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Gegen alle Konventionen

 
     
 
Voller guter Hoffnung begleitet Bischof Mahner in den letzten Tagen des 19. Jahrhunderts seinen Zögling Manfred Kirchner an seinen neuen Einsatzort als Pfarrer in der Gemeinde Neurath. Der junge Königsberger ist in den Augen des katholischen Würdenträgers ein Lichtblick. Theologisch einwandfrei geschult, sehr gebildet, künstlerisch als Bildhauer talentiert und mit einem verständnisvollen Herzen ausgestattet, soll er die Seelsorge der überwiegend armen Bewohner des Teufelsmoors übernehmen.

Trotz des eigenwilligen Dialektes und der verschlossenen Art der in der kargen Region lebenden Gemeindemitglieder findet sich der junge Geistliche schnell in sein neues Aufgabengebiet. In der Beichte erfährt er Dinge, die sich hinter den verschlossenen Türen der Menschen abspielen.

"Ein jeder Gatte sorgt sich im Stillen um die Treue des Gemahls und sieht und hört und meint, es könnte nur den anderen passieren. Vor den eigenen Augen ist er blind ... Und wenn es dann doch geschieht, dann steht man da - unvorbereitet und hilflos wie ein Kind ... Auch Madeleine war von jener guten Art. Zu treu, zu rein im Herzen, um je von anderen etwas Schlechtes zu denken als von sich selbst." Doch Madeleines Ent-deckung ist nicht der Anfang der großen Tragödie in dem Roman "Wenn Engel sterben" von Michael Manowsky. Der sich sprachlich sehr an die großen Klassik
er zu halten versuchende Autor hat sich für sein Debut als Schriftsteller eines viel heikleren Themas angenommen.

Anfangs ist Pfarrer Kirchner nur an dem schwarzgelockten zwölfjährigen Dominic, der im ganzen Ort wegen seiner engelsgleichen Schönheit gerühmt wird, als Model für eine Statue interessiert. Der Anhänger der Antike sieht in dem Jüngling das ideale Vorbild für ein Kunstwerk, doch je länger der Geistliche mit dem Knaben in seinem Atelier zusammenarbeitet, desto mehr empfindet er für den Halbwüchsigen. Auch dieser verehrt seinen "Herrn Pfarrer" immer mehr.

Dem Autor gelingt es ähnlich wie Thomas Mann in "Tod in Venedig", die steigende Leidenschaft eines erwachsenen Mannes für einen Jungen psychologisch nachvollziehbar zu schildern. Hier jedoch erwidert der Knabe die Liebe des Mannes. Daß die beiden ihre erotische Beziehung - Manowsky neigt vor allem hier zu einem überspannten detaillierten Schreibstil - nicht lange geheimhalten können, deutet schon der Titel an und es kommt zur Tragödie.

"Wortlos werfen kalte Hände Heidesträuße in die beiden Gruben. Die tiefgefrorene Erde krallt sich an die Finger. Dann zerfällt sie pochend auf dem Deckel. ,Ihr dort unten, hört ihr nun des Lebens letzte Melodie? ... Die Nachwelt flicht euch keine Kränze ... So fahrt denn hin und nehmt das mit als der Gesellschaft letzten Gruß: Es darf keine Liebe geben außerhalb der Konventionen. " Fritz Hegelmann

Michael Manowsky: "Wenn Engel sterben", Cornelia Goethe Verlag, Frankfurt/M., broschiert, 584 Seiten, 18,40 Euro
 
     
     
 
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