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Frankreich: Wieder im Gleichschritt

 
     
 
Frankreich geht wieder im Gleichschritt. Das Stolpern der Kohabitation ist zu Ende. Es ist in der Tat nicht nur sehr unwahrscheinlich, sondern unmöglich, daß die Linke diese Wahlen im zweiten Durchgang noch gewinnt. Der Vorsprung der bürgerlichen Parteien ist insgesamt zu groß. In vielen Wahlkreisen fehlen gerade noch ein paar Prozent. Und auch die extreme Rechte von Le Pen hat mit 11,4 Prozent ein ziemlich mageres Ergebnis eingefahren und kommt nur in einem Dutzend Wahlkreise in die Stichwahl
. Sie wird höchstens zwei Abgeordnete stellen, wenn überhaupt.

Mit der Kohabitation endet auch eine Zeit der Lähmung. Fünf Jahre lang trug die französische Politik das Etikett "bedingt tauglich". Die Ambitionen der zwei starken Männer, des amtierenden Präsidenten Jacques Chirac sowie des Premiers und Aspiranten auf den Präsidentensessel Lionel Jospin, lagen bleischwer auf der Politik. Jeder belauerte den Gegner und wartete auf Fehler, um sie für den eigenen Wahlkampf zu nutzen. Aber dieses Katz-und-Maus-Spiel endete für Jospin und die Linke im Desaster.

Mit Recht, und zwar nicht nur, weil es sich um Linke handelt, sondern auch, weil die Regierung Jospin sich den handwerklich groben Fehler erlaubte, in wesentlichen Bereichen der Politik untätig geblieben zu sein. Das konnte sie sich nicht leisten. Keine Regierung darf sich das leisten. Diese wesentlichen Bereiche betreffen heute vor allem die innere Sicherheit und die damit zusammenhängende Zuwanderungs- und Ausländerpolitik. Folgerichtig stellte die neue Regierung ihre Arbeit unter das Motto: "Wir handeln". Und sie tut es auch. Sechs Milliarden Euro will sie in Polizei und Sicherheitsdienste investieren. "Angst ist mit der Verfassung unserer Republik nicht vereinbar", sagte der neue Innenminister Sarkozy. Es gehe nicht an, daß französische Bürger sich nach Einbruch der Dunkelheit oder auch in bestimmten Stadtbezirken nicht mehr auf die Straße trauten.

Die Wähler haben dieses Verständnis für die Nöte der Bürger honoriert. Sie wollen Frankreich wieder handlungsfähig sehen, also stimmten sie gegen die Kohabitation.

Der Trend ist nicht nur blauweiß-rot. Auch in anderen Ländern Europas sehnt man sich nach einer handlungsfähigen Regierung. Das hatte schon die Bundestagswahl vor vier Jahren bestimmt. Reformstau hieß das Schlagwort, mit dem Schröder antrat. Jetzt sitzt er selber in der Lähmungsfalle. Die deutsche Kohabitation ist freilich nicht zentralistisch in der Exekutive konzentriert, sondern föderal über die Institutionen verteilt und betrifft via Bundesrat vor allem die Legislative. In der Länderkammer hat die jetzige Opposition die Mehrheit, und sollte sich die rotgrüne Regierung im September behaupten, wird die Lähmung bestehen bleiben. Es ist aber fraglich, ob sich Deutschland dem europäischen Trend zur Handlungsfähigkeit entzieht. Denn auch hier ist man über den Einwanderungsdruck und die Ausländerfrage besorgt.

Frankreich hat intern zum Gleichschritt zurückgefunden. Jetzt muß noch das Stolpern in Europa beendet werden, und nichts wäre dafür geeigneter als ein Stopp des Ruckelns, Haspelns und Stotterns des deutsch-französischen Motors. Der Gleichschritt mit Deutschland würde Europa wieder in Bewegung bringen. Frankreich ist bereit, und wer die neue Mannschaft Chiracs, angefangen bei Premier Raffarin bis hin zu Familienminister Mattei, vor dem geistigen Auge Revue passieren läßt, der kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Frankreich in den nächsten Jahren wieder eine Führungsrolle in Europa spielen wird. Damit die Grande Nation nicht mit allzu glorreichen Fanfarenstößen davonmarschiert, brauchen die Franzosen den verständnisvollen Freund, der ab und zu den lauten Klängen einen Dämpfer vorsetzt. Denn Europas Zukunft erwächst aus seinem karolingischen Kern, den Schumann, Monnet, Adenauer und de Gaulle wiederentdeckt und aus der Tiefe der Geschichte an das Licht der Tagespolitik hervorgeholt haben. Dieser karolingische Kern hat, wenn auch Deutschland sich aus der Lähmung befreit, wieder eine Chanc
 
     
     
 
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