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Echte Probleme sind Nebensache

 
     
 
Der Wahlkampf für die Parlamentswahlen am 1. Oktober kommt in die „heiße Phase“. An der trotz Sommerhitze nur „lauwarmen“ Phase davor fiel allerdings auf, daß Parteiprogramme kaum thematisiert wurden oder, weil „alte Hüte“, unter der Wahrnehmungsschwelle blieben. Statt dessen schien man eher auf Tagesereignisse zu reagieren. So etwa darauf, daß der Verfassungsgerichtshof die bisherige Erbschaftssteuer für verfassungswidrig
erklärte. Denn bei Liegenschaften und Betrieben wird die Steuer vom „Einheitswert“ berechnet, nicht vom weit höheren Verkehrswert - was die Erben anderer Vermögenswerte benachteiligt.

Eine Erhöhung auf den Verkehrswert würde allerdings bei vielen Betrieben den Erbfall zum Konkursfall machen, und so schlug Finanzminister Grasser die Abschaffung der Erbschaftssteuer vor. Für Klassenkämpfer ein rotes Tuch - doch die großen Vermögen ruhen ohnehin längst in Stiftungen, bei denen nie Erbschaftssteuer anfällt.

Wie zur Bestätigung sind auch die Banken gegen die Abschaffung, weil dies den „steuerlichen Vorteil von Stiftungen“ zunichte mache.

Ein fadenscheiniges Argument - werden ja Stiftungen zumeist von Banken verwaltet - und ein dummes, denn der volkswirtschaftliche Sinn der Rechtsform Stiftung besteht nicht in Steuerersparnis, sondern darin, Unternehmungen vor dem Ruin durch Erbteilungen zu bewahren.

Der Skandal um die Gewerkschaftsbank „Bawag“ ist weitgehend ausgereizt, und Strafprozesse werden kaum vor dem Wahltag beginnen. Doch die Ermittlungen hatten einen Nebeneffekt: Der Wiener Landespolizeikommandant geriet in Verdacht, vom früheren „Bawag“-Generaldirektor Reisegutscheine angenommen zu haben, und wurde suspendiert. Für Innenministerin Prokop um so peinlicher, als im Frühjahr auch der Leiter der Wiener Kriminalpolizei suspendiert wurde, weil er einen Bordellbetreiber vor einer Razzia gewarnt haben soll. Die beiden Spitzenbeamten gelten als erbitterte Rivalen, und beide Affären illustrieren die Stimmung im Innenministerium, das jahrzehntelang eine rote Domäne war, aber in den letzten Jahren gründlich eingeschwärzt wurde.

Ein Tagesthema ist plötzlich auch der „Pflegenotstand“. Es stellt sich heraus, daß etwa 40000 Personen, vorwiegend aus der Slowakei, im privaten Pflegebereich tätig sind - in „Schwarzarbeit“. Die meisten Pflegebedürftigen würden sich eine reguläre Heimhilfe aber gar nicht leisten können und müßten in Heime übersiedeln - letztlich zulasten der Steuerzahler. Von der Opposition ausgeschlachtet wird natürlich, daß auch die Schwiegermutter von Bundeskanzler Schüssel eine solche „inoffizielle“ Betreuung hatte.

Ein echter Knüller kam vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk ORF: Der 35-köpfige Stiftungsrat, quasi der Aufsichtsrat, der fast ausschließlich aus parteinahen Mitgliedern besteht, hatte über den ORF-Generaldirektor für die nächsten vier Jahre zu entscheiden. Man wählte aber nicht die derzeitige Generaldirektorin Lindner, die den einstigen „Rotfunk“ zum „Schwarzfunk“ gemacht hatte, sondern den bisherigen kaufmännischen Direktor Wrabetz. Die 20 Stimmen für den SPÖ-Mann Wrabetz kamen von SPÖ, FPÖ, Grünen, BZÖ - und den zwei ÖVP-Betriebsräten! Wrabetz tritt sein Amt erst im Januar an, doch bekanntlich gibt es „vorauseilenden Gehorsam“ - und so spekuliert man jetzt heftig über Nebenabsprachen der seltsamen „ORF-Koalition“ und über Folgen für den Wahlkampf.

Die ÖVP beschloß trotz ihrer ORF-Schlappe, den laut Verfassungsexperten der FPÖ zustehenden Sitz in der Bundeswahlbehörde dem BZÖ zuzusprechen. Die Zusammensetzung dieses Gremiums ist deswegen so bedeutend, weil es auch über zwei für den Wahlausgang maßgebliche Punkte zu entscheiden hat: Erstens, ob die FPÖ den dritten Platz auf dem Stimmzettel behält. Und zweitens, ob das BZÖ - wie auf Wahlplakaten schon vorweggenommen - als „Die Freiheitlichen“ (mit dem Zusatz „Liste Westenthaler, BZÖ“) antreten darf. FPÖ-Chef Strache hat für den Fall einer Entscheidung gegen die FPÖ eine Gesamtanfechtung der Nationalratswahl angekündigt, denn eine Partei-Kontinuität der FPÖ bei den Schulden, nicht aber bei den Rechten, das kann wohl auch nicht verfassungskonform sein.

 

Die Bundeswahlbehörde

Die Österreichische Bundeswahlbehörde ist ein weithin „unbekanntes Wesen“, denn sie wird nur anläßlich einer bundesweiten Wahl konstituiert und hat sich in der Regel nicht mit nennenswerten Kontroversen zu befassen.

Das Gremium amtiert zwar im Innenministerium, setzt sich aber neben dem Innenminister als Vorsitzenden (derzeit Liselotte Prokop, ÖVP) auch aus neun Vertretern der Parlamentsparteien und zwei vom Justizminister (derzeit Karin Gastinger, BZÖ) nominierten Richtern zusammen. Beschlossen wird die Zusammensetzung vom Ministerrat (derzeit eine ÖVP-BZÖ-Koalition) auf Vorschlag des Innenministers. Das Gremium hat unter anderem darüber zu entscheiden, ob die wahlwerbenden Parteien die dafür nötigen Voraussetzungen erfüllen sowie mit welchem Namen und in welcher Reihenfolge sie auf dem Stimmzettel erscheinen.

Daß der den Freiheitlichen zustehende Sitz nunmehr nicht der FPÖ, sondern dem von FPÖ-Abtrünnigen unter Führung Jörg Haiders im Vorjahr gegründeten „Bündnis Zukunft Österreich“ (BZÖ) zuerkannt wurde, sorgt erstmals für echten Konfliktstoff.
 
     
     
 
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