|  | Königsberg hat einen     Berufszweig, den man nicht in den "Gelben Seiten" findet: die "schwarzen     Archäologen". Sie graben Relikte aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs aus und treiben     Handel damit. In aktuellen Kriminalakten des Königsberger Gebiets ist häufig von Waffen     aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs die Rede, von Maschinengewehren, Pistole  n oder     ähnlichem. In der Stadt am Pregel gibt es zahlreiche Clans dieser sogenannten     "schwarzen Archäologen", Spurensucher und Friedhofsgräber. 
 Die folgende Geschichte trug sich in den 60er Jahren zu. Ein Mann erzählte, er habe     als 15-, 16jähriger mit seinen Spielgefährten auf einem kleinen deutschen     Offiziersfriedhof zwischen Grabeinfassungen und -steinen Krieg gespielt. Die Kinder     liebten diesen Ort. In jener Zeit sei der Friedhof schon ausgegraben gewesen, die     Grabhöhlen standen leer. Unverhofft machten die Kinder Funde wie Orden, Schmuck und     dergleichen. Einmal fand ein Junge einen Ring mit einem großen, roten Stein, den er     jedoch nicht lange behielt. Denn an der Ecke stand ein Schwarzhändler, der ausländische     Nylonstrümpfe in einem schwarzweißen Kästchen feilbot. Der Junge zögerte nicht lange     und tauschte den Ring gegen den heißbegehrten Toilettenartikel ein. Und war schrecklich     glücklich darüber.
 
 Daß die Zahl der Grabräuber im Königsberger Gebiet so hoch ist, verwundert nicht.     Stießen doch viele allein beim Umgraben der Gärten auf deutsche     "Antiquitäten" wie Münzen und Geschirr. Viele Dinge stammen vom Grund des     Pregels. Die Jahre, in denen er gesäubert wurde, waren für Sammler goldene Jahre. Die     Fundstücke erbrachten gute Preise auf dem Schwarzmarkt.
 
 Nicht alle Liebhaber alter Gegenmstände lebten jedoch in der Hoffnung, beim Umgraben     ihrer Gärten oder der Untersuchung von Gewässern "Schätze" zu finden.     Hierfür hatte sich schon bald eine besondere Art von Forschern spezialisiert, sie werden     "schwarze" Archäologen genannt. Sie führen nicht sanktionierte Ausgrabungen     alter preußischer Städte und Dörfer durch (im Königsberger Gebiet gibt es viele von     ihnen). So kam es nicht gerade selten vor, daß wissenschaftliche Archäologen aus Moskau     nach Beendigung ihrer Arbeiten bemerkten, daß ihnen bereits eigenmächtige Grabforscher     zuvorgekommen waren.
 
 Durch einen Zufall wurden in den 80er Jahren bei der Reparatur eines Daches in der     Komsomolskaja uliza alte deutsche Dokumente gefunden, darunter sogar ein Mitgliedsbuch der     Kommunistischen Partei aus der Zeit Rosa Luxemburgs. Es wurden allerdings nicht nur     Dokumente unter alten Dächern gefunden. So entstand der seltsame Beruf der     "Mansardisten". Über sie ist nur wenig bekannt, da sie äußerst ungern von     sich erzählen. Dennoch gelang es der russischsprachigen "Kaliningradskaja     Prawda", einen ehemaligen "Mansardisten" zu befragen.
 
 Er erzählte, daß bei der Flucht aus Ostdeutschland die reichen Deutschen in der Hoffnung     auf eine baldige Rückkehr in der Dachisolierung und anderen Verstecken auf dem Dachboden     ihre Wertgegenstände aus Gold oder Silberbarren, Gewehre und ähnliches versteckt     hätten. Deshalb hätten die "Mansardisten" ihr Betätigungsfeld darauf     beschränkt, alte, durch Reparaturen oder Feuer unversehrt gebliebene Dächer ausfindig zu     machen. Auf dem Dachboden suchten die "Forscher" mit einem bestimmten     Metallfühler die Wärmedämmung ab. Dabei verschwendeten erfahrene     "Mansardisten" ihre Zeit nicht mit dem ganzen Dach, sondern überprüften nur     die Ecken und Ränder, dort seien meistens Gegenstände versteckt worden, damit der Ort     leichter behalten werden konnte und das Geheimnis bewahrt blieb. Gefundene Waffen seien     meistens an Sammler verkauft worden. Die Preise schwankten dabei  abhängig vom     Alter der Waffen  zwischen einigen hundert bis zu einigen tausend Dollar. Die     Mansardisten hätten bereits alle Dächer des Gebiets abgesucht, sogar die von staatlichen     Polizei- und Verwaltungsgebäuden, in denen sie allerdings nichts gefunden hätten.
 
 Folgende Geschichte ereignete sich in Pillau Ende der 60er Jahre. Ein Vertreter der     Militärverwaltung kam in die Schule, um die Kinder darüber zu unterrichten, welche     Metalle sie sammeln dürften und welche nicht und bei welchen sie sofort die Pioniere     informieren sollten.
 
