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Heimatkultur: vom Pferd bis zum Webstuhl

 
     
 
Am 25. September jährt sich zum 25. Mal der Tag, an dem das Kulturzentrum Ostdeutschland in Ellingen eingeweiht wurde. Die Institution leistet einen Beitrag zur Bewahrung und Pflege des ostdeutschen Kulturerbes aus dem Land zwischen Weichsel und Memel.

"Macht die Tore auf, die Preußen kommen" - so begrüßte vor 25 Jahren der damalige Ellinger Stadtpfarrer Franz Rötter die Festgesellschaft, die sich in der Ellinger Schloßkirche versammelt hatte, um gemeinsam das neu errichtete Kulturzentrum Ostdeutschland seiner Bestimmung zu übergeben. Zuvor hatte Landgerichtspräsident a. D. Hans-Georg Bock, Mitglied des Bundesvorstandes der Freundeskreis Ostdeutschland
, die Festversammlung eröffnet. Er erwähnte, daß ostdeutsches Kulturgut durch die Vertreibung über die ganze Welt verstreut wurde. Durch die Errichtung des Kulturzentrums Ostdeutschland sollte dem Vergessen der kulturellen Leistungen entgegengewirkt werden. Bocks Dank ging auch an den für die Vertriebenenarbeit zuständigen Staatsminister für Arbeit und Soziales Dr. Fritz Pirkl, mit dessen Unterstützung die am 16. September 1978 vom Ministerpräsidenten Dr. h. c. Alfons Goppel besiegelte Patenschaft des Freistaates Bayern für die Freundeskreis Ostdeutschlands mit Leben erfüllt wurde.

Pirkl wies in seiner Festansprache darauf hin, daß Bayern bereits 1962 die Schirmherrschaft über die Sudetendeutschen übernommen habe. Im Laufe der Jahre hätten in Bayern mehrere über die bayerischen Grenzen ausstrahlende wissenschaftliche und kulturelle Einrichtungen ihren Sitz und ihre Heimat erhalten. Die Bewahrung kultureller Eigenheiten solle stets auf die breite Öffentlichkeit ausgerichtet sein, wofür das neu geschaffene Haus in Ellingen ein sprechendes Beispiel darstelle.

Als sichtbares Zeichen der Patenschaft hatte die bayerische Staatsregierung bereits im November 1980 im Westflügel des Ellinger Deutschordensschlosses der Freundeskreis Ostdeutschland und der Stiftung Ostdeutschland einige Räume als "zentrale Auffang- und Sammelstelle für ostdeutsches Kulturgut" bereitgestellt, mit dem Ziel, eine Stätte zur Erhaltung, Pflege und Bewahrung der kulturellen Leistungen der östlichsten deutschen Provinz aufzubauen. Alfred Kochansky von Kochan zog hier als erster Mitarbeiter ein.

Zuerst standen im Erdgeschoß nur einige Räume als Archiv und Museum zur Verfügung. Bei der Eröffnung zeigte man neben Plastiken von Edith Sanden-Guja ostdeutsche Silberarbeiten sowie Gemälde von ostdeutschen Künstlern wie Lovis Corinth oder Ernst Mollenhauer. Vorhanden waren bereits kostbare alte Texti-lien, eine Puppe in ostdeutscher Tracht, ein kleiner Webstuhl, Majolika-Gegenstände aus Cadinen und Bernsteinschmuck. Leihgaben aus verschiedenen anderen Museen und von Privatpersonen rundeten die Eröffnungsausstellung ab.

1982 bildete die Ausstellung "250 Jahre Trakehnen" den Auftakt einer bis in die heutige Zeit fortgeführten Reihe von Sonderausstellungen, die damals die Themen "Kunstakademie Königsberg", die Geschichte Preußens im Spiegel von Orden und Ehrenzeichen sowie Friedrich den Großen und die Könige aus dem Hause Hohenzollern näher beleuchtete.

