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Hitlers Geld und seine Erben

 
     
 
Durch Fernsehsendungen und Abhandlungen in großen Wochenzeitungen initiiert hat in Deutschland unter Historikern eine neue Runde im Streit um die Einschätzung des Dritten Reiches und seines Diktators Adolf Hitler begonnen. Es geht diesmal um die Frage, ob Hitler sich am Staat bereichert hat, gar Milliardär gewesen ist.

Nachgeborene, die in Anspruch nehmen, Historiker zu sein und genau zu wissen, worüber sie reden, kolportieren rund 60 Jahre nach Hitlers Tod, den das Amtsgericht Berchtesgaden erst am 25. Oktober 1956 amtlich "feststellte", daß der am 30. April 1945 durch Selbstmord geen-dete Diktator "Milliardär" gewesen sei. Tatsächlich befanden sich auf dem Konto des "Milliardärs" Hitler bei dem ihm seit November 1921 gehörenden "Franz-Eher-Verlag" in München lediglich rund 9,5 Millionen Mark. An Honoraren für "Mein Kampf" hat- te er für die bis dahin vertriebenen 9,84 Millionen Exemplar
e knapp 7,9 Millonen Mark erhalten. Die Einnahmen aus dem Vertrieb von Postwertzeichen mit seinem Kopfbild und die Honorare für seine Beiträge in dem ihm ebenfalls gehörenden Kampfblatt "Völkischer Beobachter" fielen keineswegs so ins Gewicht, wie es den Anschein hatte.

Vom "Milliardär Hitler" hätte noch nicht einmal gesprochen werden können, wenn die Spenden und Gelder der NSDAP und auch des Staates, auf die er zum Teil rechtmäßig - neben seinem offiziellen Salär von jährlich 60.000 Mark - zurückgreifen konnte, sein persönliches Vermögen gewesen wären, wovon jedoch nicht die Rede sein konnte. So hatten beispielsweise die staatlichen Dotationen von je 250.000 Mark an die 1940 nach dem Frankreich-Feldzug zu Generalfeldmarschällen ernannten Militärs nicht entfernt etwas mit "Hitlers Geld" zu tun, was in einer ARD-Dokumentation vom 28. August 2002 jedoch auch als "Beweis" für die teilweise tatsachenfremde Behauptung angeführt wurde, daß Hitler selbst "Milliardär" gewesen sei.

Über welche persönlichen Einnahmen Hitler, der am 15. März 1935 seine Steuerunterlagen als Steuerzahler aus den Akten des Münchener Finanzamtes entfernen ließ und ab 1934 keine Steuern zahlte, bis 1945 (neben seinen offiziellen staatlichen Gehältern als Reichskanzler und Staatsoberhaupt nach Hindenburgs Tod) verfügte, sobald die "Mein Kampf"- Honorare ausgeklammert werden, ist nicht zweifelsfrei verifizierbar. Vor seiner Machtübernahme hatte er als Braunschweiger Regierungsrat ein Netto-Jahresgehalt von insgesamt 5.091,20 Mark bezogen, das er allerdings nicht in Anspruch nahm, sondern "ausgesteuerten Arbeitslosen" zukommen ließ, was er problemlos zu tun vermochte, da er bis Januar 1933 knapp 2,3 Millionen Mark an seinem Buch "Mein Kampf" verdient hatte. 1933 waren trotz der scharfen Demaskierungen beispielsweise durch Heinrich Mann, Konrad Heiden, Rudolf Oden, Edgar Alex-ander, Ernst Niekisch, Manuel Humbert, Irene Harand und zahlreiche namhafte Exponenten der ausländischen Presse 1,5 Millionen Exemplare verkauft worden. Hitlers Honorar: 1.232.335 Mark. Durchschnittlich flossen an "Mein Kampf"-Honoraren jährlich 660.000 Mark auf sein Konto.

Er selbst, der für wirtschaftliche Fragen kein besonderes Interesse zeigte und beispielsweise den Reichsfinanzminister Lutz Graf Schwerin von Krosigh letztmals 1942 zu einem Vortrag empfing, als die Reichsschulden 4,77 Milliarden Mark betrugen, erklärte am 4. Juli 1942 im Führerhauptquartier "Wolfsschanze", daß er nicht in der Lage gewesen wäre, Museen, Galerien, Städte "und so weiter" durch Stiftungen zu fördern und während des Krieges auch die Kosten des Führerhauptquartiers aus seiner "Privatschatulle" zu übernehmen, wenn ihm die hohen Einnahmen aus "Mein Kampf" nicht zur Verfügung gestanden hätten. Sein einziges staatliches Salär als Reichskanzler, das er nicht mit 60.000, sondern fälschlich mit 36.000 Mark angab, habe "noch nicht einmal ein Zehntel davon" ausgemacht.

