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Europa und die Deutsche Nation

 
     
 
Auf einer Veranstaltung zum 10. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung, zu der die konservative Journalistenvereinigung "Stimme der Mehrheit" gemeinsam mit de "freiheitlichen Akademikerverband" und dem "neuen Club" nach Salzbur eingeladen hatte, hielt der Publizist, Buchautor und frühere Generalmajor der Bundeswehr Gerd Schultze-Rhonhof, den Festvortrag. Sein Thema lautete "10 Jahre deutsch Wiedervereinigung – Europa und die deutsche Nation". Die wesentlichen Passage dieser bemerkenswerten Rede, die bei den deutschen wie bei den österreichischen Zuhörer großen Beifall fand, dokumentiert Das in mehreren Fortsetzungen.

Zehn Jahre Wiedervereinigung" und "Europa und die deutsche Nation" – zwei Themen, die sich nahtlos ineinander fügen. Die Frage ist nur – wie Haben sich zwei Teile des deutschen Volkes wiedervereinigt, um als eine Nation in eine National
staat zu leben? Oder haben sich die zwei Teile vereinigt, damit auch die DDR übe dieses Zwischenziel Teil der Europäischen Union werden darf, wie Altbundeskanzler Dr Kohl den Vorgang nachträglich interpretiert hat?

Um die Frage "War die Wiedervereinigung Ziel oder Zwischenziel?" einigermaßen schlüssig zu beantworten, will ich in zwei Schritten vorgehen. Erstens: Wa versteht man in unserem Land unter deutscher Nation? Zweitens: Was stellt man sich in Deutschland, Frankreich und England unter einem gemeinsamen Europa vor?

Im Begriffspaar "Deutsche Nation" steckt als ein Teil die Nation. Die Wort Nation und Volk werden im Umgangsdeutsch und im politischen Sprachgebrauch synony verwendet. Im internationalen Sprachgebrauch unterscheidet man sie ohnehin meist nicht. S heißt der Völkerbund auf Französisch "Société des nations", un Völkerrecht nennt man auf Englisch "Law of nations". Erlauben Sie also, da auch ich zwischen Volk und Nation hin- und herspringe.

Die meisten Deutschen – da bin ich sicher – fühlen sich dem deutschen Volk zugehörig. Und dennoch, wenn ich hin und wieder vor größerem Kreis vom deutschen Vol spreche, gibt es in aller Regel merkwürdige Diskussionen. Da fragen Leute: "We gehört zum deutschen Volk, auch Türken mit deutschem Paß?" Den Sinn der Frage kan ich noch nachvollziehen. Manche aber sagen auch: "Deutsches Volk, das klingt nac völkisch, nach Drittem Reich. Der Begriff ist belastet. Ich mag ihn nicht." Viel Leute allerdings äußern das nicht so direkt. Sie vermeiden den Begriff und spreche statt dessen von Gesellschaft.

Eine Mehrheit der Bundestagsabgeordneten in Berlin – auch das gehört dahin – fühlt sich allen Bewohnern unseres Landes verpflichtet und nicht nur den Deutschen. Si haben eine Umwidmung des Bundestags versucht, indem sie in einem Innenhof in monumentale Lettern die Widmung "Der Bevölkerung" anbringen ließen. Die alte Widmun "Dem Deutschen Volke" vom Portal des Reichstags abzunehmen haben sie bis dat nicht gewagt. So gewöhnen wir uns in der Bundesrepublik mit der Zeit daran, kein Volk un keine Nation zu sein. Statt dessen sind wir Gesellschaft, Bevölkerung, deutsch Staatsangehörige oder "die Menschen da draußen im Land".

Die Ängste und Aversionen vor dem eigenen Namen "Deutsches Volk" hat jüngs ein deutscher Politiker formuliert. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Dr. Zöpel wird im Magazin "Der Spiegel" damit zitiert, daß er die Deutschen nicht mag Von der Wochenzeitung "Junge Freiheit" dazu befragt, verweist er zunächs darauf, falsch und aus dem Zusammenhang gerissen zitiert worden zu sein. Dann antwortet e in Frageform.

