A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Flüchtlingsstrom: Wenn tschechische Zöllner mittun

 
     
 
Die tschechisch-slowakische Grenze kann als ein Barometer der Unruhen in der ganzen Welt dienen. Verschlimmert sich die Situation in der Türkei, auf dem Balkan, im Kaukasus oder auf Sri Lanka, sofort werden Wellen von Flüchtlingen registriert, die über die grüne Grenze strömen. Ihr Ziel ist nicht die Tschechische Republik, sondern das gelobte Land aller Flüchtlinge – Deutschland.

Die Grenze zwischen der Tschechei und der Slowakei verläuft auf den Kämmen der Weißen Karpaten und ist ca. 250 Kilometer lang. Im Norden fängt sie am Jablunkauer Paß an, im Süden verfolgt sie die March bis zur Donau. In früheren Zeiten bildete diese Linie die Grenze zwischen der Marktgrafschaft Mähren und Oberungarn, wie die Slowakei vor 1918 hieß. Nach dem Zerfall der Tschechoslowakei wurden 1993 die Grenzsteine erneuert. Heute existieren reguläre Straßen- und Eisenbahn-Grenzübergänge. Das Aufgebot
der tschechischen Grenzpolizei ist allerdings schwach und reicht bei weitem nicht aus, die illegalen Grenzübertritte zu verhindern. Das gebirgige und waldreiche Terrain erschwert die Überwachung.

Gleich nach dem Beginn der neuesten Unruhen im Amselfeld setzte ein wahrer Ansturm von albanischen Flüchtlingen ein. In die Slowakei gelangen sie über Ungarn oder über die Ukraine. Über die Weißen Karpaten kommen sie in die Tschechei, wo sie später das letzte Hindernis überwinden müssen – die tschechisch-sächsische oder die tschechisch-bayerische Grenze.

Der illegale Grenzübertritt ist inzwischen ein ertragreiches Geschäft geworden. Nach polizeilichen Angaben bezahlen Albaner den Schleuserbanden im Durchschnitt 2500 DM pro Person. Es werden noch viel höhere Preise verlangt, wie der Fall einer afghanischen Familie bezeugt, die für den Übertritt 25 000 Dollar bezahlt hat. Oft werden die Flüchtlinge, nachdem sie bezahlt haben, von ihren Begleitern im Wald verlassen. Erschöpft suchen sie dann in den Wäldern nach dem Weg, bis sie in die Hände der Polizei fallen. So hat man am 4. März in der Frühe eine neunköpfige Gruppe von Kosovo-Albanern gefaßt, wenige Stunden vorher fiel sogar eine dreizehnköpfige Gruppe in die Hände der Polizei. Obwohl die Bevölkerung mit den Grenzern zusammenarbeitet und auf verdächtige Ausländer aufmerksam macht, gelingt es nur, einen Bruchteil des Flüchtlingsstromes abzufangen. Angesichts der Länge der Grenze ist leicht abzuschätzen, daß es sich täglich um weit über hundert Übertritte handeln kann.

Vor einiger Zeit ereignete sich sogar ein höchst merkwürdiger Fall. Tschechische Grenzpolizisten hielten ein Fahrzeug an, mit dem zwei tschechische Zöllner versucht haben, mehrere Flüchtlinge auf einem Waldweg über die Grenze zu fahren. Dieser Vorfall zeigt, daß die hohen Beträge, die man an illegalen Grenzübertritten verdienen kann, auch für Beamte interessant sein können. Auf diesem Wege kann es leicht zur Zusammenarbeit zwischen den Schleuserbanden und den staatlichen Stellen kommen.

Die tschechischen Polizisten in den Weißen Karpaten klagen über mangelnde Ausrüstung und ungenügende personelle Besetzung. In der Tat hat die tschechische Regierung für die Beseitigung dieses Problems wenig getan. Anfänglich wollte man sogar keine Grenzposten aufstellen. Erst später zeigte sich, daß man auch mit der Slowakei eine reguläre Grenze benötigt. Da die Flüchtlinge im Regelfall weiter nach Deutschland ziehen, stellen sie für die Tschechei keine Belastung dar. Falls sie gefaßt werden, werden sie in die Slowakei abgeschoben. In ihr Herkunftsland kommen sie kaum mehr zurück und früher oder später werden sie es noch einmal versuchen, die Grenzen zu überqueren.

 
 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Wogeo

Gut bis mangelhaft

Savara

 
 
Erhalten:
tschechische wirtschaft
tschechische republik
tschechische regierung
reguläre
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv