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Gedanken für Intellektuelle

 
     
 
Er hat es tatsächlich getan. Im Juni ging das noch als blöder Witz um: Wenn der Schröder nicht weiter weiß, holt er die Iran-Sache aus der Kiste und drischt auf die Amis ein wie damals wegen des Irak. Dann fehlt nur noch Hochwasser und der Sieg ist sein. Darüber konnten alle lachen, weil sich Fluten nicht bestellen lassen und ein Krieg gegen die Perser weder in Vorbereitung noch überhaupt geplant war - und ist. Doch siehe da: Schröder braucht gar keine reale Kriegsgefahr, um sich ihr tapfer entgegenzustellen. Er malt sich einfach eine und baut sich dann heroisch vor der eigenen Pinselei auf: Den Krieg, den keiner will, den keiner plant und der auch nicht in Sicht ist, den werde ich verhindern. Die Leute in Hannover haben ihn ausgelacht, möchte man annehmen. Weit gefehlt: Sie lagen ihm zu Füßen wie damals vor drei Jahren in Goslar. Wenn er im Herbst seinen Kanzlerposten geräumt hat, kann Schröder als Wahlkampfberater ein Vermögen machen. Kein strauchelnder Staatsmann dieser Welt wird auf die Dienste des Meisters verzichten wollen.

Die ewig mäkelnde Opposition giftet, Schröder habe erneut und unnötigerweise den deutsch-amerikanischen Beziehungen geschadet. Na und? Dafür hat er vielleicht neue Freunde gewonnen! Die Mullahs sahen sich eben noch bedrängt durch eine kalte Front von den USA über Europa und Rußland bis nach China, die das iranische
Atomprogramm vor den UN-Sicherheitsrat zerren wollte. In diese Phalanx hat der deutsche Kanzler nun eine bis nach Teheran sichtbare Bresche geschlagen. Bei denen haben wir was gut.

Die Leichtigkeit, mit welcher der deutsche Regierungschef die internationale Front gegen Irans zukunftsfrohe Nuklearpläne atomisiert hat, tröstet indes kaum darüber hinweg, daß die Umfragewerte seiner SPD nach wie vor lausig sind. Den drohenden Machtverlust vor Augen erkungeln führende Sozialdemokraten bereits Szenarien für die Zeit nach dem großen Zampano. Dabei hat jeder so seine eigenen Vorstellungen. Die derzeitigen SPD-Bundesminister träumen von der Großen Koalition und setzen schon mal ihren eigenen Namen in die künftige Kabinettsliste. Große Koalition? Das hat jemanden wach gemacht: Über Nacht ist Klaus Wowereit zum möglichen Kanzlerkandidaten der SPD aufgestiegen. Bislang fanden wir den ja eher ulkig bis windig. Aber siehe da - widrige Umstände erfordern widrige Persönlichkeiten. Nach den Vorstellungen des Berliner Bürgermeisters läuft die nächste Zukunft der Republik genauso ab wie die jüngste Vergangenheit seiner Stadt: Erst zimmern wir eine Große Koalition. Die wird Fehler machen und den Leuten Gemeinheiten antun, an welchen natürlich allein die Union schuld sein wird - ganz wie in Berlin. Oder sie wird gar nichts bewegen, dann hat die Union eben alles blockiert. Wenn die Zeit reif ist, lassen wir das Ding platzen und bauen den Linksblock mit den Grünen und der PDS oder Linkspartei oder wie auch immer die SED dann heißen wird. Und obendrauf sitzt Kanzler Wowi. Er wäre die Idealbesetzung. Nicht allein, daß er bereits viele Jahre Erfahrungen als Chefgenosse eines Linksblocks gesammelt hat. Hinzu kommt: Wenn - wie die großen Wirtschaftsverbände in der Tat vorhersagen - die Große Koalition aus Selbstblockade nichts zuwegebringt, würde Deutschland nach weiteren Jahren der Agonie auch aussehen wie Wowereits Berlin schon heute: Der Arbeitsmarkt klinisch tot, die Fabriken leergefegt und der Staatshaushalt ein bizarrer Witz. Der Linksblockkanzler müßte sich also nicht einmal groß aklimatisieren in der neuen Rolle. Wowi macht uns vor, wie man als Kabinettschef die gute Laune nie verliert, selbst wenn um einen herum alles in die Grütze geht oder schon gegangen ist. Als "Regierenden Partymeister" feiern ihn seine Berliner und schenken ihm Vertrauen.

Was auch daran liegt, daß die Berliner Sozialdemokraten jene Große Koalition im Roten Rathaus weitaus frischer überstanden haben als die in West-Berlin einst bärenstarke Hauptstadtunion. Die Schwarzen an der Spree muten an wie ein versprengter Pfadfinderhaufen, den man mitten in der Geländeausbildung im Wald vergessen hat und der nun umherirrt, auf herumlungernde Schwätzer hereinfällt oder sich einfach nur zankt.

Wie die Republik wohl aussähe unter Rot-Dunkelrot-Grün, will jemand wissen? Der Wowereit-Senat läßt derzeit gerade das 1990 demontierte gigantische Lenindenkmal ausbuddeln und liebevoll restaurieren. Reicht das als Anwort?

Doch Gemach: So wie es scheint, kommt Wowis Räterepublik erst in einigen Jahren, wenn die Union und ihr Rückhalt im Volk mittels Großer Koalition hinreichend zerschlissen worden sind. Ob das erst 2009 oder schon früher eintritt, bleibt ungewiß. Ziehen die Schwarzen ihren bisherigen Wahlkampfkurs jedoch konsequent bis zum 18. September durch, dürfte eine Kanzlerin Merkel bereits tief zerkratzt ins Amt kommen. Das würde ihren Sturz vor Ende der Wahlperiode immens erleichtern und dem Linksblock lange vor 2009 die Machtübernahme ermöglichen. Wowereit wäre am Ziel. Wer nach dem Muster der Börsenanalysten die Ent- wicklung der Umfragewerte der Union seit Mai bis zum 18. September einfach weiterzeichnet, der landet irgendwo bei 38 oder 39 Prozent. Merkel zöge als Verliererin ins Kanzleramt ein, die nur Chefin werden konnte, weil die linke Suppe noch nicht gar war.

Woran die Union gescheitert sein wird, wenn sie scheitert, wissen wir selbstverständlich im Voraus: Immerzu faseln Merkel und Co. davon, daß man "den Menschen die Wahrheit sagen muß". Du liebe Zeit! Mit einer derart verkorksten Strategie kann keiner gewinnen. Die Menschen, die sich von Schröder in Hannover haben veräppeln lassen, wußten ganz genau, daß der lügt. Aber er ist halt so sympathisch dabei. So einen muß man wählen. Wir Menschen wollen keine Wahrheit, wir fordern "Menschlichkeit"! Ein Politiker, der uns zuruft, er könne und wolle zwar gar nichts tun, aber wenn er es könnte und wollte, dann würde er es ganz bestimmt machen - der ist menschlich, der ist nach unserem Geschmack. Wowereit beherrscht das genauso gut wie Schröder. Nur das bierlaunige Rumkumpeln, das liegt ihm nicht so. Dafür brächte er etwas prickelnden Sektglanz in ein Deutschland, dessen dann zehn oder mehr Millionen Arbeitslose anspruchsvolle Unterhaltung von der Regierungsbank gewiß zu schätzen wüßten.
 
     
     
 
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