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Die Herzen der Kinder erfreut

 
     
 
Die eine oder andere mag tatsächlich jetzt unter dem Christbaum gelegen haben, auch wenn sie heute stattliche Preise erzielen. Käthe-Kruse-Puppen zählen zu dem "Spielzeug", das nicht nur Kinderherzen erfreut. Auch bei Erwachsenen sind sie heiß begehrt und zu geschätzten Sammelobjekten geworden. Selbst Museen haben ihren Wert erkannt. So zeigt das Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott anläßlich des 100jährigen Bestehens der Käthe-Kruse-Puppenherstellung eine Sonderausstellung zu diesem Thema. Präsentiert werden nicht nur zauberhafte
Puppen aus der Sammlung von Gudrun Scholz-Knobloch, der ehemaligen Leiterin von Spielzeug- und Kinderwelt, Museum am Steinhuder Meer, sondern auch Spielzeug aus der jeweiligen Zeit, Bücher und viele Informationen über die erfolgreiche Unternehmerin aus Breslau.

Die erste Käthe-Kruse-Puppe erblickte im Jahr 1910 das Licht der Welt, nachdem die 1883 in Dambrau bei Breslau geborene Käthe Kruse bereits 1905 erste Puppen für ihre Kinder gefertigt hatte. Tochter Mimerle (Maria) sollte zum Weih-nachtsfest 1905 eine Puppe erhalten, die man liebhaben konnte. Vater Max Kruse - er war Bildhauer - meinte, daß die im Handel erhältlichen Puppen nicht gerade kindgerecht seien: "zu hart, kalt und steif". Er war es, der seine Frau auf die Idee brachte, doch selbst Puppen zu fertigen.

Das Ergebnis des ersten Versuchs war noch nicht vollkommen. Die Puppe bestand aus einem zusammengeknoteten Küchentuch, das mit Sand gefüllt war. Als Kopf diente eine verhüllte Kartoffel, auf die Käthe Kruse mit einem abgebrannten Streichholz ein Gesicht gemalt hatte. Mimerle liebte diese Puppe - und das war die Hauptsache. Mutter Käthe aber gab sich nicht zufrieden. Es mußte doch gelingen, ansehnlichere Puppen her-zustellen.

Zu jedem Geburtstag der Kinder, aber auch zu anderen Festen entstanden nun Puppen; immer mehr wurde die Technik verfeinert. Da gab es viel zu tun für die emsige Frau, die ursprünglich hatte Schauspielerin werden wollen und einst ein Engagement am Berliner Lessing-Theater hatte. Nun aber galt es, sich um die sieben Kinder zu kümmern - und um die Puppen, die die Welt erobern sollten.

In München kaufte Käthe Kruse das Gipsmodell eines Kinderkopfes und bezog es mit Stoff. Die so entstandene Hülle füllte sie mit Wachs aus, anschließend bemalte sie die Köpfe. Überhaupt waren ihr die Köpfe besonders wichtig; die Proportionen und vor allem die Ausstrahlung des kleinen Gesichtchens mußten einfach stimmen

1910 schließlich gelang Käthe Kruse der große Durchbruch. Auf einer Ausstellung des Berliner Warenhauses Hermann Tietz unter dem Motto "Spielzeug aus eigener Hand" zeigte sie ihre "Puppe I" und gewann nicht nur die Herzen der Kinder. Im folgenden Jahr wurde sie bei der Internationalen Puppenausstellung in Florenz mit der Großen Goldmedaille ausgezeichnet. Nicht zuletzt diese Auszeichnung gab der Schlesierin den nötigen Ansporn weiterzumachen. Viele Entwürfe folgten. Die Zusammenarbeit mit der Puppenfabrik Kämmer & Reinhardt in Waltershausen war allerdings nicht erfolgreich, und so ging Käthe Kruse wieder dazu über, in der eigenen Berliner Wohnung zu produzieren. Im Sommer 1912 schließlich wurde in Bad Kösen eine Werkstätte errichtet.

Die ersten Puppen, die immerhin 43 Zentimeter groß waren, hatten einen Stoffkopf, gemalte Haare, breite Hüften, Scheibengelenke und einen angenähten Daumen. Immer ein wenig ernst blicken sie in die Weltgeschichte, sind aber darum nicht weniger liebenswert. Eine Puppe jedoch, das 1922 entstandene "Schlenkerchen", lächelt als einzige Schöpfung der Käthe Kruse. Vorbild des Kopfes war ein Gipsabdruck vom "Segnenden Christusknaben" des Bildhauers und Malers Andrea del Verrocchio. Leider wurde diese 33 Zentimeter große und bewegliche Puppe nur bis 1935 hergestellt.

Vielbeachtet war "Das deutsche Kind". Entstanden 1929, war es die erste Käthe-Kruse-Puppe mit Drehkopf und Echthaarperücke. Als Modell diente der Puppenmacherin der eigene damals vierjährige Sohn Friedebald. Unter Verwendung des gleichen Kopfes, aber mit einer Mädchenperücke versehen, wurde dann auch Ilsebill "geboren". "Hampelchen" entstand, und "Träumerchen", aber auch kleine Soldaten und "Feldgraue". In den 30er Jahren entwickelte die Unternehmerin mit dem absoluten Qualitätsanspruch Schaufensterpuppen, die in Fachkreisen bald zu einem Begriff wurden und auch auf Weltausstellungen

Preise errangen. Für den niederländischen Pavillon auf der Weltausstellung in New York 1939 schuf sie 17 lebensgroße Figuren, die Menschen aus Asien, Afrika und Nordamerika in ihren landesüblichen Trachten zeigten. Die Schlesierin war darüber hinaus auch sehr geschäftstüchtig; so meldete sie 1914 ein Patent für ein Metallskelett zur Herstellung von Puppenstubenfiguren an. Weitere Patente folgten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Käthe Kruse gezwungen, ihr Werk in Bad Kösen aufzugeben, die "Reste" wurden in einen volkseigenen Betrieb umgewandelt. Dort stellte man bis 1967 Puppen im Stil der Käthe Kruse unter der Bezeichnung "Kösener Künstlerpuppen" her. Die Familie Kruse aber versuchte einen Neuanfang in Bad Pyrmont und in Donauwörth. In den 60er Jahren erweiterte man die Produktpalette um Spielzeug für Kleinkinder aus Plüsch und Frottee. Die Puppenköpfe wurden nun vielfach auch aus Celluloid gefertigt. Käthe Kruse starb 1968 in Murnau. Sie hinterließ ein florierendes Unternehmen in Donauwörth, das bis 1990 in Familienbesitz blieb. Die Mutter der Puppen zum Liebhaben hat Meilen-

steine in der Spielzeugproduktion gesetzt. Vor allem aber hat die Schlesierin die Herzen der Kinder erfreut. Peter van Lohuizen

Die Ausstellung im Haus Schlesien, Dollendorfer Straße 412 in Heisterba-cherrott ist bis einschließlich Ostern zu sehen (dienstags bis sonnabends von 10 bis 12 Uhr und von 13 bis 17 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 18 Uhr). Führungen für Gruppen auch außerhalb der Öffnungszeiten sind unter 0 22 44 / 88 60 anzumelden.

Natürlicher Charme: Typische Käthe-Kruse-Puppe mit Bär Foto:Haus Schlesien

 
     
     
 
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