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Die Kraft des Wortes siegt

 
     
 
Als erstes großes Museum zeigt das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum in Schloß Gottorf Lithographien von Armin Mueller-Stahl. Bis zum 31. Oktober ist dort im Studio der Galerie der Klassischen Moderne eine Folge seiner "Faust"-Zeichnungen zu sehen (täglich 10-18 Uhr). Verleger Frank Thomas Gaulin aus Lübeck und Armin Mueller-Stahl haben sich aus diesem Anlaß entschlossen, dem Gottorfer graphischen Kabinett je ein Exemplar
des druckgraphischen Werkes des Künstlers zum Geschenk zu machen.

Die im vergangenen Jahr entstandene und gedruckte Folge von Lithographien zu Goethes "Urfaust" ist von Armin Mueller-Stahl nicht als Illustrationsfolge des Textes konzipiert, sondern als assoziative Reihe von Schlüsselszenen, betonen die Veranstalter der Ausstellung. "Dabei hat der Künstler den von Goethe angelegten Handlungsstrang nicht immer eingehalten. Die Reihenfolge der Entstehung der Blätter wurde für das Mappenwerk beibehalten, so daß der Betrachter die Annäherung Mueller-Stahls in seiner bildnerischen Umsetzung nachvollziehen kann. Die spontan und mit Verve gezeichneten Szenen sind in nur wenigen Tagen als bildliche Paraphrasen des Textes von emotionaler Dichte entstanden. Es fällt nicht leicht, eine Verbindung zum Schauspieler Mueller-Stahl zu ziehen, da die Arbeiten vollgültige autonome Kunstwerke sind. Allerdings lassen sie eine Präzision in der Charakterisierung der handelnden Figuren erkennen, die deren Gebärden bis in die Spitzen von Fingern und Füßen ausführt und - bei aller Spontaneität - nichts im Unbestimmten läßt. Dies dürfte auch dem Schauspieler wichtig sein - dies ist aber auch eine Voraussetzung aussagehaltiger Figurenkunst schlechthin. Die genau umreißende Strichzeichnung wird nur gelegentlich durch eine Pinsellavierung begleitet, die ihren Ausdruck hervorhebt und einzelne Akzente setzt."

Mueller-Stahl, 1930 im ostdeutschen Tilsit geboren, gehört zu den Menschen, die mit einer Mehrfachbegabung gesegnet sind. Er spielt die Geige virtuos, hat auf den Brettern bedeutender deutscher Bühnen gestanden, verkörpert in Filmen und im Fernsehen immer wieder meisterhaft besondere Charaktere, wurde für den Oscar nominiert, schreibt Bücher und malt. Er selbst sagt von sich: "Das Malen, Schreiben, Musizieren und die Schauspielerei gehören für mich einfach zusammen." Das Malen ist für ihn der "Ausgleich zum Gefesseltsein als Schauspieler". Und doch ist es gerade dieser Beruf, der den Maler und Graphiker inspiriert.

Zu den Mehrfachbegabungen der deutschen Kulturgeschichte gehört auch der Bildhauer, Graphiker und Dichter Ernst Barlach (1870-1938). Thematisch hat auch er sich immer wieder von Goethe beeinflussen lassen. "Lesen tue ich nicht viel", gestand er, "nur Goethe packt mich immer wieder und immer wieder mit seinem ,Faust ..." Und so begann er, sich auch zeichnerisch diesem Drama zuzuwenden, zum ersten Mal 1897 mit Zeichnungen zu einer Episode aus "Faust II". 1923 dann aber folgten 20 Holzschnitte zur Walpurgisnacht. Sie stehen wie auch die für Barlach ungewöhnlich zarten Zeichnungen zu Goethe-Gedichten im Mittelpunkt der Ausstellung "Barlach und Goethe - Poesie im Bild", die noch bis zum 14. November im Ernst Barlach Museum Ratzeburg zu sehen ist (täglich außer montags 11-17 Uhr). Die etwa 100 Zeichnungen, Graphiken und Plastiken zeigen die Wahlverwandtschaft zwischen dem Bildhauer und dem Dichter, der nach wie vor nicht nur von Literaturfreunden geschätzt und verehrt wird.

Wie aber jungen Menschen Goethe näherbringen? Wollen sie den "Faust", mit dem sie in der Schule oft genug traktiert wurden, überhaupt lesen? In einer Zeit, da elektronische Medien den Büchern den Rang ablaufen? Was lag da näher, als eine moderne Bearbeitung von Goethes "Faust" als Hörbuch auf den Markt zu bringen? Peter Geyer und Florian Fickel von der vor einem Jahr gegründeten Firma "die Audiothek" fanden in der Deutschen Grammophon Literatur einen verständnisvollen und sachkundigen Partner, schließlich kennt sich die "alte Dame Grammophon" seit 50 Jahren mit der Produktion von Tonträgern mit Literaturaufnahmen aus. In Thomas D von der Band "Die Fantastischen Vier" und Bela B. von der Gruppe "Die Ärzte" fand man zwei Protagonisten, die von der jungen Generation durchaus akzeptiert, wenn nicht gar verehrt werden. Sie waren bereit, sich als Faust (Thomas D) und als Mephisto (Bela B.) einen Schlagabtausch zu liefern. Es entstand die CD Thomas D vs. Bela B. - Faust vs. Mephisto (63 Minuten, 18 Euro), "ein Meilenstein in der Faust-Interpretation", wie Bert Petzold von der Deutschen Grammophon auf einer Pressekonferenz in Hamburg betonte. Es sei nun kein neuer "Faust" entstanden, schließlich sei es ein Wagnis, sich an Goethe zu vergehen, wie Bela B. hervorhob, vielmehr liege nun eine gestraffte Form des Textes vor, eine eigenständige zusammenhängende Dialogbearbeitung mit Auslassungen, aber ohne Ergänzungen oder gar Übersetzungen in die heutige Umgangssprache. Thomas D konnte allerdings nicht umhin zu betonen, hätte Goethe heute den "Faust" geschrieben, wäre es bestimmt ein Rap geworden ... Hört man in diese neue Produktion hinein, dann überrascht die Intensität der Sprache, die Kraft des Wortes, die beide Interpreten beherrschen. Ein Vergleich mit Gründgens, dessen "Faust" von 1954 als erstes von der Grammophon auf Vinyl gepreßt wurde, bietet sich an; doch scheuen die beiden jungen Künstler einen solchen Vergleich nicht. Ihr "Faust" ist immer noch von Johann Wolfgang von Goethe, und doch ganz anders. Er ist immer noch aktuell, immer noch sprachgewaltig, ein Meisterwerk, doch ohne ablenkendes Beiwerk. Und wer weiß? Vielleicht greift der eine oder andere junge Hörer nach dem Hörbuch doch wieder einmal zur Klassiker-Ausgabe, um sich eingehender mit dem Text zu befassen und seine Aktualität zu erkennen. Peter van Lohuizen

Ernst Barlach: Mephistopheles (Holzschnitt, 1923) Foto: Ernst Barlach Museum Ratzeburg

Armin Mueller-Stahl: Die Melancholie des Faust (Lithographie, 2003)

 
     
     
 
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