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Der Fall Pinochet

 
     
 
Bei der Präsidentschaftswahl 1970 in Chile erhielt der Marxist Allende 36 Prozent der Stimmen. Auf den Vorsitzenden der Nationalpartei Alessandri entfielen 35, auf den Christdemokraten Tomic 25 Prozent. Da keiner die absolute Mehrheit erhalten hatte, entschied verfassungsgemäß das Parlament. Dabei votierten die Christdemokraten für Allende, der nach Amtsantritt begann, das Land mit seiner "Unidad Popular" in den Sozialismus zu führen, einer Partei, die später ihren Sitz bezeichnenderweise nach Ost-Berlin
verlegte.

Die Wahl Allendes stellte für den sowjetischen Kommunismus einen Glücksfall dar, der damit die Chance erhielt, in Südamerika mit allen sich hieraus ergebenden geopolitischen Folgen Fuß zu fassen. Fidel Castro schleuste gezielt Guerillas mit Waffen nach Chile, die ihre sozialistische "Bodenreform" in Gang setzten. Bereits Ende 1972 hatte Allende 80 Prozent der Industrie verstaatlicht. Kubanische "Berater" nahmen das Bankwesen in den Griff. Allende druckte massenhaft Papiergeld. Die Inflation lag 1973 bei 320 Prozent, doch es gab nichts mehr zu kaufen. Auf dem Schwarzmarkt lag die Inflation bei 1000 Prozent.

Die Chilenen waren über die Segnungen des Sozialismus, der in drei Jahren das Land ruiniert hatte, entsetzt. Das Parlament, in dem Allende keine Mehrheit besaß, protestierte gegen den von ihm selbst gewählten Präsidenten. Doch der Marxist begründete sein Handeln mit der "Legitimität der Revolution" und sperrte den oppositionellen Zeitungen die Papierlieferungen – eine Methode, mit der in den vierziger Jahren die nichtsozialistische Presse in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands ausgeschaltet worden war und mit der sich alle deutschen Zeitungen beschäftigen sollten, für die heute noch Allende eine Kultfigur ist.

Immer mehr Chilenen wandten sich von Allende ab. Das Verfassungsgericht stellte mehrfach Verfassungsbruch fest. Gewerkschaften, Arbeiter der Kupferminen, Transportunternehmen und Zehntausende Frauen demonstrierten in Massenkundgebungen gegen Allende und verlangten Brot für ihre hungernden Kinder.

Schließlich faßte am 22. August 1973 das Parlament mit 81 zu 47 Stimmen den Beschluß, daß das Regime Allendes illegal sei, weil es regelmäßig gegen Gesetz und Verfassung verstoßen habe, daß es die Bildung von illegalen Parallelmächten dulde und unterstütze, die "eine gewaltige Gefahr für die Nation darstellen". Wörtlich warf das Parlament Allende vor, daß er von Anfang an auf die "Eroberung der totalen Macht ausgegangen ist in der offenkundigen Absicht, die gesamte Bevölkerung der richterlichen, politischen und wirtschaftlichen Kontrolle durch den Staat zu unterwerfen und auf diesem Weg ein Regime zu errichten, das dem System der repräsentativen Demokratie, wie die Verfassung es vorsieht, diametral entgegengesetzt ist". Schließlich forderte das Parlament die Streitkräfte auf, "die verfassungsmäßige Ordnung des Landes wiederherzustellen".

Pinochet handelte. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Beermann erklärte dazu, "daß das Eingreifen des Militärs von einem ganz überwiegenden Teil der Bevölkerung mit Begeisterung ... oder zumindestens mit großer Befriedigung begrüßt worden ist". Das müsse, so Beermann, "einmal in großer Klarheit gesagt werden".

Über Jahrzehnte führten Moskau und seine Mitläufer eine großan- gelegte Kampagne gegen Chile. Ein weitgespanntes publizistisches Netz, Kongresse, Dichterlesungen, Musikfeste, Filme führten immer wieder zur Mobilisierung gegen Pinochet und zur Verherrlichung Al-lendes. Pinochet hingegen nutzte die wiedererlangte relative wirtschaftliche Stabilität nicht, um konsequent und schnell zur Demokratie zurückzukehren. Dieser Fehler wirkt heute gegen ihn und wirft die Frage auf, welche Bündnisse im Kampf gegen die Totalitarismen dieses Jahrhunderts eingegangen wurden und welche Rechtfertigung sie haben. Das jedoch ist eine Frage, die nicht nur Pinochet betrifft.

 
     
     
 
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