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Einst blieb ihnen nur das Kloster

 
     
 
Jeder arbeitet wie er kann. Ich bin einverstanden damit, daß meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind. Viele fühlen jetzt die Verpflichtung, wirken und helfen zu wollen, aber mein Weg ist klar und einleuchtend; andere gehen unklare Wege ..." Diese Worte der Königsbergerin Käthe Kollwitz umreißen knapp und klar das Lebensmotto, nach dem die Künstlerin einst angetreten ist. "Wirken" in ihrer Zeit, klare Wege gehen wollten auch viele andere Frauen im Laufe der Jahrhunderte. Einige sind in die Geschichte eingegangen, andere - und das ist der weitaus größere Teil - sind im Dunkel der Vergessenheit verschwunden. Geschichte wird meist von Männern geschrieben, sagt man, und die sehen die Leistungen so mancher Frauen als nicht besonders erwähnenswert an. Verschwindend gering ist demnach der Frauenanteil in den Geschichts
büchern.

Man denke nur an die in Ost- oder Westpreußen geborenen Frauen, die ihre Zeit prägten, wie etwa die Astronomin Catharina Elisabeth Hevelius (1647-1693), die Schriftstellerin Luise Adelgunde Gottsched (1713-1762) oder Gräfin Caroline von Keyserlingk (1727-1791), einst geschätzter Mittelpunkt des geistigen Lebens in Königsberg. Nicht zu vergessen die Theaterdirektorin Johanna Caroline Schuch (1739-1787), die Schriftstellerin und Philosophenmutter Johanna Schopenhauer (1766-1838), die Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Fanny Lewald (1811-1889), Ida v. Kortzfleisch (1850-1915) - sie gründete die Landwirtschaftlichen Frauenschulen, Elisabet Boehm (1859-1943), die Gründerin der deutschen Landfrauenbewegung, oder die Dichterin Agnes Miegel (1879-1964). Sie alle waren ihrer Zeit meist voraus, prägten ihre Welt nachhaltig.

Es gab schließlich Zeiten, da mußten Frauen ins Kloster gehen, um intellektuell oder künstlerisch zu arbeiten. Dort wurde gelesen, aber auch geschrieben, komponiert und gemalt. Der Preis für diese innere Freiheit war allerdings ein Leben in völliger Abgeschiedenheit. Meist illustrierten die Nonnen die Heilige Schrift, sie schufen aber auch herrliche Altarbilder und Fresken.

Im 17. Jahrhundert galt die Kunst bereits als angesehenes Metier, doch Frauen waren dabei eine Seltenheit. Sie stammten entweder aus dem Malermilieu (als Töchter, Ehefrauen oder Witwen) oder aus der Oberschicht, denn eine Malerausbildung kostete ein stattliches Lehrgeld. Die Akademien lösten im 18. Jahrhundert die Zünfte und Gilden ab, in denen die Maler organisiert sein mußten, um Aufträge zu erhalten. Auch sie waren eine reine Männerdomäne. Frauen wurden nur in Ausnahmefällen aufgenommen, daran änderte auch die Französische Revolution nicht viel. Frauen fehlten somit die Kenntnisse für die damals hochangesehene Historienmalerei, da es ihnen verwehrt war, in der Akademie das Zeichnen antiker Skulpturen, das Kopieren alter Meister und das Aktstudium am lebenden Modell zu erlernen. Ihnen blieb "nur" die Porträtmalerei, die sie allerdings in großer Meisterschaft ausführten.

Auch im 19. Jahrhundert war es für Frauen noch nicht selbstverständlich, als freie Künstlerinnen zu arbeiten. Nur vereinzelt gelang es ihnen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, den Besuch einer Akademie durchzusetzen, meist auch nur durch allerhöchsten Befehl. In der 1845 gegründeten Königsberger Kunstakademie zum Beispiel fanden Frauen immerhin schon ab 1890 Aufnahme. In Weimar etwa wurden Frauen nur nach Ermessen von Direktor und Kollegium zugelassen, an anderen Akademien in separaten "Damenklassen" isoliert. An der Stuttgarter Königlichen Akademie der Bildenden Künste wurden 1906 ganze zwölf Studienplätze an Frauen vergeben. Jede Bewerberin mußte - bis mindestens 1913 - ein schriftliches Einverständnis der Eltern vorweisen, wozu sonst nur minderjährige Bewerber verpflichtet waren, und über ihre persönlichen und familiären Lebensumstände informieren.

