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Der etwas andere Wähler

 
     
 
Das Parteiensystem in Deutschland ist in der Krise. Diese Entwicklung ist nicht neu. Sie zeichnete sich in der alten Bundesrepubli spätestens seit Ende der 70er Jahre ab. Kennzeichnend sind rückläufig Mitgliederzahlen, sinkende Wahlbeteiligung, Parteibuchwirtschaft, Finanzskandale, kurz Parteienverdrossenheit.

Dies ist deshalb bedrohlich für unsere verfassungsmäßige Ordnung, weil die Parteie zwar nicht der Staat sind, aber vom Grundgesetz
doch eine wichtige Aufgabe übertrage bekamen: Sie wirken von Verfassungs wegen an der politischen Willensbildung mit. Dami haben sie zwar einerseits nur eine dienende Funktion, sind aber andererseit verfassungsrechtlich geschützt, wenn und solange sie dieser Aufgabe nachkommen. Dies is der Grund für die staatliche Parteienfinanzierung durch Erstattung der Wahlkampfkosten.

Mit der Wiedervereinigung wurde diese Form des Parteiensystems auch im Osten de verbliebenen Deutschlands eingeführt. Sie traf dabei auf das sozialistische System de Blockparteien der DDR, die natürlich bis 1989 eine völlig andere Aufgabe als die westdeutschen Parteien hatten. Sie alle (Ost-CDU, LDP, NDPD, Bauernpartei) akzeptierte ausdrücklich die führende Rolle der kommunistischen SED, verzichteten auf jed eigenständige Zielsetzung und wirkten im Rahmen der ihnen zugewiesenen Möglichkeiten a Aufbau des Sozialismus à la DDR mit. Für die kommunistischen Machthaber waren die Blockparteien nur deshalb interessant, weil man mit ihrer Hilfe hoffte, die großen Teil der Bevölkerung, die der kommunistischen Ideologie ablehnend gegenüberstanden (Christen Bürgertum, Bauern, kleine NSDAP-Mitglieder) doch noch für den Aufbau der sozialistische DDR einspannen zu können. Für die Bevölkerung selbst boten die Blockparteien die Möglichkeit, dem unmittelbaren Druck der stalinistisch geprägten SED zu entgehen un sich in einer politischen Nische des Systems so einzurichten, daß man überleben konnte ohne persönlich allzu große Zugeständnisse machen zu müssen.

Die Zahl der Menschen, die in der DDR in Parteien organisiert waren, war – gemessen an der jeweiligen Gesamtbevölkerung – ungleich größer als im Weste Deutschlands. Allein die SED als führende Partei wies 1989 rund 2,4 Millionen Mitgliede auf, dazu kamen noch etwa 400 000 Mitglieder der Blockparteien. Viele Menschen, die politisch interessiert waren, traten nach der Wende den früheren Blockparteien bei, u eine Basis für ihre Mitwirkung beim Aufbau freiheitlicher Verhältnisse zu finden. Ander beteiligten sich an der Gründung neuer Parteien, wobei die größte und einflußreichst sicherlich die SPD war, aber auch Bündnis 90, Demokratischer Aufbruch, DSU und ander konnten 1990 bei den Wahlen gewisse Erfolge erzielen.

In den Jahren danach stellte sich allerdings bald heraus, daß die Anhänglichkeit de ehemaligen DDR-Bewohner an "ihre" Parteien nicht stark entwickelt war "Stammwähler", deren Zahl ja auch im Westen immer mehr abnimmt, gab es kaum Man wählt Parteien, weil man deren Repräsentanten vertrauenswürdig findet. Ist die nicht mehr der Fall, orientiert man sich halt um. Die geringe Bindung an Parteien führt auch zu erheblichen Verlusten bei deren Mitgliedern. Am schlimmsten traf es die SED, die sich jetzt PDS nennt und die bei diesem Transformationsprozeß weit über zwei Millione ihrer Mitglieder einbüßte. Aber auch den Blockparteien, die sich mit den westdeutsche Parteien CDU und FDP vereinigten, erging es nicht viel besser. Sie konnten nur eine geringen Prozentsatz ihrer Mitglieder aus DDR-Zeiten in die neue Ära hinüber retten, in der die Freiheit es mit sich brachte, daß man politische Parteien auch verlassen kann ohne Nachteile befürchten zu müssen. Als Ergebnis läßt sich, zehn Jahre nach de Wiedervereinigung, feststellen, daß sich das westdeutsche Parteiensystem – mit als seinen Vor- und Nachteilen – im wesentlichen auch im Osten durchgesetzt hat allerdings mit einigen Besonderheiten, über die noch zu sprechen sein wird.

Am meisten überrascht die Westdeutschen, aber auch viele Menschen in den neue Bundesländern, das Überleben der PDS, die ihren Wähleranteil offenbar sogar noc ausbauen kann. Das provoziert natürlich die Frage, ob die Wähler denn nichts aus de Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus gelernt hätten. Die Antwort darau fällt, wie immer im Leben, vielschichtig aus. Zuerst einmal: Nicht jedem ging es in de DDR schlecht. Wer zu den Stützen des Regimes in Verwaltung, Wirtschaft, Kultur un Militär gehörte, hatte meist auch Privilegien, die das Leben durchaus erfreulic gestalten konnten (bessere Konsumgüterversorgung, bessere Wohnung, Reisemöglichkeite etc.). Diese Leute, vielleicht zehn bis zwanzig Prozent der Bevölkerung, haben meis wenig Grund, unfreundlich über die DDR zu denken, der sie vor allem übelnehmen, daß si ihnen gleichsam über Nacht unter den Händen weggestorben ist. Warum sollte man nich einen neuen Versuch unternehmen, ein sozialistisches System zu errichten, das diesma wirtschaftliche Effizienz mit wirklicher Humanität verbindet? Der Gedanke leuchtet j auch manchen westdeutschen Intellektuellen ein, die ihrerseits dazu beitragen, daß sic die PDS dauerhaft oberhalb der Fünf-Prozent-Hürde etablieren kann.

