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Eine Rückkehr ist selbstverständlich

 
     
 
Wi Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung. Dieser Entschluß ist uns erns und heilig im Gedenken an das unendliche Leid, welches im besonderen das letzte Jahrzehn über die Menschheit gebracht hat." Dies sind die wohl bekanntesten Sätze aus de "Charta der deutschen Heimatvertriebenen", die am 5. August 1950 in Stuttgar auf einer Großkundgebung
in Gegenwart von Mitgliedern der Bundesregierung, der Kirche und der Parlamente verkündet wurde. Sie wurde in allen Teilen Deutschlands bestätigt Die deutschen Vertriebenen setzten damit vor aller Welt ein Zeichen ihre Versöhnungsbereitschaft.

Die Unterzeichner der Charta forderten Anerkennung und Verwirklichung des "Recht auf die Heimat als eines der von Gott geschenkten Grundrechte der Menschheit". Un zumindest in der ersten Zeit standen sie damit auch international nicht allein. Daß die Vertreibung der Deutschen auch von einigen demokratischen polnischen und tschechische Exilpolitikern scharf kritisiert wurde, ist heute fast vergessen. So wehrte sich noch in Oktober 1944 der Chef der polnischen Exilregierung in London, Stanislaw Mikolajczyk, gege Churchills Drängen, die polnischen Grenzen in Richtung Oder und Neiße auszudehnen. Un für den nicht-kommunistischen "Tschechischen Nationalausschuß" unterschrie General Prchala am Vortag der Verkündung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen ei Übereinkommen mit der "Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutsche Interessen", in dem es heißt: "Beide Teile betrachten die Rückkehr de vertriebenen Sudetendeutschen in ihre Heimat als gerecht und dabei selbstverständlic … Beide Teile lehnen die Anerkennung einer Kollektivschuld und des aus ih fließenden Rachegedankens ab." Diesem versöhnlichen Tonfall machte der Kalte Krie den Garaus.

Bald sprach man – nicht nur östlich des Eisernen Vorhangs – beschönigen von "Aussiedlung". Auch der Westen tat sich schwer, war er doch selbst a Abschluß des Potsdamer Abkommens beteiligt. Der Druck auf die Vertriebenen war hoch. Die Alliierten befürchteten die Entstehung einer dauerhaften Quelle politische Unzufriedenheit im Lande. Eine politisch wirksame Selbstorganisation war in der Zeit de alliierten Besatzung der Westzonen zunächst nicht möglich. So konnten auch die Ostdeutschland erst 1948 bis 1950 an die Gründung einer eigenen Freundeskreis sowie eine eigenen Presseorgans gehen. Die deutschen Vertriebenen stellten im Prinzip schon aufgrun ihrer Zahl ein erhebliches Unruhepotential dar. Daß sie es tatsächlich nicht wurden sondern sich friedlich integrierten, ist auch auf ihre Charta von 1950 zurückzuführen.

Seither wurde dieses Bekenntnis zum Gewaltverzicht jedes Jahr von den verschiedene Vertriebenenorganisationen wiederholt. Die Bedeutung einer solchen Erklärung wir deutlich, wenn man bedenkt, wieviele politische Flüchtlingsorganisationen auf der Wel einen solchen Verzicht über lange Zeit nicht geleistet haben. Zu nennen seien etwa die Gruppierungen der Palästinenser, die bewußt jahrzehntelang die Integration in de arabischen Bruderländern verweigerten, um ihr Problem politisch virulent zu halten.

Seit den späten sechziger Jahren hatte man sich insbesondere in de antiparlamentarischen linken politischen Presse – aber nicht nur dort – angewöhnt, von "Berufsvertriebenen" oder gar "Revanchisten" zu sprechen. Daß man dabei nicht selten, absichtlich oder nicht, SED-Vokabular gebrauchte machte die Nachdenklicheren stutzig. Der Gewaltverzicht der Vertriebenen wurde böswilli und unterschwellig so umgedeutet, als ob ein Recht auf die Heimat nur gewaltsam möglic sei und daß im Umkehrschluß ein Gewaltverzicht gleichzeitig den Verzicht auf da völkerrechtlich verbindliche Heimatrecht für die Ostdeutschen bedeuten müsse.

Die Vertreibung von 15 Millionen Deutschen aus ihren angestammten Wohngebieten sowi die Tötung von über zwei Millionen Zivilisten bleibt jedoch das Unrecht, als das es die Charta der Heimatvertriebenen gegeißelt hat. Wenn bereits im Potsdamer Abkommen dafü beschönigende Ausdrücke wie "transfer" und "removal" (etwa "Umzug") gebraucht wurden, dann ist darin schon das Unwort der 90er Jahr "ethnische Säuberung" angelegt. Massenvertreibungen, das ist und bleib geltendes Völkerrecht, sind Bestandteil der Liste der strafbaren "Verbrechen gege die Menschlichkeit". Wer diese akzeptiert, stellt sich außerhalb der geltende völkerrechtlichen Friedensordnung. Das "Recht auf die Heimat", wie es die Charta fordert – auch das Recht auf Rückkehr in die Heimat –, ist daher da wirksamste Mittel für die Verhinderung neuen Unrechts. Die Charta der deutsche Heimatvertriebenen ist fünfzig Jahre alt und doch ein Dokument von großer Aktualität.

Antonia Radelbeck

 
     
     
 
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