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Aus Chancengleichheit wird diversity

 
     
 
In der deutschen Arbeitswelt hat sich vieles verändert. Nicht allein durch den Verlust von Arbeitsplätzen, selbstverständlich auch technisch, organisatorisch und sogar gesellschaftspolitisch. Eines bedingt das andere. Eine fast lautlose, nahezu unbeachtete Entwicklung, die sich auf besondere Weise bei der Organisation von Frauenarbeit zeigt.

Auf diesem Sektor begann vor einem halben Jahrhundert der gewerkschaftlich vorgetragene Kampf "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" für Männer wie Frauen. Die Erfolge sind unübersehbar, auch wenn der Einsatz für Gleichbewertung, insbesondere in den oberen Etagen, keineswegs überall beendet ist.

Der Aufbau frauengerechterer Einrichtungen nahm zügig zu. Von der Fortbildung bis zum Mutterschaftsurlaub. Der Kampf um Kindergartenplätze hält noch an, betrifft aber inzwischen Mütter wie Väter, was unter Familienpolitik rangiert.

Erhebliches Aufsehen erregte dabei der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg
, als er 1979 als erste deutsche Regierungsinstanz eine "Leitstelle zur Verwirklichung der Gleichheit von Mann und Frau" einrichtete und deren Leitung Eva Rühmkorf, der Ehefrau des Schriftstellers Peter Rühmkorf, übertrug.

In der Industrie wiederum ist es "IBM Deutschland" gewesen, das auch in Sachen Frauenarbeit eine Vorreiterrolle übernahm, als Hildegard Fleck 1982 als erste Frauenbeauftragte eingesetzt wurde.

Die für Frauen Beauftragten sollten dafür Sorge tragen, daß Frauen in ihrem Einzugsbereich nicht zu kurz kamen, daß sich ihr Anteil in der Organisation möglichst erhöhte, daß mindestens die frauenfördernden gesetzlichen Bestimmungen beachtet wurden und vieles mehr. Das erwies sich trotz bleibender Bedenken durchaus als nützlich, und viele Unternehmen nahmen die Neu-Installation auch zunehmend als Image-Pflege wahr.

Mittlerweile ist viel Zeit darüber hinweggegangen. Ein hoher Anteil der Frauenförderungsaufgaben wurde erfüllt.

Das Scheinwerferlicht auf die allgemeine Frauenförderung erlosch. Die Positionen blieben erhalten. Manche wurden umbenannt wie zum Beispiel beim Hamburger Senat, der 1991 aus seiner Leitstelle auf der Basis des Hamburger Gleichstellungsgesetzes, denn dabei handelt es sich wieder einmal um Ländersache, das Senatsamt für die Gleichstellung machte. Frauenpolitik blieb, wie die Praxis immer wieder zeigt, auch nach wie vor unverzichtbar. Das öffentliche Interesse daran erlahmte allerdings zusehends. Denn weit und breit trat ein, was so viele nicht hatten glauben wollen: Die Frauen standen ihren Mann.

Was aber wurde aus den Institutionen, die zu ihrer Förderung gegründet worden waren? Die Zeit der knappen Kassen meldete sich an und gewann zunehmend an Gewicht. In Hamburg löste man am 1. Dezember 2003 im Zuge der Sparmaßnahmen das Amt für Gleichstellung auf. Die Verantwortung für das Gleichstellungsgesetz trägt jetzt das Personalamt. Sollte das vorübergehend nur viel Lärm um nichts gewesen sein?

Alle Beteiligten antworten darauf laut mit Nein. In Hamburg setzen zwei Referate bei der Behörde für Soziales und Familie die Frauenarbeit fort. Für Gleichstellung das eine und für Familienpolitik das andere. Dabei hat sich vor allem der Dialog mit der Wirtschaft und deren Erfolgsmethoden-Beispielen bewährt, zu denen die Behörde vorwiegend mittlere Hamburger Firmen einlädt, um mit ihnen Probleme von Frauen am Arbeitsplatz zu diskutieren. Ähnlich der Hamburger Handelskammer, die ihrerseits die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern will.

In den großen Industrieunternehmen blieb die institutionalsierte Frauenförderung dagegen zunächst trotz der auch dort praktizierten Sparmaßnahmen bis heute erhalten. Bei der "Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände" kann man jedoch erfahren: "Es gibt immer noch Unternehmen, die auf die Gleichstellungs-Karte setzen. Die Mehrzahl orientiert sich jedoch inzwischen nach dem Trend Vereinbarkeit von Beruf und Familie."

