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Roland Koch - der Treiber

 
     
 
Die Regierung stümpert sich von Flickwerk zu Flickwerk, derweil die Opposition sich in internen Personalfehden verkeilt. Das verheerende Bild bleibt nicht ohne Wirkung: Nach allen Umfragen stürzt das Ansehen der Politiker in immer neue Tiefen. Unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit, denn die Bürger vermögen schon lange nicht mehr zu unterscheiden zwischen "schwarzer" und "roter" Politik. Alles dasselbe, so ihr Eindruck. Dem will der hessische Ministerpräsident
Roland Koch, beflügelt von seinem Wahlsieg im Februar, mit allen Mitteln entgegenwirken. Koch, der Reformer? Gar der nächste Kanzler-Kandidat der Union 2006? Oder doch nur einer, der bloß an den Trog will und sich mit dröhnenden Phrasen schmückt. Ein Streifzug.

Die Konfusion in dieser Bundesregierung ist eigentlich durch nichts mehr zu überbieten. Seit fast fünf Jahren regiert das Duo Schröder/Fischer - und ebenso lange überschlagen sich Meldungen und Dementis über das, was diese Regierung angeblich vorhat. Der Einfallsreichtum des Kanzlers, vor den parlamentarischen Abschluß eines Vorhabens einen neuen Vorschlag zu setzen und damit vom (in der Anlage meist mißglückten) Endprodukt, nämlich einer erwarteten und daher fälligen Gesetzesvorlage, abzulenken, ist schon bewundernswert. Man denke nur an das "Hartz-Konzept", das ursprünglich "umgehend eins zu eins umgesetzt" werden sollte und das Schröder selber mit der Bestellung der "Rürup-Kommission" aushebelte. Noch ehe Professor Rürup mit seinem Endprodukt an die Öffentlichkeit treten konnte, nahm ihm Schröder einen Teil weg und machte daraus ein Notprogramm zur schnellen Reparatur der dringendsten Engpässe im Sozial- und Rentensystem.

Dem folgte die Sondergruppe aus Abgeordneten aller Fraktionen unter Sozial- und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und dem CSU-Sozialexperten Horst Seehofer zur Reform des Gesundheitswesens. Kaum hatten sie ihren Vorschlag übergeben, begann eine kritische Diskussion über finanzielle Machbarkeit und soziale Ausgewogenheit. Sie ließ die Wellen von Kritik, Protesten und allgemeinem Unverständnis in allen Parteien und gesellschaftlichen Gruppierungen hochschlagen. Und noch ehe die Regierung selber ein abschließendes Urteil gefällt hat, außer daß der Kanzler wie immer bei solchen Entwürfen mit dem mahnenden Blabla hervortrat, nun dürfe das "Konzept" nicht zerredet, sondern solle so schnell wie möglich "umgesetzt" werden, platzt - nun diesmal zuerst der Vizekanzler und Außenminister (was für eine pfiffige Regie!) - mit dem Überraschungscoup heraus, wir sollten in Deutschland so schnell wie möglich zu einer allgemeinen "Bürgerversicherung" übergehen. Und siehe: schon ist die Gesundheits"reform" so gut wie aus der öffentlichen Debatte, landauf, landab dominiert das Orakeln über die "Bürgerversicherung".

Nicht in Vergessenheit geraten sollte dabei das Hickhack um die Steuer- und Haushaltspolitik. Die schon beschlossene nächste Stufe der Steuersenkung wurde wegen der Flutkatastrophe vor einem Jahr kurzfristig ausgesetzt. Noch sah es so aus, als würde sich Hans Eichel mit seinem Wunsch der Haushaltskonsolidierung durchsetzen. Dann stellte sich heraus, daß wegen der schlechten Konjunktur und deshalb noch gestiegenen Arbeitslosigkeit die Löcher in der Staatskasse ohnehin nicht zu stopfen sein würden. Also sollte die Steuersenkung nun doch auf 2004 vorgezogen werden. Erst war Schröder dagegen. Dann regten sich Stimmen aus der Union, welche für die vorgezogene Steuersenkung waren. Sofort schwenkte Schröder um und will nun doch schon 2004 den Bürgern (auf dem Papier) mehr Geld in den Taschen lassen. Und ein weiterer Effekt trat ein: Plötzlich sind er, sein schon demontierter Finanzminister und seine ganze rot-grüne Koalition aus der Schußlinie, und der Disput hat Einzug in die Union gefunden.

