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Ergeht es den USA wie dem alten Rom?

 
     
 
Gespenstische Blitze und hämmerndes Dröhnen amerikanischer Bomben und Raketen, die den Nachthimmel von Bagdad schaurig erleuchten, untermalen das fiebrige Selbstverständnis eines Landes, das ohne völkerrechtliche Billigung Angriffskriege führt.

Emmanuel Todd analysiert die globale Position der USA nach dem Ende des kalten Krieg
es. In letzter Zeit hätten sich die USA, der "gutmütige Riese" der 50er Jahre, in einen "Faktor der internationalen Unordnung" verwandelt.

Die Amerikaner verarbeiteten den Schock des 11. September falsch, bekämpften die Al Quaida mittels irrationaler Methoden und ersetzten Politik und Diplomatie durch Gewalt. Ein "narzißtisches, unberechenbares und aggressives Amerika" verliere seine weltweite Machtposition und fürchte, von der "Nützlichkeit in die Überflüssigkeit" zu geraten. Kriege gegen "Zwerge" wie den Irak suggerieren, daß ohne Amerika die Weltordnung nicht zu sichern sei.

Obwohl die Sowjetunion von der Bühne abtrat, gingen die USA nicht in den "wohlverdienten Ruhestand", sondern verirrten sich im Sumpf des "imperial overstretch", ungeachtet dessen, daß ihre Kraft für eine weltweite Hegemonie nicht ausreicht. Das wichtigste Symptom der amerikanischen Krise sieht Todd in der negativen Handelsbilanz der USA begründet. Die Produktivität der amerikanischen Industrie ist rückläufig. Dank des Zustromes ausländischen Finanzkapitals konsumieren die USA mehr, als sie herstellen, ähnlich dem drohnenhaften Italien der römischen Kaiserzeit. Aber die Luftblase der Aktien und des hohen Dollarkurses müsse eines Tages platzen.

Statt nun die eigene industrielle Basis und technologische Forschung zu stärken, gehen die Amerikaner den "Weg des geringsten Widerstandes", kaufen statt zu verkaufen und beanspruchen die "politische Kontrolle über die Ressourcen des Planeten". Die ameri- kanische Führungsschicht glaube, um "Hegemonie" kämpfen zu müssen, wolle sie die luxuriöse Lebensweise ihrer Bürger erhalten. Gleichzeitig entwickele sich die Demokratie in den USA zurück; es finde ein Prozeß statt, der die Gesellschaft oligarchisiere und soziale Ungleichheit verstärke. Angesichts des amerikanischen Vorgehens, so Todd, kooperieren Europa und Rußland immer enger und isolieren die USA.

Todd widmet sich auch dem Phänomen des islamischen Terrorismus. Die Verschwörung einer "Achse des Bösen" habe Bush erfunden. Im Fundamentalismus sieht Todd das "Übergangsphänomen" einer Kultur, die sich innerhalb kurzer Zeit modernisiere. Dieses Zwischenstadium verursache geistige Entwurzelung und münde temporär in den Terrorismus. Sobald Bildung und Geburtenkontrolle ein bestimmtes Maß erreichen, beschreiten alle Länder mehr oder weniger die Bahn der liberalen, marktwirtschaftlichen Demokratie, deren Anhänger sich nicht wechselseitig bekriegen. Inwieweit dieses opti- mistische Schema den Tatsachen entspricht, bleibt abzuwarten.

Lesenswert ist dieses Buch vor allem deshalb, weil Todd gut herausarbeitet, daß die jetzige amerikanische Weltpolitik die Schwäche der USA verrät. Bush beschleunige nur den Prozeß der Zerrüttung des eigenen Landes. Die USA werden bald die Multipolarität der Welt anerkennen und auf ihre Weltmachtrolle verzichten. Todd hat sein Buch schwarz umrandet - wie ein Beileidstelegramm. Rolf Helfert

Emmanuel Todd: "Weltmacht USA. Ein Nachruf", Piper Verlag, München 2003, 264 Seiten, 13 Euro
 
     
     
 
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