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Keine nur islamische Bibel

 
     
 
Eine heilige Messe in einer beliebigen Stadt Deutschlands. Man ist bei den Fürbitten. "Für die Muslime, die auf ihre Weise zu dem einen Gott beten" - "Christus erhöre uns". Man könnte hinzufügen: "Daß so viele Christen von ihrer Naivität gegenüber dem Islam erlöst werden". Denn unabhängig von der theologischen Frage des Gottesbildes im Islam und im Christentum hat der Islam einen innerweltlichen Anspruch, der mit den Grundrecht
en einer freiheitlichen Demokratie nicht in Einklang zu bringen ist. Und das wird in den lauen Lebenslagen dieser Republik gefällig ignoriert oder als Erkenntnis schlicht verweigert.

Aber darum geht es zunächst, um das Selbstverständnis der Muslime. Es gehört zu den großen Irrtümern unserer Zeit und auch etlicher Prälaten und Bischöfe zu glauben, der Islam sei Teil der abrahamitischen Tradition, so wie die Kirchen sie immer gesehen haben. Der Monotheismus ist zweifelsohne Teil dieser Tradition, der Koran dagegen nicht. Der Koran ist keine "nur islamische Bibel", er ist nicht Teil der Offenbarung Gottes, auch wenn das Zweite Vatikanische Konzil von den muslimischen Gläubigen sagt, "sie beten den alleinigen Gott an ... den Schöpfer des Himmels und der Erde". Die Christen sehen in den Muslimen Gläubige des einen Gottes, auch wenn ihr Gottesbild sich sehr von dem Allahs unterscheidet.

Ganz anders die Muslime selbst, ja, es ist genau umgekehrt. Für sie ist der Islam die einzig wahre Religion, die Christen Götzengläubige, wenn auch keine Heiden. In Sure 36 etwa heißt es: Der Koran "ist vom Mächtigen und Barmherzigen herab gesandt, damit du Leute warnst ...", und in der Sure 39: "... her-ab gesandt ist die Schrift und kommt von Allah, dem Mächtigen und Weisen." Der Internationale Islamrat, eine Art Konzil muslimischer Gelehrter, hat im September 1981 ein "Lehrschreiben" über die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Islam" erlassen, in der die allgemeinen Menschenrechte zunächst auf die Menschenrechte im Islam reduziert werden - das heißt eigentlich nur für Männer gültig - und dann "kraft ihrer göttlichen Herkunft" gesehen werden als "verpflichtende Rechte, von denen nichts gestrichen, aufgehoben oder ausgesetzt werden kann. Auch dürfen sie weder verletzt noch darf auf sie verzichtet werden."

Jesus ist demnach nur ein Prophet, ein Vorläufer Mohammeds, ferner ist für sie die Dreifaltigkeit Vielgötterei, eine Art Götzenanbetung. Da die Christen aber immerhin gläubig sind, gibt man ihnen die Chance zur Bekehrung oder gewährt ihnen ein Leben als "Dhimmis", als Schutzbefohlene oder Bürger zweiter Klasse. Für radikale Muslime allerdings ist das nur eine Option. Der Koran ermöglicht noch andere. Zum Beispiel die in der Sure 2 vorgegebenen Aufrufe zum Kampf: "Euch ist vorgeschrieben, gegen die Ungläubigen zu kämpfen, obwohl es Euch zuwider ist" (Sure 2, 216), oder: "Und kämpft gegen sie, bis niemand mehr versucht, Gläubige zum Abfall vom Islam zu verführen, und bis nur noch Allah verehrt wird" (2, 193). Und in einer Übersetzung eines Muslims heißt es noch: "Und tötet sie, wo immer Ihr auf sie stoßt, und vertreibt sie, von wo sie Euch vertrieben haben" (2, 191). Oder auch die Sure 9, 5: "Und wenn die verbotenen Monate verflossen sind, dann tötet die Götzendiener, wo immer Ihr sie findet, und ergreift sie und belagert sie und lauert ihnen aus jedem Hinterhalt auf." Dabei ist zu bedenken, daß Kampf keineswegs nur das verbale Ringen unserer konsenssüchtigen Demokraten meint, sondern durchaus Gewaltanwendung einschließt.

