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Des Kanzlers Werben um die Opposition

 
     
 
Das Hamburger Schmierentheater um Ronald Schill, seine Partei Rechtsstaatlicher Offensive und seine hinterhältigen Verdächtigungen gegen den Ersten Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sowie schließlich die fristlose Entlassung Schills als Innensenator und stellvertretender Regierungschef von Hamburg hatten das Treffen der Unions-Spitzen im "Congress-Centrum" des Frankfurter Flughafens in den Hintergrund der Nachrichten gerückt. Dabei war im Vorfeld dieses kleinen Unions-"Gipfeltreffens" viel orakelt, gemutmaßt und vor allem in personell
er Hinsicht spekuliert worden.

Und in der Tat: Die letzten Wochen waren gekennzeichnet von unterschiedlichsten Äußerungen aus den Führungsetagen der Union - und zwar nicht nur zu den anstehenden Problemen, sondern mehr noch zur Vorgehensweise. Auf einen Nenner gebracht hieß das: Soll sich die Union passiv verhalten, also zunächst abwarten, wann und welche Gesetze die Bundesregierung in den Bundestag einbringt, und sich erst dann in der Sache äußern, oder soll sie mit eigenen Konzepten an die Öffentlichkeit treten und so die Regierung ständig zum Handeln herausfordern?

Ein zweites Problemfeld des taktischen Kleinkriegs zwischen Regierung und Opposition spielt da mit hinein, nämlich der Variantenreichtum des Bundeskanzlers bei der Offerierung immer neuer Gesprächskreise, auch immer neuer Themensetzungen, verbunden mit Konsensangeboten an Interessentengruppen, um sie auf die Regierungsseite zu ziehen. Ein Beispiel dieses taktischen Klüngelns hatte Schröder ja vor drei Jahren geboten, als er die ablehnende Front der Unions-Ministerpräsidenten gegen die damalige (auch schon unseriös über neue Schulden finanzierte) Steuerreform aufbrach, indem er vor allem Berlin und Thüringen Finanzhilfen aus dem Bundesetat zuschob.

In den letzten Wochen trug Schröder zusätzlich Unsicherheit in die Reihen der Union, indem er den CDU-Ministerpräsidenten Offerten für Konsensgespräche machte, bei denen im Vorfeld gesetzlicher Beratungen in Bundestag und Bundesrat gewissermaßen mit dem Kaiser und seinen Landesfürsten ausgemauschelt werden sollte, wie denn der (Staatsgeld)-Kuchen neu gebacken und dann unter den Beteiligten gütlich aufgeteilt werden sollte. Bei diesem Kungel- gerede hatte Frau Merkel keine son- derlich klare Po- sition bezogen. Schröder hatte nämlich auch ein Gespräch nur zwischen ihm und der CDU-Chefin propagiert, gewissermaßen um das Prozedere und nach Möglichkeit auch schon sachliche "Eckpunkte" für die Herbstrunden in den parlamentarischen Gremien festzuzurren. Das hatte Merkel nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern Gesprächsbereitschaft signalisiert, wenn der Kanzler denn ein seriöses Angebot mit konkreten Beratungsthemen mache. Dies ganze Durcheinander wiederum hatte den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch auf den Plan gebracht, der Merkel, aber auch einigen seiner Amtskollegen (Wulff, Böhmer, Althaus) vorwarf, sich allzu naiv vor den Schröderschen Karren spannen zu lassen.

Nachdem nun die parlamentarische Sommerpause beendet ist, geht es jetzt in die große parlamentarische Auseinandersetzung über die Fülle von Reformvorhaben, die Deutschland jetzt seit fast einem Jahrzehnt vor sich herschiebt. So dumm, herzlos, politisch unreif, in der Sache überzogen und im Grunde indiskutabel die demagogischen Bemerkungen des JU-Vorsitzenden Mißfelder bezüglich der Gesundheitsfürsorge für Ältere auch gewesen sind, eines haben sie doch bewirkt: Die Dringlichkeit der Neu- ordnung unserer Sozialsysteme wurde Thema Nummer eins in der öffentlichen Debatte. Daß trotz der hohen Belastung Berufstätiger mit Steuern und Abgaben die staatlich verantworteten Etats immer mehr aus dem Ruder laufen und die Schuldenlast öffentlicher Haushalte nicht mehr hinzunehmen ist, ist inzwischen Allgemeingut. Schröders Repertoire an Ablenkungsmanövern ist erschöpft. Immer noch ein Gremium, noch ein Kungelkreis, noch ein neues Nebenreförmchen erzeugen keine Wirkung mehr. Jetzt muß er endlich Gesetze vorlegen und damit konkret verdeutlichen, wie und wo er die Hebel ansetzen will.

Das war der Kern des jüngsten Beschlusses der Unionsführung: Schluß mit dem Orakeln über unbekannte "Reformen", gesprochen wird erst über Gesetzesvorlagen der Bundesregierung, und das in den dafür demokratisch vorgesehenen Gremien Bundestag und Bundesrat. Die Union sollte in den kommenden Wochen bei diesem Kurs bleiben. Sie hat dafür gute Argumente.

Jetzt ist es an Schröder, das Reformwerk endlich in Angriff zu nehmen. Davor aber haben die Sozialdemokraten Angst. Ihnen stehen schwere Auseinandersetzungen mit ihrer eigenen Klientel bevor. Deshalb will Schröder die Union schon im Vorfeld mit ins Boot holen. Am liebsten wäre es ihm, wenn er zwar großherzig weiterregieren, am Ende aber der Union die unaufschiebbaren - und wohl auch an vielen Stellen schmerzhaften - Schnitte anlasten könnte. Auf diesen allerletzten Trick dieses permanent tricksenden Kanzlers sollte die Union nicht hereinfallen.

Lässt Merkel sich vor Schröders Karren spannen?
 
     
     
 
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