Bei diesem Disput kommt nun schon seit Wochen ein Name nicht mehr aus den Schlagzeilen: der des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Unter den "jungen Wilden" in der CDU - worunter jene Generation gemeint ist, die für die "Kohl-Nach-Nachfolge" steht - genießt er zweifellos den meisten Respekt. Das Wort "Respekt" ist deshalb angebracht, weil weder "Ansehen", "Anerkennung" oder "Aufmerksamkeit" treffender wären. Koch hat, was vor ihm niemandem aus der CDU gelungen war, das "klassische" SPD-Land Hessen zweimal für die CDU erobert - in diesem Jahr sogar mit der in Hessen für die CDU nicht für möglich gehaltenen absoluten Mehrheit - und die SPD in diesem Bundesland fast bis zur Bedeutungslosigkeit herabgedrückt. Es dürfte lange dauern, bis die hessischen Sozialdemokraten wieder aus ihrem Tief herausfinden. Das ist gelungen, obwohl auch Koch im Zusammenhang mit dem hessischen Skandal um die Parteifinanzen nicht ohne Blessuren geblieben war.

Man schätzt diesen Vollblutpolitiker wahrscheinlich falsch ein, wenn man ihm unterstellte, er wolle mit aller Gewalt 2006 gegen Schröder kandidieren. Das heißt jedoch nicht, daß er sich das nicht zutraute. Roland Koch ist einer, der sein Metier sozusagen mit der "Muttermilch eingesogen" hat. 1958 geboren, Sohn eines ehemaligen hessischen CDU-Ministers, hat er die "Ochsentour" hinter sich: früh engagiert in der Jungen Union, Bundeswehr, nach Jura-Studium zunächst in der Kommunal- und Kreispolitik tätig, mit 29 Jahren Mitglied des Hessischen Landtags und mit 32 bereits zum Fraktionsvorsitzenden gewählt. Als die CDU 1991 wieder in die Opposition mußte, machte er das Amt kurzfristig wieder für seinen Mentor Manfred Kanther frei, um nach dessen Einzug in die Bundesregierung 1993 an die Fraktionsspitze der hessischen CDU zurückzukehren. Mit der entschlossenen Kampagne gegen den von Rot-Grün beabsichtigten Doppelpaß für Ausländer gewann er wider Erwarten die Landtagswahl von 1999. Seitdem regiert er Hessen mit ruhiger, doch entschlossener Hand.

Sein gegenwärtiges Auftreten, bei dem er in Kauf nimmt, daß es allzu leicht als Rivalität zur Partei- und Fraktionsvorsitzenden Angela Merkel ausgelegt werden kann, entspringt vor allem seinem Streben nach unzweideutigem Profil der Union. Koch hat von Anfang an darauf gedrängt, daß die Opposition die Bundesregierung zwingt, mit klaren politischen Vorgaben an die Öffentlichkeit zu treten. Sie muß zuerst sagen und mit Gesetzesvorlagen im Bundestag Farbe bekennen, wohin die Reise auf den wichtigsten Feldern der Politik gehen soll. Dabei nennt er selber nur Grundsätze, über die nicht mit der CDU zu reden ist. Der wichtigste lautet: keine weitere Verschuldung. Nach dieser Maxime hat er auch seine Gespräche mit dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Steinbrück geführt. Im Gegensatz dazu waren und sind ihm die Reaktionen von Stoiber, Merkel und auch von einigen anderen der "jungen Wilden" (Rüttgers, Müller, Böhr, Wulff) auf die sprunghaften Ankündigungen Schröders und seiner Regierung zu sibyllinisch, verschwommen, unausgewogen, vor allem nicht kämpferisch und unzweideutig genug.

Am zweiten Grundsatz hält er ebenso verbissen fest: Der Bund darf sich nicht weiter auf Kosten der Länder und Kommunen bei der Bevölkerung einzuschmeicheln versuchen. Das macht die gegenwärtige Debatte um die Steuersenkung so prekär. Selbstverständlich weiß auch er wie Merkel, Stoiber und andere, daß es der Union schaden würde, gegenüber den Wählern als die Blockadepartei dazustehen, die den Bürgern Steuerentlastungen vorenthalten wolle, nur um der Regierung zu schaden. Aber er hat auch die Lehren aus der Blamage der Union von vor drei Jahren nicht vergessen, als Schröder sein von der Union grundsätzlich abgelehntes Steuerkonzept schließlich im Bundesrat doch durchbrachte, weil er einige unionsgeführte Länder mit Bundeszuschüssen an ihre Haushalte geködert hatte. Im Interesse von allgemeinverständlichen politischen Grundsätzen ist er gewillt, auch innerparteilichen und persönlichen Auseinandersetzungen nicht aus dem Wege zu gehen. So gesehen ist er eine Führungspersönlichkeit der CDU, mit der immer zu rechnen ist.

Einer will nach vorn: Hessens Ministerpräsident Koch beherrscht zunehmend die programmatische Debatte in der Union. Drängt er Chefin Merkel planmäßig in den Hintergrund?
 
     
     
 
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