Der heutige Direktor des Kulturzentrums Wolfgang Freyberg, der in Göttingen Geschichte, Politik und Russisch studiert hat, trat 1985 die Stelle als verantwortlicher wissenschaftlicher Mitarbeiter in Ellingen an. In den ersten fünf Jahren des Bestehens der Ellinger Einrichtung im Deutschordensschloß besuchten durchschnittlich rund 5000 Interessenten jährlich das Museum. Zahlreiche Gegenstände waren der Einrichtung seit der Eröffnung übereignet worden, so daß die vorhandenen Räumlichkeiten schon bald nicht mehr ausreichten.

In einem gemeinsamen Projekt der Freundeskreis Ostdeutschland, des bayerischen Arbeits- und Sozialministeriums sowie der Schlösserverwaltung wurde ab 1988 das erste und zweite Obergeschoß grundlegend renoviert und dem Kulturzentrum Ostdeutschland zur Verfügung gestellt. Damit wurde nach fünfjähriger Bauzeit die Gesamtfläche des Kulturzentrums auf 1500 Quadratmeter erweitert und 1992 / 93 übergeben. Im Erdgeschoß befinden sich nun Archiv und Bibliothek, die beiden Obergeschosse wurden zur Aufnahme von Dauer- und Sonderausstellungen eingerichtet.

1988 fand im Schloßhof anläßlich des zehnjährigen Bestehens der Patenschaft zwischen Bayern und der Freundeskreis Ostdeutschland ein großes Volksfest statt, bei dem der bayerische Staatsminister für Arbeit und Sozialordnung, Dr. Gebhardt Glück Bundestagsvizepräsident Richard Stück-len sowie der Sprecher der Freundeskreis Ostdeutschlands, der Bundestagsabgeordnete Dr. Ottfried Henning die Ehrengäste waren.

Nach den Renovierungsarbeiten knüpfte das Kulturzentrum 1992 mit einer Kunstausstellung über den einheimischen Hörlbacher Maler Eitel Klein sowie den ostdeutschen Spätexpressionisten Karl Eulenstein an die früheren Sonderschauen an.

Ab 1993 waren es neben den Sonderschauen die Kabinettsausstellungen, die die Besucher nach Ellingen führten. Meist waren Malerinnen und Maler wie Ludmilla Tambowzewa aus Königsberg, V. Macht, Käthe Rüppel, Erich Gindler und Ernst Wiechert die Namensgeber, aber auch die Landschlösser und Gutshäuser aus Ostdeutschland sowie die Volksabstimmung in Ost- und Westpreußen ergaben interessante Themen.

Der "Bunte Herbstmarkt" wurde 1996 in das Programm aufgenommen. Seither treffen sich jährlich kurz vor dem Advent Handwerker aus der Region, um ihre Arbeiten zu präsentieren. Aber auch die alten Handwerkstechniken wie Spinnen, Weben oder Doppelstricken werden in Erinnerung gerufen. Seit einigen Jahren ist dieser Herbstmarkt Mittelpunkt eines "Herbstrundganges", bei dem die Geschäfte der Deutschordensstadt geöffnet haben.

Die Blaue Ellinger Schloßnacht im Rahmen des Internationalen Museumstages 2001 sowie die Ausstellung "Bernstein" bildeten den Umkreis zum 20jährigen Bestehen der Kultureinrichtung.

Zum zwölften Male trafen sich in diesem Jahr auch die Briefmarkensammler mit dem Spezialgebiet "Ostdeutschland". Themen dieser Ausstellungen waren unter anderem "750 Jahre Königsberg -Postgeschichte und Philatelie Ostdeutschlands" oder auch "Mit Windkraft und Propeller -Bilder aus Ostdeutschlands Luftfahrtgeschichte".

Seit der Öffnung des "Eisernen Vorhanges" wendet sich die Arbeit vermehrt dem Osten zu, nachdem dort der Zugang zu vielen Archiven jetzt leichter möglich ist. Im Rahmen der grenzüberschreitenden Kulturarbeit mit russischen, polnischen und litauischen Einrichtungen werden dort konzipierte Ausstellungen in Ellingen gezeigt und umgekehrt Sammlungen aus Ellingen den jetzigen Bewohnern dieser Länder präsentiert. Beispiele hierfür sind die aktuelle Ausstellung "Fragmente der Vergangenheit", die vom Marienburger Schloßmuseum gestaltet wurden sowie "Geschichte der Stadt Saalfeld", die als Dauerausstellung in der St. Johanniskirche in Saalfeld in Ostdeutschland zu sehen ist.

