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Glanzvoll gegen die Tristesse angesungen

 
     
 
Die Bayreuther Festspiele machten in diesem Jahr eine klare Zweiteilung durch: Da sind der Holländer und Parsifal - genügend Karten während der Aufführungszeit noch zu haben, auch leere Sitze zumindest nach den Pausen, und da sind Tannhäuser und Lohengrin - schon bei den offiziellen Kartenbestellungen restlos "überbucht".

Besonders die Neuinszenierung von "Tristan & Isolde" erfreute sich großen Interesses. Nun ist der "Tristan" wegen seiner bekannten Handlungsarmut
ohnehin am leichtesten konzertant aufführbar - was beim "Ring" oder den "Meistersingern" geradezu absurd wäre. Und das geschieht auch weltweit bisweilen. Nur: Wer nach Bayreuth kommt, will die "Handlung in drei Akten" auch sehen. Ob nun Jean Pierres Ponelles grandiose Manifestation oder H. Müllers karge Abwicklung - ein jeder, wie er kann, aber man sollte das Werk schon noch erkennen, vom Bühnenbild wie von der Personenregie her. Das war dieses Jahr bei Marthalers Inszenierung über weite Passagen hin nicht mehr möglich. Pro Akt je ein Raum, der sich über die ganze Bühne zieht: Im ersten Akt: Stil aufgelassenes Hotelfoyer, voller Stühle und Sessel, die im völligen Durcheinander herumstehen, und von Isolde umgeworfen und von Brangäne wieder aufgestellt werden - was für ein bedeutender Regieeinfall - links und rechts flankiert von langen Bänken; im zweiten Akt dafür um so leerer, nur eine kleine Bank in der Mitte, auf die dann "die Nacht der Liebe" auf die Akteure hernieder sinkt; im dritten Akt schließlich ein riesiger Warteraum, mit einem sterilen Krankenhausbett, das eine Einfassung umgibt, wie ein Laufstall für Kleinkinder, worin dann Tristan stirbt.

In dieser ebenso banalen wie langweiligen Umgebung agieren die Personen - das heißt, sie agieren eben meistens nicht oder kaum. Stört in vielen Operninszenierungen überflüssiger Daueraktionismus, so stehen hier die Figuren zumeist beziehungslos und untätig herum. Geradezu wohltätig wird dann echte Personenregie geführt im dritten Akt, wenn Tristan voller Qual sehnsüchtig Isolde erwartet. Da merkt offenbar sogar Marthaler, daß dies nicht mit regungslosem im Bett liegen dargestellt werden kann. Überhaupt setzt hier die Musik die Grenzen. Die größte musikalische Steigerung in der gesamten Opernliteratur verlangt eine Entsprechung in der Aktion - und natürlich sowieso im Text - sonst liegt alles daneben, sonst entsteht eine Werksvernichtung durch Inszenierung. Genau das ist die Crux vieler derzeitiger "Inszenierungen" weltweit. Und wenn dann Isolde, viel mehr als am Schicksal Tristans, an den vielen auf- und zugehenden Neonschleifen - wozu diese überhaupt? - an der Zimmerdecke interessiert ist - sie weist ihren zukünftigen Gatten, König Marke, öfters mit schelmisch ausgestrecktem Zeigefinger (eigentlich recht lieb) darauf hin - dann bleibt nur noch peinliche Albernheit.

Das alles, gewissermaßen zur Krönung, findet in banalen Billigklamotten der 50er und 60er Jahre, ohne jede Stilisierung statt. Es war zwar keine Parodie - dazu war es zu langweilig, denn Satire will gekonnt sein - nicht einmal eine mittelmäßige Aufführung: Mag die Musik zum Wahnsinn treiben - die Inszenierung entlockt nur ein müdes Gähnen.

Um so weniger tut dies die musikalische Seite: Eiji Oue mag nicht den Schattierungsreichtum, den man erwartet, zustande gebracht haben, er differenzierte zu wenig bei Klangfarbe und bei Lautstärke, aber insgesamt war es eine eindrucksvolle Leistung. Und: welch eine Isolde, welch ein Tristan. Nina Stemme als Isolde ist einfach ein Phänomen. Ihre Stimme meistert alle Situationen der Rolle: Sie ist leuchtend, warm, voll, heldisch und dramatisch in einem. Und wenn auch der Liebesszene im zweiten Akt jede große Geste fehlt - die schmalen Zärtlichkeiten des Paares auf der Bank sind seltsam rührend, und lassen wenigstens hier Liebesstimmung aufkommen. In Robert Smith hat sie einen idealen Tristan gefunden: Lyrisch - biegsam im Liebesduett, dramatisch in der Sterbe-szene, aber ohne Dauerforcierung bis zum Gebrüll, beides hier so üblich, durchsingt er diesen stimmörderischen Marathon. Beide lassen die gegen das Werk gerichtete Inszenierung über weite Stellen hinweg einfach vergessen.

Das "Filetstück" ist in diesem Jahr der "Tannhäuser". Die Personenregie ist, wohl zum Teil durch die Sänger und Sängerinnen selbst, ausgefeilt worden, und unterscheidet sich von der fast langweiligen Personenführung der ersten Aufführung vor Jahren gewaltig. Besonders der Sängerwettstreit hat eine schauspielerische Dichte im dramatischen wie auch komischen erhalten, die man auf einer Opernbühne suchen muß. Zusammen mit der Farbigkeit des Bühnenbildes und der stilisierten Kostüme ist dies ein Augenschmaus. Dabei bleibt es natürlich nicht: Der Ohrenschmaus von Musik und Gesang ist überwältigend.

Nächstes Jahr ist es wieder soweit: Ein neuer "Ring" steht an. Die Regie übernimmt der bekannte Theaterautor Tankred Dorst. Dem Dirigenten kann man wohl schon Vorschußlorbeeren einräumen: Es wird Christian Thielemann sein. Bayreuth-Fans dürfen gespannt sein!

Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten: Während der "Tannhäuser" den Zuschauern auch etwas fürs Auge bot, blieb "Tristan und Isolde" nur ein Ohrenschmaus. Fotos (2): Bayreuther Festspiele
 
     
     
 
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