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Frankreich: Kampf statt Kohabitation

 
     
 
Seit Ende Februar ist bekannt, daß sowohl Jacques Chirac als auch Lionel Jospin, das heißt, der Konservative und der Sozialist, sich um das Amt des Staatspräsidenten bewerben wollen. Mit ihnen eine Fülle von Kandidaten, die aber zumeist nur eine Art „Visitenkarte“ abgeben wollen, weil sie im nächsten Kabinett eine Bestallung als Minister erhoffen. Die Wahlen für die Präsidentschaft der Republik finden am 21. April und 5. Mai statt, und danach folgen die Wahlen zur National
versammlung Anfang Juni, aus denen entweder eine klare Mehrheit oder eine neue Kohabitation entstehen wird. Die Medien beginnen die Franzosen darauf vorzubereiten, daß eine neue Kohabitation die beste Lösung für Frankreich wäre, falls der derzeitige Staatschef sich am 5. Mai behaupten könnte und die sozialistische Mehrheit in der Natio- nalversammlung ihrerseits erneut die Gunst der Wähler erwerben würde.

Auf jeden Fall scheint die gegenwärtige politische Kampagne für den Elyséepalast die Franzosen überhaupt nicht zu interessieren. Nach einer Umfrage des Demoskopie-Instituts „Louis Harris“, die Ende Februar in der linken „Libération“ veröffentlicht wurde, meinen 74 Prozent der Befragten, Chirac und Jospin hätten dasselbe Programm. Zugleich erklären sich 59 Prozent dieser Befragten als von der Wahlkampagne an und für sich nicht betroffen. Gesagt werden muß in diesem Zusammenhang, daß die Programme der jeweiligen Kandidaten völlig unehrgeizig sind und sich auf den Willen, in der nächsten Nationalversammlung eine arbeitsfähige Mehrheit zu erreichen, konzentrieren. Der einzige Präsidentschaftskandidat, der dem Wahlvolk ein kohärentes Vorhaben vorstellt, ist der Euroskeptiker Jean-Pierre Chevènement, der, obgleich Linkssozialist, die Stimmen von zahlreichen von Chirac enttäuschten Gaullisten sammeln dürfte.

Und so ist zu erwarten, daß je die Hälfte der Stimmen, die Chevènement im ersten Wahlgang verbuchen wird, im zweiten an Chirac und Jospin gehen. In dieser Hinsicht ist es wichtig für Jospin, sich wieder als ein echter Linker zu profilieren. Derzeit sieht es so aus, als ziehe der Regierungschef es vor, mit den Stimmen der Mitte zu liebäugeln, obwohl er vor den Sozialisten, die ihn mit 99 Prozent der abgegebenen Stimmen zum Kandidaten gekürt haben, erklärte, er wolle ein Programm vorlegen, mit dem er das linke Lager zusammenschließen könne.

Die Konservativen unter Jacques Chirac gehen in den Wahlkampf mit einem Programm in vierundzwanzig Punkten. Dabei handelt es sich eher um einen Katalog von Gesetzesvorlagen, keinesfalls um ein Programm, das den Franzosen einen klaren Weg in die Zukunft aufzeigen würde. So gewinnt man den Eindruck, daß die Neogaullisten das politische Erbe Charles de Gaulles verdrängt haben, der 1962 die Direktwahl des Staatsoberhauptes einführte, um die Franzosen zur Demonstration großer nationaler Emotionen zu veranlassen. Viele Sozialisten haben de Gaulle nie vergeben, daß er diese Verfassungsreform mit zu kritisierenden Mitteln durchgeführt hat. So wird Jospin, falls er zum Staatspräsidenten gewählt wird, sicherlich alles tun, damit der Staatschef in Frankreich nicht weiter über die Immunität verfügt, die von de Gaulle bis Chirac über Giscard und Mitterrand hinaus die besondere Position des Präsidenten kennzeichnet.

Insofern haben die Franzosen trotz aller Verschwommenheit der Programme zwischen zwei ganz unterschiedlichen Verständnissen vom Amt des Präsidenten der Republik zu wählen. Mit Jacques Chirac, sollte er gewinnen, wird der Präsident weiterhin eine quasi monarchische Position behalten. Mit Lionel Jospin im Elyséepalast aber wäre der Staats-chef nicht mehr als der Kopf einer Partei oder eines Wahl-bündnisses. Francisco Lozaga

 

Konkurrenten: Chirac (rechts) will Präsident bleiben, Jospin will vom Hôtel Matignon in den Elysée-Palast übersiedeln.
 
     
     
 
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