Die Frage, wie hoch die genauen Beträge waren, die ihm aus dem Verkauf der mit seinem Porträt versehenen Briefmarken, aus den Gewinnen des "Völkischen Beobachters" und des Franz-Eher-Verlages, deren gesamte Gesellschafteranteile sich ab November 1921 in seiner Hand befanden, sowie aus dem Parteivermögen zuflossen, muß offen bleiben. Nachweisbar ist lediglich, daß die ab dem 1. August 1941 mit Hitlers Kopfbild versehenen Postwertzeichen der Dauermarkenreihe keineswegs zu den Postwertzeichen gehörten, die als Spekulationspapier ohne Kursüberwachung gesammelt wurden. Gekauft wurden insgesamt für ungezählte Millionenbeträge Briefmarken ohne Hitler-Kopf. So wurden 1944 beispielsweise für die 1938 für 1,50 Reichsmark verkaufte Marke "Das braune Band 1938" 140 Reichsmark und für den 1933 3,50 Reichsmark kostenden Nothilfeblock 1.400 Reichsmark bezahlt.

In seinen Testamenten vom 2. Mai 1938 und vom 29. April 1945 hat Hitler durchaus eindeutig dokumentiert, was es mit seinem Vermögen auf sich hatte. So hieß es beispielsweise in seinem Testament vom 2. Mai 1938: "Mein gesamtes Vermögen vermache ich der Partei. Die mit dem Parteiverlag abgeschlossenen Verträge (Urheberrechte) werden dadurch nicht berührt ... Über die noch vorhandenen oder künftigen Einnahmen aus meinen Werken verfügt die Partei", was er allerdings durch die Verfügung relativierte, daß seiner Schwester Paula, seiner Halbschwester Angela und Eva Braun zeitlebens monatlich jeweils 1.000 Mark aus dem Vermögen zu zahlen seien.

Anders sah sein Testament vom 29. April 1945 dagegen aus. In ihm fehlen die Forderungen an die NSDAP, den von ihm 1938 genannten Verwandten und einigen namentlich erwähnten engsten Mitarbeitern bestimmte Beträge auszuhändigen. In ihm verfügte er: "Was ich besitze, gehört - soweit es überhaupt von Wert ist - der Partei. Sollte diese nicht mehr existieren, dem Staat, sollte auch der Staat vernichtet werden, ist eine weitere Entscheidung von mir nicht mehr notwendig. Ich habe in den von mir im Laufe der Jahre angehäuften Sammlungen niemals für private Zwecke, sondern stets nur für den Ausbau einer Galerie in meiner Heimatstadt Linz an der Donau gesammelt." Dennoch entschieden die Amtsgerichte München und Berchtesgaden, als sowohl die NSDAP als auch das Dritte Reich seit rund 15 Jahren nicht mehr existierten, daß seiner unverheirateten und kinderlosen Schwester Paula und nach deren Tod den Kindern seiner in seinem Testament von 1938 ebenfalls als Erbin genannten Halbschwester Angela zwei Drittel seines Besitzes als Erbe zu- stünden.

Der Anspruch des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen, mit der Übertragung des 1945 liquidierten Franz-Eher-Verlages zugleich auch über die Urheberrechte an "Mein Kampf" zu verfügen, ist rechtlich umstritten, was ausländische Verlage, so beispielsweise auch der russische Verlag "T-OKO", der das Buch 1992 - ohne Kürzungen - publizierte, zu ihren Gunsten nutzen. Schon eine Klage auf Wahrnehmung des Nutzungsrechts seitens der Erben Hitlers würde das Bayerische Ministerium zwingen, seine Ansprüche zu überprüfen. Der Freistaat Bayern war laut Urteil des Landgerichts München I vom 15. Oktober 1948 zwar berechtigt, Hitlers Vermögen zu beschlagnahmen; aber er war und ist nicht berechtigt, auch als Inhaber des Urheberrechts von Adolf Hitler aufzutreten, da das Urheberrecht ein Recht eigener Art mit ineinander übergreifenden verwertungs- und urheberpersönlichkeitsrechtlichen Befugnissen darstellt, so daß weder die Vorschriften über Vermögensrechte (insbesondere des Sachrechts) noch über die des Persönlichkeitsrechts unmittelbare An- wendung finden können. Die Berufung des bayerischen Finanzministeriums im Zusammenhang mit dem behaupteten Erwerb des Urheberrechts auf die bayerische Einziehungsverordnung von 1948 ignoriert, daß das Urheberrecht zwar vererblich, jedoch unübertragbar ist. Der Kern des Urheberrechts ist kraft Erbganges auf die Erben Adolf Hitlers übergegangen.

