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Das einfache Leben gesucht

 
     
 
Die Farbenpracht ist unvergleichlich, wenn der Osthimmel das Feuerwerk des westlichen widerspiegelt. Diese Farbenpracht ist unbeschreiblich. Zarteste Pastellfarben in Blau und Rosa, und der federnde Boden ist geschmückt mit den feinen Wellenlinien, die der Wind hineinzeichnet ...“ Der dies schrieb, war beleibe kein Maler, keiner, der mit Pinsel und Farben umzugehen wußte, wenn auch ein Meister der Feder, des Wortes - der Schriftsteller Thomas Mann
(1875-1955). Er hatte für sich und seine Familie 1930 ein Ferienhaus auf der Kurischen Nehrung gebaut, in dem er bis 1932 die Sommermonate verbrachte.

Angezogen von dem eigenartigen Reiz der Landschaft, von der schon Wilhelm von Humboldt (1767-1835) sagte, man müsse sie ebensogut gesehen haben wie Spanien oder Italien, fühlten sich auch andere Dichter, etwa Ernst Wiechert (1887-1950), der schrieb, die Dünen auf der Nehrung trügen „auf eine ergreifende Weise die Züge der Ewigkeit“. Vor allem aber die Maler waren es, die Nidden, das kleine Fischerdorf, und die Kurische Nehrung für sich eroberten: Corinth, Schmidt-Rottluff, Pechstein vor allem, Mollenhauer und viele, viele andere. Sie suchten wie auch andere Künstler an anderen Orten Ruhepole abseits der Zentren, wollten in der freien Natur arbeiten. „Die einfache, mit der Natur verbundene Lebensweise der Menschen lieferte die Motive für ihre künstlerische Aussage“, ist in dem Katalog (600 Seiten, zahlr. farbige und sw Abb., 25 E im Museum, 32,75 E im Buchhandel) zu lesen, der anläßlich der großen Ausstellung über Künstlerkolonien in Europa erschienen ist (noch bis zum 17. Februar im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr, mittwochs 10 bis 21 Uhr - 18 bis 21 Uhr freier Eintritt, sonst 4 E/ 3 E).

Wenn auch das Blättern in einem Katalog einen Gang durch eine Ausstellung kaum ersetzen kann, so ist dieses Exemplar gerade für eine intensive Beschäftigung mit dem Thema Künstlerkolonien und ihren Folgen für die Kunst wichtig. Mehr als 600 Werke und Dokumente zeigen die Vielfalt und die hohe Qualität der Arbeit, die in den Künstlerkolonien von Rußland bis England, von Skandinavien bis Ungarn geleistet wurde. Beiträge von fundierten Kennern der Kunstgeschichte informieren über Fakten und Hintergründe, die zur Gründung der Kolonien führten. Biographien wichtiger Künstler sowie eine ausführliche Literaturliste runden das Bild ab. Immer wieder aber sind es die Werke selbst, die diese Vielfalt deutlich werden lassen. Geordnet nach Themenkreisen wie „Leben auf dem Land“, „Leben an der See“, „Himmel und Meer“ oder „Wald und Bäume“ und „Religion, Märchen, Mythen“ sind oft genug paralelle Entwicklungen in den Künstlerkolonien zu entdecken.

Nicht nur Malerei und Dichtkunst, auch Musik spielte in den Künstlerkolonien eine Rolle. Berühmte Komponisten wie die Norweger Jean Sibelius und Edvard Grieg fanden dort ihre Anregungen. Und so mag eine Matinee im Aufseß-Saal des Mu- seums besonderes Interesse finden: Musik aus Künstlerkolonien (3. Februar, 11 Uhr). - Ein würdiger Ausklang einer sehenswerten Ausstellung des Museums im 150. Jahr seines Bestehens. Peter van Lohuizen

Hermann Wirth: Malerecke im Hotel Hermann Blode in Nidden (Aquarell, 1944; im Besitz des Museums Ostdeutsche Galerie Regensburg)

 
     
     
 
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