Hat sich doch in den letzten Jahren eine neue Welle familienpolitischer Aktivitäten ergeben, bei denen gerade die Frau im Beruf eine besondere Rolle spielt. Sie kommen nicht nur aus dem Bundesfamilienministerium, sondern auch von der "Bertelsmann AG" oder der "Hertie Stiftung". Die "Frankfurter Stiftung", die für sich und auf Initiative von Prof. Dr. Artur Wollert die World-Life-Balance-Zielsetzung, die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben, zugrunde legt, hat in ihrem "Familien-Audit", das Wirtschaftsbetriebe nach ihrer familienfreundlichen Organisation bewertet, seit Beginn des neuen Jahrtausends Hunderte von Betrieben erfaßt.

Ungeachtet dessen bildet die klassische Frauenförderung auch parallel zu dieser Entwicklung gelegentlich im selben Haus ihre eigene Rolle. Denn die Bürokratie des Fortschritts ist nicht so schnell in den Griff zu bekommen, und Unternehmen, die nach Hunderttausenden zählen, haben ihre eigenen Gesetze. So zum Beispiel die "Volkswagen AG" mit mehr als 100000 Mitarbeitern.

Dort hält es Elisabeth Vogelheim als dritte leitende Frauenbeauftragte seit Gründung der Einrichtung für eine Verkürzung der Aufgabe, wenn man von Familienpolitik redet und damit Chancengleichheit einbezieht. Sie setzt nicht zuletzt auf die Mentoring-Programme ihres Hauses, die weibliche Fach- und Führungskräfte an neuen Arbeitsplätzen unterstützen, womit VW viel Aufmerksamkeit errang. Vor dem Hintergrund eines 13prozentigen Frauenanteils an der Belegschaft und acht Prozent an deren Führungskräften im größten Autowerk Deutschlands betont sie: "Frauen sind noch nicht so gleichberechtigt als daß sie nicht extra berücksichtigt werden müßten." Deshalb bilden die Frauen in Führungspositionen auch heute noch einen besonderen Schwerpunkt des VW-Frauenförderungs-Programms. Auch der Frauenanteil in der Produktion gehört dazu und natürlich die Arbeitszeitfrage. Voraussetzung aller Maßnahmen bleibt ohne Abstriche auch für die Frauenbeauftragte die Leistung im Interesse des Unternehmens.

Das gilt nicht anders bei der "IBM Deutschland". Dort wird Frauenförderung jedoch inzwischen in den Bereich "Diversity", Förderung nach individueller Begabung, eingegliedert und darauf verwiesen, daß auch dieses Haus schon seit vielen Jahren spezielle Programme für Frauen und Familie auflegt. 25 Prozent der 22000 IBMler und 13 Prozent der Führungskräfte sind Frauen. Auch für sie gibt es Mentoren, an jedem Standort Frauen-Netzwerke und obendrein ein "Women s Leadership Council", das die Geschäftsleitung berät, sowie nach wie vor manche andere Frauen fördernde Aktivität. Sechs "Diversity Aspekte" gelten als entscheidende Orientierungspunkte: Chancengleichheit, Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben durch World-Life-Balance-Programme, Behinderten-Integration, Akzeptanz kultureller Unterschiede ebenso wie sexueller Verschiedenartigkeit und der Generationenmix durch "Multigenerational Workforce", eine der IBM-Muttergesellschaft entsprechende US-Magna-Charta der Toleranz.

Seit einiger Zeit aber wird auch der, wie es bei IBM hausintern heißt, seit Jahren geläufige Begriff der Diversity einem neuen Aspekt zugeordnet, den man zu deutsch als "Nachhaltigkeit" bezeichnet. Der "Bundesverband der Deutschen Industrie" (BDI) hat dafür ein Netzwerk aus 23 global agierenden großen, deutschen Unternehmen ins Leben gerufen, das als "econsense" firmiert und "Wirtschaften unter Einbeziehung der Ansprüche von Umwelt und Gesellschaft" fördern will. Dazu gehören ganz vorn Chancengleichheit und Förderung nach individueller Begabung.

Generell und bundesweit mehr als ein Netzwerk aktueller Orientierungen. Positive Ein- und Ansätze, die sich allerdings mit dem Nebel der Begriffe, Organisationen und natürlich auch der Überschneidungen nicht selten selbst im Wege stehen.

Foto: "Gleich ist nicht gleich gleich": Frauenbeauftragte machen immer wieder auf ihr Anliegen aufmerksam.
 
     
     
 
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