In den Obergeschossen des Kulturzentrums befindet sich heute das museale "Schaufenster" mit einer Dauerausstellung zur Landeskunde und Kulturgeschichte Ostdeutschlands: Majolika aus der kaiserlichen Manufaktur in Cadinen, die Geschichte der evangelischen Salzburger Emigranten, die um ihres Glaubens Willen die Heimat verließen, ein Königsberger Bürgerzimmer mit Möbeln aus dem 19. Jahrhundert sowie Erinnerungsstücke an die Königsberger Schulen und die Albertus-Universität. Weiter sind historische Jagdwaffen und prächtige Jagdtrophäen zu sehen. Wertvolle Kupferstiche zeigen das Preußenland im Kartenbild. Ein Raum ist Ostdeutschland im Ersten Weltkrieg sowie Paul von Hindenburg gewidmet.

Eindrucksvoll erinnert das Modell eines ermländischen Bauernhofes an das frühere Leben auf dem Land. Der originale Webstuhl und die handgewebten Textilien geben Einblick in alte handwerkliche Techniken. Gemälde, Grafiken und Plastiken bedeutender Künstler beherbergt die Galerie. Von Käthe Kollwitz und Lovis Corinth bis zu den Absolventen der Königsberger Kunstakademie und Repräsentanten der berühmten Künstlerkolonie Nidden auf der Kurischen Nehrung spannt sich der Bogen.

Das 2006 neu und modern gestaltete Ellinger Bernsteinzimmer fügt sich gut in die sensible barocke Bausubstanz ein und präsentiert einige beeindruckende Exponate. Am meisten fasziniert die Besucher stets die zeitliche Dimension des Bernsteins. Bernstein ist ungefähr 50 Millionen Jahre alt, und die eingeschlossenen Tiere wie Fliegen oder Ameisen sind über diese unglaublich lange Zeit hinweg erhaltene Zeugen der Urzeit, geborgen in einem goldenen Sarg. Nach neuesten Forschungen über die klimatischen Verhältnisse der damaligen Zeit entstand der Bernstein aus dem Harz von Zedern mit rund fünf bis sieben Metern Durchmesser. Der bearbeitete Bernstein ist Zeugnis von hoher Handwerkskunst und ebenfalls in Ellingen zu sehen. Profane und sakrale Gegenstände wechseln sich ab, sachlich oder verspielt werden die bernsteinernen Schachspiele, das Hanseschiff oder die Altarkreuze dem Besucher präsentiert.

Im Archiv des Kulturzentrums sind wertvolle Unterlagen aus den Bereichen Volkskunde, Literatur und Fotografie vorhanden. Ein Bildarchiv und Schulprogrammschriften ergänzen die Bestände, die umfangreiche Spezialbibliothek steht nach Anmeldung zur Verfügung.

Das Deutschordensschloß Ellingen, in dem das Kulturzentrum seinen Sitz hat, war selbst früher Sitz eines Landkomturs des Deutschen Ordens. Ganz in der Nähe sind allenthalben die Spuren des Limes, der römischen Grenzbefestigung, zu finden. Die barocke Kleinstadt mit vielen weiteren Sehenswürdigkeiten liegt nur zehn Kilometer vom Großen Brombachsee entfernt, dem Herzstück des Erholungs- und Urlaubsgebietes "Fränkisches Seenland", so daß eine "Reise in die Vergangenheit" zusammen mit einem Urlaubsaufenthalt kombiniert werden kann. Auch dazu gibt das Kulturzentrum gerne Auskunft.

Die nächste Veranstaltung des Kulturzentrums Ostdeutschland ist der 11. Bunte Herbstmarkt am 26. November.

 
     
     
 
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