So fragt er nach dem deutschen Verständnis von Nation. Ist nur deutsch, wer deutsche Abstammung ist? Wenn ja, dann wären die Masuren, Kaschuben und weiter Bevölkerungsgruppen anderer Abstammung im Deutschen Reich keine Deutschen gewesen.

Ist deutsch, wer die deutsche Sprache spricht? Wenn ja, dann wären auch die Österreicher, die Mehrheit der Schweizer und ein Teil der Belgier und der Italiene Deutsche.

Der Staatsminister zeigt damit eine Problematik in unserer ethnographische Begriffswelt an. Er mag außerdem – das kann man seinen weiteren Antworten entnehme – weder den Begriff deutsch noch das Wort Volk noch die Nation. Staatsminister Dr Zöpel begreift die Nationalität, wie es die Franzosen tun, als Zugehörigkeit zu eine Staat. Und er bekennt, daß er die Menschen, die in der Bundesrepublik Deutschland leben mit ausgesprochenem Stolz und Engagement vertritt.

Auch diese zwei Aussagen fahren auf zwei verschiedenen Gleisen. Er bekennt sich zu Gemeinschaft der deutschen Staatsangehörigen, und er vertritt mit Stolz die Wohnbevölkerung unseres Landes. Auch das sind ja wieder zwei verschiedene Personenkreise.

Nun ist es einerseits Dr. Zöpels Privatmeinung, wen er gerne vertritt und mit wem e sich identifiziert. Doch andererseits ist er Amtsperson. Das ist er mit unserem Mandat. S darf ich seine Meinung kommentieren.

Wer die Nation und das Volk durch eine Gemeinschaft von Staatsangehörigen ersetzt ersetzt ein Ganzes durch die Summe seiner Teile. Was beide unterscheidet, ist der Kitt der aus den Teilen erst ein Ganzes macht. Dieser Kitt ist die empfundene Gemeinsamkeit die Solidarität und das Bewußtsein einer Identität, die der Nation innewohnen, nich aber der Summe von Staatsbürgern als Individuen. Der Unterschied des Ganzen von seine Teilen war und ist und bleibt nicht ohne Wirkung. Ich beginne mit der Vergangenheit.

Es war ja gerade die Frucht dieser Geisteshaltung, daß ein großer Teil de westdeutschen politischen Elite nur noch die eigenen Staatsbürger wahrnahm und vertra und nicht mehr die Nation. Dieser Teil der politischen Elite empfand deshalb auch kein Verpflichtung mehr, dafür zu sorgen, daß die Staatsbürger des deutsche Honecker-Staates mit uns Westdeutschen zu einem gemeinsamen Staat vereinigt wurden: Noc kurz vor der Wiedervereinigung warb die westdeutsche SPD für die Anerkennung de Staatsbürgerschaft der DDR.

Auffallend ist auch, daß ein Teil der politischen Elite darauf versessen war, die Staaten Europas zu vereinen, und gleichzeitig kein Interesse zeigte, die beiden Teil Deutschlands zu vereinen. Man erklärte das mit der Wertegemeinschaft, die die Völke Westeuropas bilden und die es mit der DDR nicht gab. Die Erklärung übergeht da Selbstbestimmungsrecht der Völker und die Einheit der Nation als Werte, und si übersieht, daß die Menschen in der alten DDR überwiegend an die gleichen Werte glaubte wie die Menschen in der alten Bundesrepublik. Der Werteunterschied betraf wohl weniger die Menschen als ihre Regierungs-, Rechts- und Wirtschaftsformen. Doch auch da sollte man die Wertedifferenzen der Staaten Westeuropas nicht übersehen. Nun zur Gegenwart: Im Oktobe 1989 riefen die Deutschen in Leipzig, Dresden und andernorts: "Wir sind ei Volk!" Ich glaube, daß sie riefen, was sie meinten. Die Menschen in der DDR wollte mit uns in der Bundesrepublik eine Nation sein, ein Volk und ein Staat. Viele westdeutsch Verantwortungsträger aber hatten nichts Wichtigeres im Kopf, als den sogenannte nationalen Überschwang der Gefühle zu unterdrücken. Die meisten evangelische Landeskirchen zum Beispiel untersagten das Kirchengeläut am Tag der Wiedervereinigung Die Führung der Bundeswehr verbot Wiedervereinigungsfeiern für ihre Truppen. Daß ic selber mit den Soldaten meiner westdeutschen Panzertruppenschule, mit 200 Soldaten de Nationalen Volksarmee und mit den Bürgern unserer Garnisonsstadt Munster trotzdem ein solche Feier öffentlich abhalten konnte, verdankte ich einer umständlich erwirkte Sondergenehmigung.

