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Familien von Demokratie ausgeschlossen

 
     
 
Unmittelbar vor der Sommerpause des Deutschen Bundestages stellten 36 zumeist jüngere Abgeordnete aus CDU, SPD, FDP und Bündnis 90 / Grüne) gemeinsam einen Gruppenantrag zum Thema „Generationsgerechtigkeit im Grundgesetz“. Sie erklärten dazu, „daß eine generationsgerechte Ausrichtung der Politik nur durch einen breiten, überparteilichen Konsens sichergestellt werden könne“. Das ist gewiß zutreffend, aber es ist zu hoffen, daß in den bevorstehenden Debatten des Parlaments zu den Themen der Zukunftssicherung das deutsche Wahlrecht einbezogen wird, denn ein „Allgemeines Wahlrecht“ gibt es noch nicht.

In einer auf Wahlen gegründeten Demokratie muß das Wahlrecht so gestaltet sein, daß es die für die Zukunft des Landes entscheidende Familienpolitik nicht hemmt oder sie in eine kontraproduktive Richtung führt, sondern daß sie die Politik für die Familien als wichtigste Zukunftsaufgabe der Gesellschaft fördert und ihr im vollen Umfang gerecht wird.

Derzeit steht jedoch die Familienpolitik, wie das Bundesverfassungsgericht
bestätigt, nicht im Einklang mit dem Grundgesetz. Die Familien stellen zwar die Hälfte der Bevölkerung, aber nur ein Drittel der Wähler in Deutschland. Was Wunder, wenn ihre Interessen, die für die Zukunft aller von entscheidender Bedeutung sind, allzuoft viel zu kurz kommen. Singles und Kinderlose stellen die Mehrheit der Wahlberechtigten und ihre Interessen geben politisch den Ton an.

Die Zeichen stehen auf Sturm: Deutschland geht schweren Zeiten entgegen. Die Abtreibungen gehen in die Hunderttausende und es wird erwartet, daß Millionen eingewanderter Arbeitnehmer eine überalterte Bevölkerung ernähren. Dabei wurde seit Jahrzehnten übersehen, daß unser Zwangsversicherungssystem nicht nur aus den aktuell Beschäftigten und den nicht mehr Beschäftigten besteht, sondern daß es darüber hinaus Kinder gibt, die noch nicht im Erwerbsleben stehen. Diese Kinder sind bis zum Beginn ihrer Berufsausübung nur ihren Eltern im wahrsten Sinne „lieb und teuer“, danach aber haben sie Leistungen für alle zu erbringen, also auch für diejenigen, die sich statt für Kindererziehung mehr für Singletrends und Urlaubsspaß in der Karibik interessieren. Steuerliche Maßnahmen können bestenfalls finanzielle Hilfen darstellen, aber niemals die Unterschiede in der praktischen Lebensführung und deren Gestaltung überwinden.

In dieser Situation genügen konventionelle finanzielle Maßnahmen nicht mehr. Familienpolitik muß zur zentralen Aufgabe der deutschen Politik werden und ihren Niederschlag in einer radikalen Neugestaltung des Wahlrechts finden, ausgehend vom Grundgesetz mit seiner Feststellung: „Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus.“

Zu diesem Volk gehören zweifellos auch die 0- bis 18jährigen. Daraus ergibt sich, daß im Interesse einer in die weitere Zukunft gerichteten Politikgestaltung die rund 13 Millionen Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren in Deutschland das Wahlrecht bei allgemeinen Wahlen erhalten müssen, das heißt, daß im Grundgesetz das „Wahlalter 0“ eingeführt wird. Nur so können sie sich demokratiegerecht über die Wahlurne gegen Benachteiligungen wehren. Ausgeübt wird das Wahlrecht für Minderjährige entsprechend dem auch sonst bei Geschäftsunfähigen üblichen Verfahren durch deren gesetzliche Vertreter, in den meisten Fällen also die Eltern, die damit ihrer Erziehungspflicht nachkommen. Praktisch empfiehlt sich dabei die Verteilung des Vertretungsrechts je zur Hälfte auf die beiden Elternteile. Bei Alleinerziehenden liegt es ganz bei diesen. Sind beide Elternteile vorhanden, gibt jeder eine halbe Stimme ab, für die es andersfarbige Stimmzettel gibt. Dieses Verfahren läßt sich leicht handhaben und ist auch EDV-gerecht. Prinzipielle oder praktische Probleme gibt es nicht.

Niemand ist besser geeignet, eine familienfreundliche Politik herbeizuführen als die Eltern, die um ihrer Kinder willen über den Tellerrand ihres Lebens hinausblicken und aus ihrer Elternverantwortung verpflichtet sind, Politik nicht nur aus der Perspektive einer Generation zu sehen und zu gestalten.

Die Verwirklichung des demokratischen Grundsatzes: „Ein Mensch – eine Stimme“ ist nicht neu. Die Geschichte des Wahlrechts ist auch die Geschichte seiner Ausdehnung auf immer mehr Bevölkerungsgruppen als Folge wachsenden demokratischen Bewußtseins.

Von den Wählern kleiner Gruppen (Adel, Stadtrat, Kurfürstenkolleg) ging es 1848 von den selbständigen Hausvätern auf die volljährigen Männer, 1919 auch auf die volljährigen Frauen, 1974 auf die 18jährigen und später in verschiedenen Ländern auf die 16jährigen über.

Auch der familienpolitische Ansatz zieht sich durch die demokratische Geschichte. Er fand in dem Vermächtnis des nach dem 20. Juli 1944 zum Tode verurteilten Leipziger Oberbürgermeisters Carl Goerdeler seinen Niederschlag, der dazu aus dem Gefängnis seine Vorschläge für die Zeit nach dem Krieg niederschrieb. Heute zählt Altbundespräsident Roman Herzog, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, zu den vielen Befürwortern dieses neuen Wahlrechts für Deutschland.

Unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit bedarf des Wahlrecht nicht nur einer Reform, sondern einer Revolution, um Deutschland eine im Volk verankerte Zukunft zu ermöglichen.
 
     
     
 
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