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Gefährlich instabil

 
     
 
Chinas enormes Wachstum ist in aller Munde. Unterstützt vom steten Kapitalzustrom des Auslandes in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar im Jahr expandiert die Wirtschaft des Milliardenreiches seit 1993 alljährlich um zehn Prozent. China wird so langsam zum Albtraum
für die Zukunft der industriellen Fertigung in Europa. Als Werkbank der Welt führt es mittlerweile bei den globalen Marktanteilen von Schuhen, Textilien, Fernsehern, Mikrowellenherden, Möbeln, Spielzeug und Teppichen. Das Delta des Perlflusses ist unbestritten zum weltweit führenden Produktionszentrum von Elektronikteilen geworden, von dessen Lieferungen der Rest der Welt abhängt.

Zur Darstellung seiner neuen Weltrolle finden 2008 die Olympischen Spiele in Peking und 2010 die Weltausstellung in Schanghai statt. Ganze Stadtteile werden umstandslos abgerissen, um neuen Stadtautobahnen und Hochhausvierteln Platz zu machen, vor deren glitzernden Fassaden sich die kommunistische Führung von der Weltöffentlichkeit feiern lassen will.

Doch ist Chinas Wachstum wirklich nachhaltig? Die kommunistische Führung hat sich zum Wachstum um jeden Preis bekannt, um China bis 2020 zur Weltmacht zu machen. Sie hat zwar nach dem Ende Maos und des Maoismus ab 1976 private und wirtschaftliche Freiräume nach der totalitären Despotie der Volkskommunen eingeräumt. Doch gibt es weiter keinen wirksamen Eigentumsschutz, von Vereinigungs- und Meinungsfreiheit und anderen politischen Grundrechten ganz zu schweigen. Wie alle Staatsorgane hat die Justiz Parteibefehle auszuführen. Deshalb sind die meisten Richter keine Juristen, sondern passenderweise pensionierte Offiziere.

Die meisten Chinesen sind wegen der fehlenden Renten- und Sozialversicherungen sehr sparsam und dazu gezwungen, ihre Gelder bei den staatlichen Banken anzulegen, die ihrerseits ihre Kredite auf Geheiß der Partei politischen Günstlingen oder maroden Staatsbetrieben zuschieben. An Tilgungen wird dabei eigentlich weniger gedacht. Die vier großen Staatsbanken und die Kreditgenossenschaften brechen mit ihren von "Ernst & Young" geschätzten 910 Milliarden US-Dollar an faulen Krediten eigentlich nur deshalb nicht zusammen, weil es ihnen nicht erlaubt wird und weil es keine effektive Bankaufsicht gibt. Demzufolge sind die Gewinn- und Verlustrechnungen und die Bewertungen der Banken-Beteiligungen ebenso fiktiv wie die Ergebnisse der früheren Fünfjahrespläne.

Außerdem boomt nicht das ganze China. Die Produktion im westlichen Hinterland oder im Norden im Rostgürtel der Mandschurei ist wegen der hohen Transportkosten und schlechten Energieversorgung teuer, obwohl die Fertigung für den Export wegen der Stundenlöhne um 60 Cents und der fehlenden Arbeitsschutz-, Sozial- und Umweltbestimmungen konkurrenzlos günstig ist. Aber auch in den Wirtschaftszentren stößt China wegen des beginnenden Facharbeitermangels und der überlasteten Infrastruktur der Sonderwirtschaftszonen an seine Grenzen. Bei Fertigungen für den Binnenmarkt muß ein chinesischer Partner, zumeist eine Staatsfirma, beteiligt werden. Diese strebt natürlich danach, ihre Verluste und ihr überflüssiges Personal dem Gemeinschaftsunternehmen aufzudrücken, die profitablen Geschäftszweige in Eigenregie weiterzuführen sowie möglichst alles technische Wissen und die Patente der Ausländer zu stehlen. Das hat in Fernost Tradition und ist dort nicht ehrenrührig. Ist dies doch ein patriotisches Unterfangen. Es lassen sich viele überflüssige Ausgaben sparen. Und eine Idee ist nicht deshalb schlecht, weil ein anderer sie vorher hatte. Auch fünf Jahre nach dem vielbejubelten WTO-Beitritt, der westliches Wirtschaftsrecht in China durchsetzen sollte, denkt die politische Führung nicht im Ernst daran, den Schutz geistigen Eigentums durchzusetzen.

Alles auf den Export gesetzt

Gut 70 Prozent der Auslandsfirmen fertigen in den Sonderwirtschaftzonen Teile oder Endprodukte für den Export. Der durchschlagende Erfolg jener vom Ausland finanzierten und betriebenen Exportproduktion ist bei der Schwäche der Eigenkapitalbildung der chinesischen Unternehmen zu einem hohen Risikofaktor der chinesischen Volkswirtschaft geworden. Bei einer Exportquote von 38 Prozent würde bei einem Absatzeinbruch in Japan, Nordamerika und Europa das chinesische Wachstum jäh einbrechen, bei einem Abzug des ungeliebten Auslandskapitals ein massiver Wirtschaftseinbruch drohen, bei dem alle verschleppten Strukturschwächen im Staats- und Finanzsektor zum Tragen kommen.

Schuhe für Europa made in China: In den chinesischen Bekleidungsfabriken wird vor allem für den ausländischen Markt gearbeitet. (Visum)
 
     
     
 
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