Und das sind die Erben: Nach dem Urteil des Amtsgerichts München vom 17. Februar 1960 ist Hitlers Schwester Paula Hitler erbberechtigt. "Erbschein über die Erb- folge von Adolf Hitler", so urteilte das Gericht, "auf Grund Testaments (vom 29. April 1945) und Ausschlagung nach Wegfall der Vorerbin, der NSDAP", ist zugesprochen. Nach ihrem Tod am 1. Juni 1960 fiel das Erbe nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Berchtesgaden vom 25. Oktober 1960 an die Kinder ihrer und Adolfs Halbschwester Angela, einer 1883 geborenen Tochter aus zweiter Ehe des Hitler-Vaters Alois Hitler.

Das bayerische Finanzministerium, das sich auf eine Entscheidung der Spruchkammer des Landgerichts München I vom 15. Oktober 1948 beruft, ging (und geht) davon aus, daß eine Neuveröffentlichung von "Mein Kampf" das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland schädigen und ihr den Vorwurf eintragen könnte, eine "Weiterverarbeitung nationalsozialistischen Gedankengutes" zu dulden, was verständlicherweise weder in Deutschland noch im Ausland auf einhellige Zustimmung stieß. So schrieb beispielsweise der jüdische Autor C. C. Aronsfeld 1972 in der Zeitschrift "Prejudice" des Institute of Jewish Affairs: "Die deutschen Behörden widersetzen sich der Wiederveröffentlichung dieses Buches in dem Glauben, daß es für eine Freundschaft und Verständigung schädlich sein könnte. Diese Zweifel können wir verstehen, aber nicht teilen. Der Ursprung Hitlers ist fast irrelevant. Was wichtig ist, ist die Tatsache, daß er existierte, daß er seinem Volk und der Welt Unheil brachte und daß es immer noch Anhänger in vielen Teilen der Welt gibt. ,Mein Kampf ist ein Handbuch ihrer Vorurteile und ihrer Unwissenheit, ob sie nun der deutschen, britischen oder irgendeiner anderen Nation angehören. Es ist deshalb notwendig, daß Hitler ... verstanden werden sollte. ,Mein Kampf ist eine Einführung in seinen Geist und seine Methoden und sollte als solches zum Studium verfügbar sein." Und Theodor Heuss, der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, schlug mir 1959 vor, "Mein Kampf" zu kommentieren und herauszugeben. "Ein besseres Mittel gegen eine Renaissance Hitlerischer Vorstellungen als ,Mein Kampf ", so meinte Heuss, könne es kaum geben.

Hitlers persönliches Vermögen basierte primär auf Konsequenzen des Urheberrechts und belief sich am Ende seines Lebens auf rund 9,5 Millionen Mark. Alle anderen Mittel, über die er als Parteiführer und Staatsoberhaupt verfügte, waren Ergebnisse geliehener politischer Macht. Keiner der Diktatoren des 20. Jahrhunderts, weder Hitler noch Lenin, Stalin oder Mao Tse-tung, war Milliardär geworden. Keiner von ihnen war auf sein eigenes Geld angewiesen. Lenin partizipierte von den 40.480.997,25 Mark, die das Deutsche Reich bis Ende Januar 1918 als "Mittel für russische Propaganda" an die Bolschewisten überwies. Stalin konnte - ganz nebenbei - auf die 75 Millionen Goldmark zurückgreifen, die der deutsche Außenminister Gustav Stresemann der Sowjetunion 1923 als Kredit einräumte. Mao Tse-tung, ab 1949 Vorsitzender der chinesischen Zentralen Volksregierung und bis zu seinem Tod im Januar 1976 Staatsoberhaupt und Vorsitzender des Politbüros und des ZK, erhielt 1950 von Stalin einen Kredit von umgerechnet 1,35 Milliarden Mark und stellte hinsichtlich seines Lebenswandels nahezu alles von dem in den Schatten, was die chinesischen Kaiser sich geleistet hatten, obwohl sein Monatsgehalt umgerechnet lediglich 620 Mark betragen hatte. n

Der in Speyer beheimatete Historiker Prof. Dr. Werner Maser ist Nachlaßverwalter und somit im Besitz einzigartiger Dokumente wie dem Testament des Diktators.

 

Fotos: Viel gekauft, kaum gelesen. Für die bis zu seinem Tode vertriebenen 9,84 Millionen Exemplare seines Buches "Mein Kampf" erhielt Adolf Hitler knapp 7,9 Millionen Mark an Honoraren. Sie bildeten den Hauptbestandteil der von ihm hinterlassenen rund 9,5 Millionen Mark. Leider standen die Verkaufszahlen der programmatischen Kampfschrift in keinem Verhältnis zur Kenntnis von dessen Inhalt in der Bevölkerung des Deutschen Reiches und in den Außenministerien des Auslands.

Paula Hitler: Adolf Hitlers Schwester und Erbin blieb unverheiratet und kinderlos
 
     
     
 
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