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Elf Freunde und ihr Pate

 
     
 
Elf Freunde müßt ihr sein - mit diesem geflügelten Wort schickte Sepp Herberger vor einem halben Jahrhundert Fritz Walter & Co. gen Süden, in die Schweiz. Was folgte, hat unter dem Titel "Das Wunder von Bern" Fußball- und Filmgeschichte geschrieben.

Elf Freunde - von "Paten" war damals noch keine Rede. Die Mafia und andere Vorläufer des globalisierten Verbrechens interessierten sich für Fußball allenfalls als Freizeitvergnügen, nicht aber geschäftlich. Das hatte einen ganz einfachen Grund: Mit dieser Art von Sport konnte man noch kein Geschäft machen. Die Weltmeister von 1954 erhielten Prämien zwischen 2.000 und 2.500 D-Mark
- relativ viel Geld für jene Zeiten, ein bescheidenes Taschengeld aber im Vergleich zu den Summen, die heute selbst zweit- und drittklassige Jünglinge kassieren, wenn sie ein- bis zweimal die Woche in kurzen Hosen hinter einem aufgeblasenen Stück Leder hertraben.

Für Herbergers "Helden von Bern" bedeutete es noch eine große Ehre, im Trikot der deutschen Nationalmannschaft auflaufen zu dürfen. Sie fragten nicht, was man dafür bekommt (falls sie doch fragten, war die Antwort: Nichts!). Und der Sieg im Endspiel gegen die hochfavorisierten Ungarn war nicht überlegener Spielkunst zu danken, sondern der sportlichen Umsetzung jener Tugenden, die einst als "typisch deutsch", ja als "typisch preußisch" galten: Leistungs- und Einsatzbereitschaft, Gemeinsinn und Kameradschaft, Siegeswille und Disziplin - gerade letztere übrigens auch außerhalb des Spielfeldes:

Auf der - für heutige Verhältnisse höchst maßvollen - Siegesfeier mahnte Herberger einen seiner frischgebackenen Weltmeister: "Trinken Sie nicht so viel, wir haben in acht Wochen ein schweres Spiel..." In den Zeitungen jener Zeit wurde ausführlich berichtet, wer wie viele Tore geschossen, vorbereitet oder verhindert hat; heute erfährt man umso ausführlicher, wer gerade zum wie vielten Male die Lebensabschnittsgefährtin ausgetauscht hat.

Auf dem Platz erwecken die Herren Jungmillionäre oft den Eindruck, gedanklich - pardon: mental - eher mit ihrem Kontostand als mit dem taktischen Konzept ihres Trainers beschäftigt zu sein. Und wenn sie sich Sorgen machen, dann wohl weniger um die abhanden gekommene Spielkultur denn um die unerträglich langen Lieferfristen von Porsche und Ferrari.

Der Sport - bei weitem nicht nur das Fußballspiel - ist verkommen, weil zu viel Geld im Spiel ist. Zumal wenn ihm keine auch nur halbwegs adäquate Leistung gegenübersteht (die wird nur von wenigen Spitzenkönnern erbracht), verdirbt zu viel Geld den Charakter. Wer jungen Menschen in der Bundesliga siebenstellige Jahresgehälter nachwirft, weckt Begehrlichkeiten bei jenen Spielern, die sich in der zweiten Liga mit sechsstelligen Gehältern "bescheiden" müssen.

Ist aber der Sport erst einmal zum Millionengeschäft, zum Dorado des schnellen Euro entartet, lockt er auch zwielichtige Gestalten an und wird zum Tummelplatz des Organisierten Verbrechens. Wobei es unerheblich ist, ob nun die kroatische oder irgendeine andere Mafia sich diesen Geschäftszweig vorgenommen hat.

Natürlich gibt es in Deutschland 2005 wichtigere Probleme als die Sauberkeit des Profi-Fußballs. Doch ist der Skandal um verschobene Spiele und "getürkte" Wetten symptomatisch für die Schieflage unserer Gesellschaft. Geldgier, Eigennutz, Rücksichtslosigkeit und Disziplinlosigkeit haben in weiten Bereichen - Gott sei Dank noch nicht flächendeckend - Bescheidenheit, Gemeinsinn, Kameradschaft und Anstand verdrängt und sind leider weiter auf dem Vormarsch. Was Deutschland heute braucht, wäre ein Sieg der alten Tugenden über den derzeitigen Werteverfall - also ein neues "Wunder von Bern".
 
     
     
 
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