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Bundesverfassungsgericht: Prämien für Systemtreue

 
     
 
Als das Bundesverfassungsgericht Ende April die Rentenkürzungen für ehemalig Angehörige der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR in einigen Punkten fü verfassungswidrig erklärte, hätten die Reaktionen unterschiedlicher nicht sein können Die einen sprachen von Verhöhnung der Opfer, von Rentengeschenken für die Stützen de Diktatur. Andere gaben zu bedenken, die Urteile trügen zum "Zusammenwachsen" der Republik bei, versprachen sich eine "befriedende Wirkung". Die PD schließlich begrüßte die Urteile. Die "demokratischen Sozialist
en", die e geschickt verstehen, sich zu Opfern zu stilisieren, sich als Hüter der Verfassun darzustellen, hatten das geltende Rentenrecht als Diskriminierung bezeichnet. Sie redete nun von überfälliger "Anerkennung von Lebensleistungen".

Angesichts dieser unverschämten Sophisterei ist die Verbitterung derjenigen, die unte der sozialistischen Diktatur gelitten haben, verständlich. Tatsächlich erweist sich da Grundgesetz erneut als Segen für die, die es früher scharf bekämpft haben. Gewiss DDR-Eliten kommen in die finanzielle Obhut eines wirtschaftlichen Systems, das sie nich politisch akzeptiert haben.

Die alte Regierung war mit den Rentenkürzungen ein verfassungsrechtliches Risik eingegangen. Doch wurden die DDR-Nomenklaturkader keineswegs der Verelendung preisgegeben Im Einigungsvertrag ist 1990 vereinbart worden, daß bei der Überleitung der 6 DDR-Zusatz- und vier Sonderversorgungen "ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffe und überhöhte Leistungen abzubauen" seien. Dieser Grundsatz de Rentenüberführung, und das ist das Entscheidende an den jüngsten Urteilen, is verfassungsgemäß. Der Erste Senat hat auch die Prämisse des Gesetzgebers nich beanstandet, die Sonderversorgung der Beitragsbemessungsgrenze zu unterwerfen.

Kritisiert haben die Karlsruher Richter aber weitere pauschale Kürzungen. Die Kläger ehemalige Bürger der DDR, die für ihre Alterssicherung eine Sonderversorgung von neunzi Prozent des letzten Nettolohnes erhielten, sahen sich in ihrem Eigentumsrecht verletzt un rügten einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Mit den Rentenkürzungen sowie de festgelegten Höchstgrenze von 2700 DM betreibe der Gesetzgeber Vergangenheitsbewältigun mittels des wertneutralen Sozialversicherungsrechts. Der Erste Senat folgte diese Auffassung teilweise. Die Ansprüche der Sonderversorgten genießen den Schutz de Eigentumsgarantie. Hohe Arbeitsentgelte seien nicht notwendig überhöhte Entgelte. Da geltende Berechnungssystem sei unvereinbar mit dem Gleichheitsanspruch, da es die Sonderversorgten gegenüber den "normalen" Rentnern aus dem Osten benachteilige Die Vorgabe des Gesetzgebers, es handele sich schließlich um Repräsentanten eine Unrechtssystems sei verständlich, aber nicht sachlich.

Was heißt sachlich? Der Erste Senat selbst hat das Anliegen des Gesetzgebers politisch motivierte Arbeitsentgelte nicht in die Rente einfließen zu lassen ausdrücklich gebilligt. Die Entscheidungen, die in Karlsruhe zu treffen waren, setzte also ein Abwägen voraus: Inwieweit war das Leistungssystem der DDR intakt? Wann wa "Leistung" bloß politische Treue? Stand jede "Sonderleistung" in direkten Dienst der Diktatur?

Zwei Millionen Menschen sind betroffen. Ein Problem mancher Bewertung liegt darin, da zu schnell von "den" DDR-Eliten gesprochen wird. Zu den Begünstigten de Rentenversorgung zählten aber sehr unterschiedliche Personengruppen: wissenschaftlich Intelligenz, Mediziner, Kindergärtnerinnen, Künstler …, aber eben auc Angestellte des Staatsapparates sowie Angehörige der Staatssicherheit. …

Die Urteile haben politische Folgen. Und dennoch ging es den Richtern vor allem u Neutralität. Sie wollten den Vorwurf eines politischen "Rentenstrafrechts" au der Welt schaffen. Karlsruhe gab deshalb ein ungerecht wirkendes und teures nichtsdestotrotz souveränes Exempel der Überlegenheit des Rechtsstaates.

Das Grundgesetz schützt auch seine Feinde. Die PDS hat bereits angekündigt, die Möglichkeiten des Rechtsstaates noch intensiver zu nutzen. Von eine "BRD-Unrechtsstaat" und "Siegerjustiz" kann zwar nun keine Rede meh sein, und vielleicht wird das Vertrauen in die Verfassungsorgane unter den ehemalige DDR-Eliten tatsächlich wachsen.

Aber der Preis ist hoch. Die BVG-Urteile bedeuten eine nachträgliche Rehabilitierun der DDR. Erst als die Karlsruher Richter Gerechtigkeit für Täter forderten, war Bon schnell bereit, diese Gerechtigkeit auch den Opfern des Kommunismus zu gewähren. Dere Lebensleistung muß endlich anerkannt werden. Immerhin haben gerade sie dazu beigetragen daß die alten DDR-Eliten nun eine Rente in harter Währung und nicht in wertlose DDR-Mark erhalten. Die Opfer aber kämpfen meist erfolglos um höher Versorgungsansprüche. Die Gelegenheit, sie zu erwerben, hatte ihnen die sozialistisch Diktatur genommen.

Politische Häftlinge, die nur die halbierte Haftentschädigung für die grauenhafte Jahre in den Arbeitslagern erhalten, die Opfer politischer Repression in der DDR, die weder die Ellenbogenmentalität noch eine einflußreiche Lobby besitzen, um ihr Interessen juristisch durchzusetzen, gebührt jetzt die Aufmerksamkeit. Die berechtigte Versorgungsansprüche dieser Menschen müssen wirksam von der Politik vertreten werden Erst dann ist das Rentenrecht wirklich gerecht – und neutral
 
     
     
 
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