Noch 1912 / 13 wurde ein Gesuch an das preußische Abgeordnetenhaus zu Berlin abgelehnt, das sich um die Zulassung von Frauen an der Berliner und Düsseldorfer Kunstakademie bemühte, denen dort der Zugang bislang generell verwehrt war. Als Begründung wurde angeführt, daß man den Frauen das Kunststudium nicht erleichtern wolle, um einen allzu großen Andrang von Frauen an den Akademien "aus Mangel an anderen geeigneten Berufen für gebildete Frauen" im Ansatz zu unterbinden. Und im selben Jahr hielt der Abgeordnete Ferdinand von Miller eine Rede, in der er - ohne daß in der Bevölkerung oder gar im Parlament auch nur die Spur eines Sturms der Entrüstung ausgebrochen wäre - Folgendes behauptete: "Vor 100 Jahren mußten die jungen Fräuleins Nähen und Stricken lernen; jetzt tun das die Maschinen; aber die Damen waren damals beschäftigt. Selbstverständlich wollen sie auch jetzt eine Tätigkeit haben und werfen sich deshalb sehr häufig auf die Kunst. Wenn auch vielleicht zehn Prozent von ihnen ein wirklich ernstes Streben haben, 90 Prozent ist es doch nur darum zu tun, die Zeit herum zu bringen, bis ein glücklicher Gatte kommt, der sie von der Kunst wegholt."

Erste Zeichen- und Kunstschulen boten da Abhilfe. Bei renommierten Künstlern fanden Frauen eine meist solide Ausbildung. Lovis Corinth, der Meister aus Tapiau, gründete 1900 in Berlin seine "Malschule für Weiber", die regen Zuspruch fand. - Ein glücklicher Zufall führte 1901 auch Charlotte Berend in diese Malschule in der Klopstockstraße 48. Drei Jahre später war sie mit dem erfolgreichen Maler verheiratet. Ihre Kunst aber übte sie auch nach der Familiengründung (mit zwei Kindern) aus, wenn sie ihr Talent auch hinter dem des Ehemannes zurückstellen mußte. So forderte Corinth sie auf, nicht die gleichen Motive wie er selbst zu malen. Vor allem den Walchensee hatte er für sich "reserviert".

Charlotte entwickelte schließlich ihre schöpferischen Kräfte und schuf Bilder, die keineswegs abhängig waren von ihrem großen Lehrer. Nach dessen Tod eröffnete sie im Jahr 1927 sogar eine eigene Malschule in der Klopstockstraße 48 ...

Käthe Kollwitz erinnerte sich an ihre Anfänge als Künstlerin: "Ich will zurückgehen darauf, daß der Vater schon seit meiner Kindheit den ausgesprochenen Wunsch hatte, mich zur Künstlerin heranzubilden, zugleich in dem Gedanken, es würden sich da nicht große Hemmungen dazwischen schieben. So ließ er von meinem 14. Jahre ab mich von den besten Kräften in Königsberg unterrichten. Zu allererst bei Kupferstecher Mauer, später bei Emil Neide ... Da ich als Mädchen keine Zulassung zur Akademie hatte, bekamen ich und eine junge Tilsiterin Privatstunden bei Neide ..."

Später studierte die 1867 geborene Kollwitz an der Schule des Berliner Künstlerinnenvereins und besuchte 1904 in Paris die berühmte Académie Julian.

Nach dem Ersten Weltkrieg dann hatten sich die Zeiten gewandelt: Käthe Kollwitz erhielt 1919 einen Lehrstuhl an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin. - Auch Paula Modersohn-Becker hatte die Berliner Künstlerinnenschule besucht; zuvor jedoch hatte sie ersten privaten Zeichenunterricht in London erhalten (1892).

Nicht anders erging es Frauen in anderen Ländern; oft genug standen sie dazu im Schatten begabter Männer, wie etwa Camille Claudel, die Schülerin und Lebensgefährtin Rodins, oder Marianne von Werefkin, die Partnerin des Malers Alexej von Jawlensky.

Heute ist es für Frauen längst eine Selbstverständlichkeit, Universitäten und Akademien zu besuchen. Ohne die Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit, ohne den Einsatz vorangegangener Generationen aber wäre dies wohl kaum möglich.

Unterricht für alle: In England fanden Frauen bereits ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Aufnahme an Kunstschulen. The Illustrated London News, 1881
 
     
     
 
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