehr geben. Es war sogar vom „Ende der Geschichte“ die Rede, da der Liberalismus mit parlamentarischer Demokratie und freiem Welthandel den Erdball zu erobern anhub.

Solche Hirngespinste hatten ihre politischen Auswirkungen. Nach 1990 sah man in den scheinbar überflüssig gewordenen Vorkehrungen für den zivilen Bevölkerungsschutz willkommene Möglichkeiten, das sowieso knapp gewordene Geld einzusparen. Man kürzte kräftig. Stellte der Bund noch 1990 in seinem Haushalt 940 Millionen Mark für den Katastrophenschutz zur Verfügung, ist dieser Betrag heute auf 325 Millionen DM zusammengeschmolzen. Das bun-desweit intakte System von 60.000 Alarmsirenen wurde fast ganz abgeschafft. Während des Kalten Krieges eingerichtete, häufig sogar atombombensichere Luftschutzbunker für Bundes- und Landesregierungen, nicht nur mit allen technischen Vorkehrungen ausgestattet, sondern auch mit Lebensmittelvorräten usw. wurden nicht nur dichtgemacht, sondern die Einrichtungen verteilte man in der ganzen Welt, beispielsweise in Entwick-lungsländer. Heute ist kaum noch ein Bunker einsatzfähig.

Der Staat gibt für seine Bürger pro Person im Jahr gerade mal fünf DM für die Katastrophenhilfe aus. Und das ist offensichtlich zu wenig. Jetzt wird Inventur gemacht. Die Feuerwehren stellen fest, daß große Teile ihrer Fahrzeuge samt Ausstattung aus den 70er und 80er Jahren stammen und völlig veraltet sind. Sie wären auch zuständig bei Angriffen mit chemischen oder bakteriologischen Waffen. Mit ihren Spezialfahrzeugen müßte die Feuerwehr die Kampfstoffe iden- tifizieren, doch, so der Amtsleiter eines Katastrophenschutzes, sind die Reagenz-Pulver, die dann benutzt werden müßten, bei ihren Fahrzeugen nicht mehr zu gebrauchen. Auch bei Schutzanzügen, so der Feuerwehrfachmann, sind erhebliche Zweifel angebracht. Die Dienste, die im Ka- tastrophenfall eingesetzt werden, sind sich einig: Kommt es irgendwo in Deutschland dazu, daß Terroristen biologische oder chemische Waffen einsetzen, dann wäre unser Katastrophenschutz überfordert. (Dabei hätten wir durchaus Ursache, auf Milzbranderreger ein besonderes Auge zu haben. War es doch der spätere Karlspreisträger Winston Churchill, der diese Spezialität gegen Deutsche einsetzen wollte. Erst als er von seinen Beratern auf ein mögliches deutsches Echo angesprochen wurde, ließ der smarte Preisträger von diesem Befehl ab.)

Schon längst machen die Fachleute auf die Mängel aufmerksam. So veröffentlichte die Zeitschrift „loyal - das deutsche wehrmagazin“ bereits im Mai dieses Jahres einen grundlegenden alarmierenden Artikel aus der Feder von Oberst d. R. Dr. Horst Schöttler, Sachverständiger für Bevölkerungsschutz und Ka-tastrophenhilfe, in dem er daran erinnert, daß in den letzten Jahren immer wieder Versuche von radikalen Gruppen bekannt wurden, die mit Giftgas oder mit biologischen Waffen angriffen. 1995 verübte die Aum-Shinrikyo-Sekte in Tokio einen Giftgas-Anschlag auf die U-Bahn, indem sie den Kampfstoff Sarin einsetzte. Zwölf Menschen starben, 5.500 wurden verletzt. Sensationell die Mitteilung des Autors Schöttler, daß in den 80er Jahren in Deutschland ein Heimlabor der linksextremen Bader-Meinhoff-Bande RAF zur Kultivierung von Botulinus-Toxin entdeckt wurde, einem biologischen Kampfstoff, der 100.000 mal giftiger als Sarin ist. Biologische und chemische Kampfstoffe herzustellen dürfte für Extremisten relativ problemlos sein. Eine Vizedirektorin der amerikanischen Abrüstungsbehörde hat errechnet, daß zur Herstellung von Bio-Kampfstoffen Geräte im Werte von nicht mehr als 15.000 US-Dollar erforderlich sind.

Während in den USA umfangreiche und aufwendige Vorsorgemaßnahmen für den Fall terroristischer Aktivitäten mit Kampf- stoffen getroffen werden, ist das Thema hier mit einem Tabu belegt. Für Notfallsituationen dieser Art gibt es bei uns keine ausreichende Vorsorge. Und das, obwohl der ewige Friede offensichtlich noch etwas auf sich warten läßt. H.-J. v. Berger

 
     
     
 
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