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Ein Werk Wilhelm Ludwig Stürmers

 
     
 
Wie vielfach angegeben wird, so im Handzettel zur Spendenaktion "Rettet das Königstor in Kaliningrad!" im Preußenjahr 2001, soll das Königstor "nach Plänen des Architekten E.A. von Aster" errichtet worden sein. Auch Herbert Meinhard Mühlpfordt schreibt in "Königsberger Skulpturen und ihre Meister 1255-1945" von 1970: "Aster, eine Künstlernatur, baute die Tore nicht nur zweckmäßig, sondern auch schön, im Tudorstil". Der General der Infanterie Ernst Ludwig v. Aster (1778-1855), der am Brandenburger Tor
im Südwesten der Stadt durch ein noch erhaltenes Porträtmedaillon geehrt wurde, arbeitete zwar 1842/43 in Berlin als Generalleutnant und Chef des Ingenieurkorps und der Pioniere sowie Generalinspekteur der Festungen den Entwurf des gesamten Befestigungswerkes aus, ist aber - wie sein Nachfolger ab 1849, General Leopold Johann Ludwig v. Brese-Winiary (1787-1878) - nicht der eigentliche Schöpfer der bis 1862 entstandenen sieben Stadttore im romantisch-neugotischen Backsteinstil.

Die Fassaden der Tore sind, wie schon in der Zeitschrift für Bauwesen von 1865 vermerkt, das Werk von Friedrich August Stüler (1800-1865), dem "Architekten des Königs" Friedrich Wilhelm IV. Hier sind im Verzeichnis "A. Stüler s Entwürfe und Bauausführungen" unter den Militärbauten "Sämmtliche Façaden zu den Festungsbauten in Königsberg, Lötzen und Posen seit 1842" genannt. Nach Karl Friedrich Schinkels Erkrankung und Tod 1840/41 erhielt Stüler zunächst neben Ludwig Persius und nach dessen frühem Tod 1845 allein das gesamte Hof- und Staatsbauwesen Preußens übertragen. In den beiden Ämtern als königlicher Baubeamter, zum einen ab 1842 als Ober-Baurat in der Technischen Baudeputation, zum andern ab 1851 als Rat in der Abteilung für Bauwesen des Handelsministeriums, entwarf oder kontrollierte er alle wichtigen Hof- und Staatsbauten Preußens. Als zudem 1842 mit dem Titel "Architekt des Königs" ausgezeichneter Beamter war Stüler, wie Eva Börsch-Supan in der von ihr und Dietrich Müller-Stüler (1908-1984), einem Urenkel des Architekten, verfaßten Künstler-Werkmonographie "Friedrich August Stüler. 1800-1865" von 1997 bemerkt, bisweilen auch "zur künstlerischen Überformung militärisch vorgegebener Anlagen eingeschaltet".

Allerdings ist Börsch-Supans Auskunft, daß die Entwurfszeichnungen der Königsberger Stadttore weder im Original noch in einer Reproduktion überliefert seien, überholt. Ein großer Teil von Stülers originalen oder seinerzeit von Mitarbeitern des Ingenieurkorps kopierten Entwurfszeichnungen der Tore ist im Geheimen Staatsarchiv Berlin erhalten. Die Zeichnungen sind in dem von Winfried Bliß bearbeiteten Verzeichnis "Allgemeine Kartensammlung Provinz Ostdeutschland: Spezialinventar (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Bd. 43)" von 1996 erfaßt. Die Entwürfe befanden sich in der IV. Hauptabteilung "Preußisches Heeresarchiv" des Geheimen Staatsarchivs, die jedoch 1937 an das in Potsdam neu gegründete Heeresarchiv abgegeben werden mußte, das bei dem am 14. April 1945 erfolgten britischen Bombenangriff zum größten Teil verbrannte. Die geretteten Archivalien wurden nach 1945 vom Zentralen Staatsarchiv der DDR in Potsdam übernommen, dann 1968 an das Zentrale Staatsarchiv in Merseburg - wohin nach 1945 die kriegsverlagerten Archivalienbestände des Geheimen Staatsarchivs gelangt waren - weitergeleitet und kamen schließlich nach der Wiedervereinigung Deutschlands von dort 1993/94 nach Berlin zurück. Alle Zeichnungen der Tore weisen denn auch auf der Rückseite den Stempel "Heeresarchiv - Potsdam, Kartenarchiv" auf.

Unter den verloren geglaubten Entwürfen Stülers befindet sich der Originalentwurf des Königstors, den man auch noch in Baldur Kösters "Königsberg. Architektur aus deutscher Zeit" (2000) vermißt. Die lavierte Federzeichnung im ungefähren Maßstab eins zu 170 auf einem 38 mal 28,5 Zentimeter großen Blatt ist rechts unten von "Stüler", allerdings ohne Datum, signiert. Bliß datiert sie "um 1850". Da aber auf der Rückseite "Entwurf zur Facade des Königs-Thors in Königsberg von Stüler. Remithirt von Maj. v. Dechen den 24t(en) Dez(em)ber 46" vermerkt ist, muß der Entwurf spätestens 1846 entstanden sein. Die noch heute auf dem Schlußstein des Gewölbes der Tordurchfahrt vorhandene Jahreszahl "1846" sichert das Baudatum.

Auf Stülers Entwurf des Königstors sind bereits die Konsolen der drei Statuen eingetragen. Die schmalen Öffnungen unter den Blendbögen dienen also zur Verankerung der schweren Sandsteinskulpturen, mit deren Ausführung Wilhelm Ludwig Stürmer (1812-1885), ein namhafter Künstler der Berliner Bildhauerschule, beauftragt wurde. Am 12. April 1847 schreibt Stürmer an den Maler Julius Rafael Knorre (1804-1884) in Königsberg: "Durch die Gnade des Königs sind bei mir die drei Standbilder für das neue Königstor bestellt worden und zwar in Sandstein, acht Fuß hoch. Um diese in historischer Wahrheit genau wie möglich darstellen zu können, fehlen mir einige Quellenstudien. Durch sie würde mir größere Sicherheit und Beruhigung bei dem Werke gewährt werden. Ich ersuche Sie, mir das Grabmahl Herzog Albrechts I. zeichnen zu lassen; ein in verständlicher Größe genommener Umriß ist hinreichend [...]"

Leider sind die Entwürfe Stürmers, die als Grundlage für die Rekonstruktion der Statuen hätten dienen können, verschollen. Wo ist der künstlerische Nachlaß des Bildhauers verblieben, dessen Sterbejahr in keinem Lexikon zu finden ist? Nachforschungen haben zwar ergeben, daß Stürmer nach dem Zeugnis bisher unpublizierter Archivalien 1885 in Berlin den Freitod wählte, aber seine Entwürfe lassen sich bisher nirgendwo nachweisen.

Auf Stülers Originalentwurf des Königstors sind zudem nachträgliche Bleistiftkorrekturen zu beobachten. Der Mittelteil mit den Ecktürmchen und den Dachzinnen ist erhöht, die Anzahl und die Form der Zinnen sind verändert und auf den unteren Öffnungen der Blendbögen sind die Umrisse der später aufgemalten Wappen der drei Herrscher skizziert. Bei diesen "Nachbesserungen", die auch am Bau ausgeführt wurden, muß es sich um Änderungswünsche des Königs handeln. Solche vom Bauherrn mit Bleistift direkt in die Architekturpläne seines Architekten eingetragene Korrekturen, mitunter mit handschriftlichen Bemerkungen, finden sich des öfteren in Stülers Entwürfen im ganzen. H. L.
 
     
     
 
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