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Diplomatisches Eigentor

 
     
 
Neben Joschka Fischer dürfte Bundeskanzler Schröder wohl unangefochten zu den am meisten mißverstandenen Menschen der vergangenen Woche zählen. Denn eigentlich wollte er mit der Aussage, die Nato sei "nicht der primäre Ort, an dem die transatlantischen Partner ihre strategischen Vorstellungen konsultieren und koordinieren", einen mutigen Vorstoß zur Reform der Nato wagen, doch irgendwie ging dieser Versuch gewaltig daneben.

Erst verstand ein Großteil der 400 Besucher der international
en Sicherheitskonferenz in München die von Verteidigungsminister Struck vorgetragenen Äußerungen des Kanzlers als Aufruf zur Schwächung der Nato, dann dämmerte den Teilnehmern jedoch, daß dem nicht so sein könne. Auch Struck, der das Redemanuskript offenbar wortlos vom vergrippten Kanzler überreicht bekommen hatte, war nicht in die Gedankengänge des Kanzlers eingeweiht und versuchte, die unleugbar mißglückten Formulierungen selbst zu interpretieren. So meinte er, Schröder wolle die Nato effektiver machen. "In der Tat ist ja in der Nato nicht ernsthaft über eine Strategie zur Beendigung des Irakkonfliktes diskutiert worden, sondern wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß einige Nato-Partner entschlossen waren, unabhängig von einer Nato-Entscheidung einen solchen Krieg durchzuführen", so Struck.

Auch Fischer verteidigte den Reformvorstoß seines Chefs, stand damit allerdings ziemlich alleine da, denn schon gleich nach der Sitzung prasselten die ersten empörten Stellungnahmen auf den Kanzler ein. "Die Nato hat nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt", sagte EU-Chefdiplomat Javier Solana. "Wir sollten Dinge nicht dramatisieren, die nicht dramatisch sind."

Was allerdings wirklich dramatisch ist, ist jegliches Fehlen diplomatischem Geschicks im Vorgehen des Kanzlers. Eigentlich war die Münchner Sicherheitskonferenz dazu gedacht, die Mißstimmungen, die seit dem Irakkrieg zwischen den Kriegsbefürwortern und Kriegsgegnern herrschten, ein wenig zu entspannen. Die Tatsache, daß US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in letzter

Minute noch sein Kommen ankündigte, sollte belegen, daß die USA bereit seien, gut Wetter zu machen. Was Rumsfeld übrigens trotz der Schröder-Äußerungen gelang, indem er diese galant überging.

Schröder wollte zudem die Versammlung des internationalen Gremiums dazu nutzen, noch einmal dafür zu werben, daß Deutschland als einer der größten Finanziers einen festen Sitz im UN-Sicherheitsrat bekommen müsse. Nicht daß er dies nicht auch getan hätte, nur hat er diese Werbung in seinem Nato-Reformvorstoß selten ungeschickt verpackt. Er hat vor einem Expertenpublikum aus Militär und Politik, das sich wie kein anderes mit der Durchsetzung von Macht auskennt, bewiesen, daß die Deutschen so diplomatisch daherkommen wie ein Elefant im Porzellanladen. Wer von den Vereinigten Staaten etwas will, sollte ihnen nicht gleich einen Stoß versetzen, indem man ihnen erneut vorhält, daß sie mit ihrer Haltung im Irakkrieg die Nato übergangen hätten. Auch die Tatsache, daß weder Struck als Redner noch die anwesenden Abgeordneten von Rot-Grün in des Kanzlers Pläne eingeweiht waren, erinnerte doch sehr an das Durcheinander von 2003, als der Verteidigungsminister erst aus dem Spiegel erfuhr, daß Gerhard Schröder und Jacques Chirac beabsichtigten, UN-Blauhelmsoldaten im Irak zu stationieren. Auch hier fehlte jegliche Vorabsprache oder wenigstens Information an die Betroffenen. General Harald Kujat, Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, empfand die unglückliche Rede als "ärgerlich, sehr ärgerlich".

Mit diesem erneuten Beweis für die unprofessionelle Ausübung des außenpolitischen Handwerks hat sich Schröder keine Freunde gemacht. Aber anstatt das Thema erst einmal wieder zurückzustellen und es beim nächsten Mal wenigstens besser verpackt vorzutragen, beharrt der deutsche Kanzler auf seinem Vorhaben. Was er damit genau bezweckt, weiß wahrscheinlich nur er, da es dem Bundeskanzleramt selbst Tage nach dem diplomatischen Eigentor nicht gelungen ist, die Motivation Gerhard Schröders für sein urplötzliches Vorgehen verständlich zu machen. So sei es "schwer verständlich, warum der Kanzler nach den Turbulenzen im Verhältnis zu den USA in den vergangenen Jahren jetzt neuerlich die geballte Kritik unserer Partner auf sich zieht", sagte CSU-Chef Edmund Stoiber und steht mit dieser Meinung nicht alleine da. Fritz Hegelmann
 
     
     
 
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