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Gedanken für Intellektuelle

 
     
 
Reden halten ist eine gefährliche Sache, vor allem, wenn man von Beruf Vielredner ist, Politiker also. Wehe dem, der seinen Aktenkoffer nicht in Ordnung hat und sich im entscheidenden Moment mit dem falschen Manuskript aufs Podium schwingt. Da kann man dann nicht einfach in die große Runde blinzeln - " tschuldigung, falscher Text, bin gleich wieder da" - nochmal runterklettern, seine Sachen durchwühlen und von vorn beginnen. Nein, nein. Dann heißt es durchhalten und frei reden. Kann aber nicht jeder. Unlängst machte sich ein deutscher Landtagsabgeordneter zur Pappnase, als er mit dem falschen Text zu sprechen anhob.

In sein gedemütigtes Hinterbänk-lerherz hatte sich tief die Gewißheit eingebrannt, daß ihm sowieso keiner zuhört, also rappelte er ohne Rücksicht auf Ort und Thema den Sermon vor seiner Nase herunter. Einige Parlamentarier hatten zwar doch gelauscht, aber selbst Zurufe konnten den armen Tropf am Pult nicht vom eingeschlagenen Holzweg locken, er machte eisern weiter. Damit ihm so etwas Peinliches gar nicht erst passieren kann, verzichtete Oskar Lafontaine
am Montag in Leipzig ganz auf ein Manuskript. Er muß als "Privatmann" seine Tasche schließlich selber aufräumen.

Man stelle sich die verdutzten Leipziger vor, wenn dem Saarländer da beispielsweise eine seiner Reden von 1989 dazwischengerutscht wäre. Damals marschierten die DDR-Bewohner für die Wiedervereinigung, weshalb Lafontaine ihnen öffentlich vor den Latz knallte, daß er mit Städten wie Leipzig, Dresden oder Rostock nichts anfangen könne, weil ihm Paris, Mailand oder Rom viel näher seien. Auch verspüre er nicht die geringste Neigung, in diese Orte da hinten "im Osten" jemals zu reisen. So ein Zungenschlag hätte am vergangenen Montag gewiß Eindruck gemacht in Leipzig und der Ex-SPD-Chef hätte nicht mit hungrigem Magen die Rückreise antreten müssen, weil ihm nur ein einsames Ei zugeworfen wurde. Es wären wohl mehr geworden.

Nun gut, seit damals hat sich ja auch einiges geändert. 1989 kippten die "Ossis" den Sozialismus, für den Oskar ein leben lang gekämpft hatte, gerade ins Plumpsklo hinter der "Platte". Geradezu flehentlich dichtete der geschockte Saarsozialist dagegen: "Ich bin der Meinung, daß die Idee des Sozialismus nicht dadurch widerlegt ist, weil sie von Nationalsozialisten und Kommunisten mißbraucht wurde." Nein, gewiß nicht, diese Widerlegung mußte schon von kompetenterer Seite kommen, um sich weltgeschichtlich durchzusetzen, sprich: von Oskar Lafontaine selbst. 1998 war es soweit, entschied der SPD-Politiker, und forderte, daß nur noch Bedürftige Arbeitslosengeld beziehen sollten und nicht Leute mit "Vermögen" auf der hohen Kante. Nix mehr mit "sozialen Besitzständen". Erst in der Not kommt der Staat. Der rote Schnellredner war mitten im Kapitalismus angekommen und fühlte sich dort offensichtlich pudelwohl. Man geht mit der Zeit. Leider war in jenen Tagen die "Agenda 2010" noch nicht erfunden, sonst hätte Lafontaine einfach rufen müssen: "Ich will Hartz!"