 Nach einigen Tagen klopfte es bei dem zuständigen Major an der Tür. Als er öffnete,     sah er drei lächelnde Knaben im Alter von elf bis zwölf Jahren, die erklärten:     "Väterchen, Sie baten doch darum, alles herzubringen, was gesprengt werden     kann 
" Als der Major vortrat, sah er in seinem Eingang ein Fahrrad, auf     welches zwei neue Panzerfäuste und zwei deutsche "Holzhammer" (Handgranaten mit     hölzernem Griff) ordentlich mit Draht umwickelt gepackt waren. Der Major rief eilends die     Pioniere zu Hilfe, um seinen eigenen Hauseingang entminen zu lassen.
 
 Die Bewegung der Spurensucher begann im Königsberger Gebiet direkt nach dem Krieg.     Zunächst war das tatsächlich meist Sache von Kindern, die oft einen schrecklichen Preis     dafür zahlen mußten. Regelmäßig beerdigten Eltern ihre Kinder, die auf Minen getreten     waren. Zu Beginn der 80er Jahre wurden Suchtruppen Jugendlicher gegründet, die sich um     die Leichen im Krieg Verstorbener kümmern sollten, um sie in richtige Gräber umzubetten.     Diese Spurensucher wurden von Pionieren und manchmal auch Zivilpolizisten begleitet. Zu     dieser Zeit wurden bereits viele Waffen entdeckt. Nachts wurde in den Lagern der     Spurensucher häufig geschossen: Sie probierten die gefundenen Waffen aus.
 
 In der Folgezeit fielen die meisten Suchtruppen auseinander. Die übrigen teilten sich     in zwei Lager, die "roten" und die "schwarzen". Die "roten     Spurensucher" beschäftigten sich weiterhin mit der Umbettung der sterblichen     Überreste im Krieg Gefallener und sammelten ebenso die an Kriegsorten erhalten     gebliebenen Waffen ein, um sie den Sicherheitsorganen zu übergeben.
 
 Die schwarzen Spurensucher" hingegen interessierten lediglich Waffen und     Sprengkörper. Sie scheuen auch heute noch die Öffentlichkeit, da sie ihr Geschäft nicht     bekanntmachen wollen. Dennoch sind sie der Kriminalpolizei gut bekannt, nicht selten     werden Spurensucher verhaftet.
 
 Zu Beginn der Perestrojka, als Deutschland noch gerne Erkennungsmarken und Dokumente     deutscher Gefallener kaufte, waren die Schwarzhändler hauptsächlich auf der Suche nach     solchen Gegenständen. Sogar Verwandte verstorbener Soldaten, die Dokumente von der     Botschaft erhalten hatten, reisten ins Gebiet, und die Spurensucher führten sie an die     Orte, an denen ihre Verwandten begraben waren; sie verdienten daran nicht schlecht. Diese     Spurensucher wurden die "Deutschen" genannt. Heute suchen und verkaufen sie     zerschlagene deutsche Helme sowie andere Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg.
 
 Als das Geschäft mit Erkennungsmarken nicht mehr so gut lief, weil die deutsche     Botschaft keine mehr kaufen wollte, begriffen einige Spurensucher sehr schnell, daß sich     ebenso mit Waffen, die sie in großer Anzahl fanden, gute Gewinne erzielen ließen. Es     erwies sich, daß die meisten "Büchsen", obwohl sie schon Jahrzehnte in der     Erde gelegen hatten, sehr gut erhalten waren. Einige Schwarzhändler verstanden sich auf     gewisse Methoden der Restaurierung: Sie erneuerten nicht nur Gewehrkolben, sondern auch     die Rohre.
 
 Während die Spurensucher in der Vergangenheit Kampforte mit Minensuchstäben     abtasteten, verfügen sie heute über neueste Technik bekannter westlicher Firmen. Sie     unterhalten auch Kampftruppen für den Fall von Auseinandersetzungen mit anderen     Gruppierungen. Doch davon gibt es nur wenige. Die Banditen ziehen es gewöhnlich vor, sich     nicht mit den Spurensuchern anzulegen, es gibt scheinbar einen Ehrenkodex unter Gangstern,     und die Territorien sind ohnehin schon längst aufgeteilt.
 
 Neben diesen Gruppen betätigen sich auch Einzelpersonen an dem lukrativen Gewerbe. Der     Platz reicht für alle, denn im Gebiet gibt es genügend Orte, an denen kriegerische     Handlungen stattfanden. Die Kinder der Spurensucher treten nicht selten in die Fußstapfen     der Eltern. Sie werden von frühester Kindheit an mit einbezogen. So entstehen regelrechte     Familiendynastien.
 
 Wegen unerlaubten Waffenbesitzes, des Verkaufs oder Tragens von Waffen, des Besitzes     von Kampfmitteln und explosiver Mittel könnten die illegalen Waffenhändler bestraft     werden. Bis zu acht Jahre Freiheitsentzug stehen auf diese Vergehen. In der Praxis wird     jedoch nur dann jemand wegen dieser Delikte bestraft, wenn er noch eine weitere Straftat     begangen hat. MRH
 
 (Aus: Kaliningradskaja Prawda)
 
 
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