Im übrigen trifft es zu, daß die PDS in Zeiten stark rückläufiger Wahlbeteiligun ihre Anhänger besser mobilisieren kann als andere Parteien, die unter den Enttäuschunge über die vielen menschlichen und politischen Schwächen in unseren Parteien mehr zu leiden haben. Das stärkt natürlich ihren prozentualen Anteil bei den Wahlergebnissen auch wenn die absolute Zahl der PDS-Wähler wenig oder gar nicht zunimmt. Die PDS hat auc immer noch im Osten mehr Mitglieder als alle anderen Parteien zusammen, so daß sie auc mehr Aktivitäten im vorpolitischen Raum entfalten kann (zum Beispiel Mieter- un Rentenberatung). Allerdings ist ihre Mitgliedschaft stark überaltert, so daß auch hie die Bäume nicht in den Himmel wachsen werden. Schließlich haben viele Menschen in de früheren DDR auch begriffen, was ihre westdeutschen Landsleute schon lange wissen, da man nämlich seine Interessen in einer pluralistischen Gesellschaft nur dann wirksa vertritt, wenn man sich entsprechend bemerkbar macht und die Entscheidungsträge hinreichend in Schrecken versetzt. Und das kann man offenbar am besten, wenn man die SED-Nachfolgepartei wählt, der man im übrigen, laut Meinungsumfragen, außer in kommunalen Bereich kaum Problemlösungskompetenz zubilligt, bei der man also nich wünscht, daß sie in den Ländern oder gar im Bund wirklich regiert.

Natürlich profitiert die PDS, wie jede Partei, auch von den Fehlern ihre Konkurrenten. Das begann bei der SPD schon 1990 mit ihrem damaligen Spitzenkandidate Oskar Lafontaine, der kein Wort der Freude über die Wiedervereinigung sagen mochte, wei er sich, laut Egon Bahr, nicht "verbiegen lassen" wollte. Unter Defiziten in de nationalen Frage litten und leiden auch noch andere Parteien, nicht zuletzt die FDP. Be den Wahlen 1990 präsentierte sie sich noch als "Partei der deutschen Einheit" die sie in Wirklichkeit schon seit Mitte der 70er Jahre nicht mehr war. Vier Jahre späte hatten die Wähler die nationale Haltung der FDP durchschaut und bereiteten ihr in alle östlichen Bundesländern schmerzliche Niederlagen, die einen Wiedereinzug in die Landtag verhinderten. Die FDP wird dort nur noch entweder als Bundespartei, zu der man weni Zutrauen hat, oder als Kommunalpartei wahrgenommen, deren Repräsentanten man persönlic kennt und die man oft wählt, weil man ihnen das Vertrauen schenkt, das man den Bundes und Landespolitikern verweigert. Nur mit Mittelstandspolitik, bei der viele Menschen in Osten gar nicht wissen, wer eigentlich gemeint ist, wird die FDP dort auch weiterhi erfolglos bleiben (Haider ist übrigens bei potentiellen FDP-Wählern durchaus populär!).

Generell kann man sagen, daß der Durchschnittswähler in Mitteldeutschland ei ungebrochenes Verhältnis zu seiner nationalen Identität hat, daß er für Gesetzestreu und Ordnung steht, jede kriminelle Betätigung, natürlich auch bei Ausländern, stren geahndet sehen möchte, wenig Freude an Schicki-Micki und egozentrischer Selbstdarstellun hat und die Einwanderung nach Deutschland, wenn sie dann schon unvermeidlich ist, strik auf Personen beschränkt sehen will, die wir wirklich brauchen und die integrationswilli und -fähig sind – kurz gesagt, er ist konservativ. In all diesen Punkten haben die sogenannten staatstragenden Parteien in der Bundesrepublik Deutschland leider sämtlic erhebliche Defizite. Sie sollten sich also über die zum Teil spektakulären Wahlerfolg etwa der DVU in Sachsen-Anhalt oder Brandenburg oder der NPD, die in Sachsen bei de Jungwählern einen Stimmanteil von 10 Prozent erzielte, nicht wundern, sondern sic fragen, was sie selbst falsch gemacht haben. Dahinter steht jedenfalls kein verbreitete Fremdenhaß, wie anklagend über die Medien verbreitet wird, sondern schlicht die Angst im eigenen Land, auf dessen deutschen Charakter man stolz ist, fremd zu werden. Da hilf es auch nicht viel vorzurechnen, daß doch der Anteil der Ausländer in Sachsen ode Brandenburg erst zwei Prozent der Wohnbevölkerung ausmache. Man kennt inzwischen de Berliner Bezirk Kreuzberg, man kennt Frankfurt/Main und Offenbach mit ihre Ausländeranteilen von 30 und mehr Prozent und fragt sich zu Recht, ob es erst so wei kommen müsse, um sich dann sagen zu lassen, nun könne man leider nichts mehr tun. Die etablierten Parteien wären jedenfalls gut beraten, auf nur zu verständliche Ängste, die ja auch im Westen viele teilen, nicht mit multikultureller Besserwisserei oder – noc schlimmer – mit der Faschismus-Keule zu reagieren, sondern nach Wegen zu suchen, wi auch die berechtigten Interessen der Deutschen gewahrt werden können
 
     
     
 
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