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Faktenverdrehern die Stirn geboten

 
     
 
Nachdem das ARD-Fernsehen sich in drei Folgen mit der Vertreibung der Deutschen aus Ostdeutschland und aus dem Sudetenland beschäftigt hatte, sollte eine Gesprächsrunde, ausgestrahlt über den Sender "Phoenix", den Schlußpunkt setzen. Auf dem Podium saßen vor Publikum (das von der Beteiligung ausgeschlossen war) neben dem ARD-Moderator Jürgen Engert der MDR-Redakteur Dr. Ulrich Brochhagen, der als Koordinator der Reihe gewirkt hatte, der aus Warschau stammende Historiker Prof. Dr. Wlodzimierz Borodziej und der Professor an der Berliner Humboldt-Universität
, Heinrich August Winkler, der sich als politischer Schriftsteller vorstellte.

Nicht nur Prof. Borodziej vertrat den polnischen Standpunkt, was nicht verwunderlich war, sondern mindestens genau so engagiert argumentierten im polnischen Sinne der deutsche Historiker Winkler, der Moderator Engert, der eigentlich über den unterschiedlichen Meinungen hätte stehen sollen, aber immer wieder einseitig Stellung bezog, sowie, wenn auch weniger engagiert, der aus Köln stammende MDR-Redakteur Brochhagen. Die einzige, die den Standpunkt der Deutschen vertrat, war die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach. Sie zeichnete sich durch eine erfreulich klare Haltung ebenso aus wie durch Schlagfertigkeit und Zivilcourage, die vor allem gegenüber der parteilichen Haltung des Moderators notwendig war.

Schon mit seinen ersten Sätzen machte Moderator Engert deutlich, wohin er die Diskussion drängen wollte. Schuld an der Vertreibung der Deutschen seien die Deutschen, an ihrer Spitze ihre damalige Regierung. Unhistorisch behauptete er, Hitler sei sozusagen der Erfinder der Vertreibung als politisches Mittel, dabei außer acht lassend, daß beispielsweise nach dem Ersten Weltkrieg nicht nur Türken und Griechen zu Zigtausenden aus ihrer Heimat vertrieben worden warten, sondern daß zwischen den Kriegen auch 787 000 Deutsche verdrängt wurden aus jenen Gebieten, die durch den Versailler Vertrag Polen zugeschlagen worden waren. Engert und seine Gesinnungsfreunde waren jedoch auf Adolf Hitler fixiert, als sei er der einzige, der im 20. Jahrhundert in Europa Politik getrieben hätte.

Immer wieder versuchten Engert und Winkler den Taschenspielertrick der Aufrechnung in die Debatte einzubringen, wobei Prof. Winkler sein Schuldbekenntnis so weit trieb, daß er Hitler auch verantwortlich machte für die Unfreiheit, unter der die DDR-Bewohner 45 Jahre lang leben mußten.

Erika Steinbach setzte gegen die sich im Kreise drehenden Schuldbekenntnisse die aus dem Verbrechen der Vertreibung der Ostdeutschen resultierenden Fragen des Völkerrechts und der Menschenrechte und spitzte sie auf aktuelle Probleme zu. Dabei wurde sie immer wieder vom Moderator Engert unterbrochen, der sogar versuchte, ihr das Wort abzuschneiden, so daß sie sich energisch sein Eingreifen verbitten mußte. Die Präsidentin des BdV machte deutlich, daß die Vertreibung der Deutschen 1945 ein Bruch des internationalen Völkerrechts war und daß diese völkerrechtswidrigen Handlungen heute noch gerechtfertigt werden, indem die Vertreibungsdekrete in Polen, der Tschechei und in Slowenien nach wie vor in Kraft sind. Unrechtsgesetze, die diesen Staaten die von ihnen angestrebte Aufnahme in die Europäische Union verwehren müßten. Damals wie heute war und ist es unzulässig, Zivilpersonen entschädigungslos zu enteignen. Der Unbelehrbarkeit der polnischen, tschechischen und slowenischen Regierungen stellte Erika Steinbach das Verhalten Ungarns entgegen, das nicht nur das Verbrecherische der damaligen Verfolgung und Vertreibung der deutschen Volksgruppe anerkannt hat, sondern auch bereit war, durch symbolische Gesten wenigstens eine erträgliche Lösung der Besitzansprüche in die Wege zu leiten. Nichts dergleichen in Polen, der Tschechischen Republik und in Slowenien.

Dabei gehe es nicht um Grenzfragen, so Frau Steinbach, sondern um die Menschenrechte, deren Einhaltung beispielsweise in China deutschen Politikern so sehr am Herzen lägen. Zudem sei die Einhaltung der Menschenrechte 1992 in Kopenhagen als Vorbedingung der Aufnahme neuer Staaten in die EU vereinbart worden.

Der Warschauer Historiker erklärte, daß Polen nichts von dem, was nicht nur Frau Steinbach, sondern die EU fordert, umsetzen werde; seine beiden deutschen Fürsprecher Engert und Winkler fanden die Forderungen nach Freizügigkeit und Anerkennung von Besitzansprüchen sogar unzumutbar und ließen durchblicken, daß sie Frau Steinbachs Ausführungen als schädlich für das Zusammenwachsen Europas ansahen.

Erika Steinbach wehrte sich vehement gegen den Vorwurf, sie wolle das Verbrechen der Vertreibung von 15 Millionen Deutschen aufrechnen gegen die Vertreibung von einer Million Polen im Jahre 1940. Mit Fug und Recht wies sie darauf hin, daß das Umgekehrte in der deutschen Öffentlichkeit seit langer Zeit exerziert werde: die politische Klasse hat bislang die Vertreibung der Deutschen stets mit dem Hinweis auf die Vorgeschichte entschuldigt, ja gerechtfertigt.

Ein weiterer Streitpunkt war das von Frau Steinbach initiierte, in Berlin geplante "Zentrum gegen Vertreibung" als Mahnmal gegen alle Vertreibungen. Engert und Winkler fanden es unpassend, daß der Bund der Vertriebenen der Anreger war. Träger müßten auch die polnische und die tschechische Regierung sein. Erika Steinbach fragte, warum andere denn nicht längst vor dem BdV die Initiative ergriffen hätten? Nun habe ihr Verband mit der Arbeit für das Zentrum begonnen. Die polnische Regierung, vom BdV eingeladen mitzuwirken, habe nie geantwortet.

Die Gesprächsrunde belegte einmal mehr, daß permanente deutsche Schuldbeteuerungen keinen Schritt in die Zukunft führen. Wenn sie mit faktenreichen und standhaft vorgetragenen Gegenargumenten konfrontiert werden, wirken ihre Vertreter hilflos. Hut ab vor Erika Steinbach! U. Meixner

 
     
     
 
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