Vor sechs Jahren klang so etwas wunderbar dynamisch und zukunftsorientert, wir waren damals alle gerade in die "neue Mitte" vorgestoßen und freuten uns wie Hulle auf die nächste Börsenkursexplosion, selbst wenn wir gar keine Aktien hatten. Die Party war indes kurz, Lafontaine schlug sich 1999 in die Büsche und lugte seitdem hin und wieder hervor, ob s für ihn was anzustellen gab. Er langweilte sich. Von Talkshows allein wird einer wie er nicht satt. Jetzt kann er endlich wieder aus dem Vollen schöpfen. Allerdings sind die Lösungen, die er den Montagsarbeitslosen anbietet, nicht gerade frisch. Riecht abgestanden nach "die da oben, wir hier unten, die Reichen müßte man mal ..." - kennen wir.

Vielversprechender sind da schon die Vorstellungen von "Attac", dem Netzwerk der linken Globalisierungsgegner, die sich als Sammelbecken den Demo-Organisierern anbieten. Attac ist natürlich auch gegen die Reichen und für die Arbeitslosen. Für Letztere hat sich das Netzwerk aber eine besondere Vision ausgedacht: "Rückkehr zu einem liberalen Asylrecht". Sowas in der Richtung hatten wir Anfang der 90er Jahre, als in kurzer Zeit an die zwei Millionen Asylbewerber nach Deutschland zum Dauerbesuch kamen. Die zahlreichen Containerdörfer und Flüchtlingsschiffe hatten wir Deutschen gerade in unsere Herzen geschlossen, da verbarrikadierten Multikulturverächter die meisten Tore zu unserem Land wieder. Seitdem gelangen nur noch einige zehntausend pro Jahr herein.

Angesichts der Aufmärsche keimt bei Attac die Hoffnung, die Schleusen mithilfe der Montagsdemos wieder aufzukriegen. Damit wäre Millionen geholfen: den Arbeitslosen, weil sie mit ihrem Schicksal nicht mehr so allein wären, da Millionen hinzukämen und zudem den Betrieben, weil plötzlich massenhaft Arbeitskräfte an die Tür klopfen würden, in deren Heimat ein Euro Stundenlohn ein ordentliches Gehalt ist. Ja sogar den Verwaltern der maroden Sozialkassen würde eine schwere Bürde genommen. Mit vier, fünf oder sechs Millionen "Versorgungsfällen" mehr am Hacken könnten die jedem Dussel klarmachen, daß die Kassen völlig überfordert sind und deshalb die Stütze praktisch gestrichen werden muß.

Prominente Unterstützung ist bereits im Anmarsch, von ganz oben, aus Brüssel. In der Asylfrage wird sich bald erweisen, wie wertvoll Europa für unsere Zukunft ist. Daß wir ein einheitliches EU-Asylrecht brauchen, will Jahrzehnte nach der Vereinheitlichung des Krümmungsgrades von EU-Bananen niemand mehr bestreiten. Der neue EU-Kommissar für Inneres und Justiz, der Italiener Buttiglione, ist da ganz auf Attac-Linie. Lange hat er nachdenken müssen, wie man letztlich jedem, der möchte, Zugang per Asyl verschaffen kann. Nun hat er s endlich: Auch Armut und Naturkatastrophen sollen künftig als Asylgründe anerkannt werden. Beinahe ganz Afrika ist nach europäischen Maßstäben arm, und Asien in weiten Teilen eine einzige Naturkatastrophe - man denke an das alle Nasenlang überschwemmte Bangladesh mit seinen 130 Millionen Einwohnern, die gewiß viel lieber Arbeitslose in einem deutschen Asylantenheim wären als genau dasselbe im heimischen Mückensumpf.

Attac fordert überdies schon lange, daß auch "nichtstaatliche Verfolgung" und "sexuelle Diskriminierung" legitime Asylgründe sein müßten. Das gilt de facto aber jetzt schon. Ein afrikanischer Bauer erzählte mir vor Jahren offenherzig, daß in seiner Heimat als Schlappschwanz gälte, wer nicht drei Frauen habe. "Drei!", rief er mit aufgerissenen Augen aus. Die solle ich mir mal ansehen und ich würde sofort begreifen, wovor er, der arme Kerl, fortgelaufen ist.

"... die Leute stellen schon wie wild Sperrmüll vor die Tür!"

 
     
     
 
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