All diese Suren - man könnte noch einige mehr zitieren - sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Dort heißt es bekanntlich in Artikel 2: "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit." Auch das Strafgesetzbuch steht dem entgegen, etwa in den Paragraphen 223 (Körperverletzung) oder 212 (Totschlag). Dasselbe gilt für das Völkerstrafgesetzbuch, für die UN-Charta, die Europäische Menschenrechtskonvention und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union. In all diesen für das Staatswesen im jüdisch-griechisch-christlichen Kulturkreis grundlegenden aktuellen Texten wird Toleranz gefordert. Auch reli- giöse Toleranz. Das muß natürlich auch für die Muslime gelten, die in diesem Kulturkreis leben, und zwar als Objekte wie auch als Subjekte der Toleranz. Aber Toleranz im westlichen Sinn ist nicht das Gebot des Koran. Das ist das Problem, nicht das Tragen eines Stückes Stoff. Das religiös konsequente Verhalten von Christen und Muslimen entspricht ihrer Religion, sofern sie eben praktizierende Gläubige sind. Für den Christen heißt das: Nächstenliebe, Achtung vor dem anderen, Achtung vor der Freiheit des anderen. Für den Muslim: Unterwerfung des anderen unter den Islam, wenn es geht, friedlich. Hinzu kommt, daß Christen ihren Glauben zwar in der Welt verwirklichen, aber persönlich. Der Sauerteig durchwirkt den Teig. Muslime verwirklichen ihren Glauben kollektiv, wie ein Programm für die Gesellschaft. Und das Programm ist total, ja totalitär und universal ausgreifend, es ist eine Ideologie. Es umfaßt die gesamte Gesellschaft. Es gibt keine Trennung zwischen Staat und Religion. Die Türkei ist ein islamischer Sonderfall. Sie hat ihren Höhepunkt der versuchten Aufklärung wahrscheinlich schon überschritten, jedenfalls gewinnt die Grundwelle des Fundamentalismus jenseits des Bosporus immer mehr an Boden.

Der Islam kennt die Trennung von Staat und Religion nicht. Die Türkei ist eine Ausnahme, eine Momentaufnahme in der Geschichte des Islam, und in der Praxis verschwimmt auch dort die Trennung. Christen werden allenfalls geduldet, von den 20 Prozent, die die Christen zur Zeit Atatürks an der Bevölkerung ausmachten, ist noch ein Prozent übrig. Neue Kirchen sind theoretisch erlaubt, de facto verboten, realiter auch seit Jahrzehnten nicht mehr gebaut worden. Das einst weltoffene Istanbul hat einen Schleier übergezogen. In den anderen islamischen oder islamisch geprägten Ländern werden Frauen als Besitz angesehen, ist Polygamie normal und Menschenwürde eine Angelegenheit der Tee trinkenden oder Qat kauenden Männer. Vor solchen Männern ist es in der Tat ein Schutz, Kopf und Körper zu verhüllen. In Europa herrschen andere Sitten, auch Unsitten gewiß, aber die Menschenwürde gilt auch für Frauen, mit und ohne Kopftuch.

Natürlich gibt es muslimische Gelehrte, die wie der Iraner Modschtahed Schabestari oder der Syrer Bassam Tibi sich gegen jede Theokratie aussprechen und für einen interreligiösen Dialog plädieren. Aber sie geraten zunehmend ins Abseits. Sie werden vor allem im Westen gehört. Die Bücher Bassam Tibis werden im Westen gekauft, überwiegend in Deutschland. Und Schabestari lehrt und forscht jetzt als Fellow der Kulturstiftung des Bundes am Wissenschaftskolleg in Berlin. Dort, zum Beispiel an der Katholischen Akademie, gibt es auch Gesprächsabende über "Erfahrungen aus christlich-islamischen Ehen", Veranstaltungen, die in islamischen Ländern nicht denkbar sind. Auch in Frankreich wogt die Diskussion. Unter Intellektuellen wird heftig über den Genfer Islamisten und Theologen Tarik Ramadan debattiert, ein schlauer Prediger, der den Laizismus bemüht, um das Kopftuch als nur religiöses Symbol darzustellen und damit im Namen der religiösen Toleranz hoffähig zu machen. Auch hier wieder: Es sind Diskussionen im Westen. Im Orient finden sie nicht statt, können sie auch nicht in der Breite stattfinden, weil die medialen Plattformen fehlen und der kollektive Zwang sowie die sozioreligiösen Strukturen solche Diskussionen weitgehend verhindern.

Der Vater des jetzigen amerikanischen Präsidenten hat die Ära nach 1989 einmal mit einem Begriffstri-ptychon umschrieben: Menschenrechte, Menschenwürde, Freiheit. Aber das ist die Beschreibung westlichen Denkens. Der abendländische Logos ist keine Kategorie des Denkens für den Islam. In der Tat, die Begegnung westlicher Kultur mit islamischem Denken ist im verflossenen Jahrhundert des Öls zu einem Crash gewor- den. Sie hat Kräf-te wachgerüttelt, die man überwunden glaubte. Die Revolution vor nunmehr 25 Jahren im damals fortgeschrittenen Persien war ein Ergebnis. Das Aufflammen des Fundamentalismus in Ägypten in den 30er Jahren, das Aufbäumen der Radikalen in Algerien in den 90ern, die Herrschaft der Taliban und die Christenverfolgungen in Indonesien und Pakistan oder auch der Selbstmordterror aus Palästina und der Al Kaida sind weitere Zeichen an der Wand des Weltgeschehens. Der Westen rieb an Aladins Lampe, und der Geist kam aus der Flasche. Die Politik hat einen geopolitischen Begriff gefunden für diese Kulturzone sozialer und politischer Unruhe. Man nennt die betroffenen Regionen in Anlehnung an das osmanische Symbol des Halbmondes den Krisenbogen zwischen Gibraltar und Hindukusch.



 
     
     
 
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