Wir hatten in Westdeutschland an jenem Tag offensichtlich nichts Wichtigeres zu tun als das Gefühl, Nation zu sein, zu unterdrücken. Ich sprach eben von der Gegenwart. Die Fortsetzung dieser Unterdrückung einer natürlichen Freude an der eigenen Nation is heute, daß den Menschen in den neuen und in den alten Bundesländern immer wiede versichert wird, daß die Wiedervereinigung erstens nur ein Durchgangsstadium der DDR zu Europäischen Union ist. Dr. Kohl, Dr. Zöpel und viele andere wiederholen das so oft daß es schon wie eine politische Sprechblase wirkt. Und zweitens versucht man de Menschen in der ehemaligen DDR heute weiszumachen, es wäre 1990 vor allem darum gegangen sie an die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in der Bundesrepubli anzuschließen. Ich zitiere Staatsminister Dr. Zöpel aus einem Interview vom 22 September 2000:

"Ich begreife", so sagt er, "die Vereinigung der DDR mit de Bundesrepublik Deutschland als den schnellsten Weg für 16 Millionen Menschen, die in de DDR lebten, die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse herzustellen, welche die Menschen der Bundesrepublik seit 1949 hatten. Das rechtfertigt – bei allen nu denkbaren anderen historischen Abwägungen – die Entscheidung, die 16 Millione Menschen der ehemaligen DDR zu Bürgern der Bundesrepublik Deutschland zu machen."

Wenn das der Hauptgrund für die Wiedervereinigung der geteilten Nation war, wundert e nicht, daß ein Teil der ehemaligen DDR-Bürger heute unzufrieden ist. Denn ihr wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse entsprechen zehn Jahre nach der Vereinigun immer noch nicht denen der Bürger im Westen. Und man versteht, warum ein Teil de Westbürger darüber unzufrieden ist, daß sie Wohlstand und Steuern abgeben müssen. Wen es wirklich nur darum gegangen ist, den Staatsangehörigen eines anderen deutschen Staate zu besseren wirtschaftlichen Verhältnissen zu verhelfen, ist das Gefühl de Unzufriedenheit verständlich. Aber es ging am 3. Oktober 1990 um mehr. Das hat Dr. Zöpe so nicht erfaßt. Die Deutschen in den alten und den neuen Bundesländern werden nur zu einer Nation zusammenwachsen, wenn sie sich als eine Nation empfinden. Die viel beklagte Ressentiments der "Ossis" gegen die "Wessis" und umgekehr verschwinden erst, wenn wir uns wieder als eines begreifen, als ein Volk und eine Nation nicht aber, wenn wir uns nur als eine Menge von Menschen gleicher Staatsangehörigkeit mi wirtschaftlichem Gefälle begreifen.

 

Gerd Schultze-Rhonhof, Autor des Beitrags "Europa un die deutsche Nation", ist vor einigen Jahren aus der Bundeswehr ausgeschieden da er die Aushöhlung der Verteidigungsfähigkeit durch politische Entscheidungen nich länger mitverantwor-ten konnte. Seither tritt er als Buch- und Zeitschriftenautor in Erscheinung. Da er vorzugsweise in konservativen Organen publiziert, geriet er auc mehrfach ins Visier der "political correctness"
 
     
     
 
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