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In arroganten Wortblasen erstickt

 
     
 
Das Ziel der Wirtschaft ist der Mensch." An dieses Zitat von Walter Eucken, einem der Väter der Sozialen Marktwirtschaft, knüpfte Erwin Teufel, Ministerpräsident i.R., in "Die Welt" sein Plädoyer für eine funktionstüchtige und menschenwürdige Wirtschaftsordnung. Der Wert eines Unternehmens sei nicht der Börsenwert, sondern das Können und die Motivation der Mitarbeiter sowie ihre Wertschöpfung. Deutlicher kann die Misere um derzeit versuchte Lösungsmodelle für Deutschland und im weiteren Sinne auch für die Europäische Union
, kaum beschrieben werden, unsere Politik leide an punktuellem Handeln, es fehle das zusammenhängende Denken.

Wo liegen die Wurzeln des Übels? Allem voran an einem Übermaß an Bürokratie, an Regeln und Vorschriften, die eine Gängelung und Einschränkung der Bewegungsspielräume der Bürger und der Unternehmen bewirken, zum Schaden der Wettbewerbsfähigkeit, des Wohlstandes und des Lebensstandards des Einzelnen, wie auch des Allgemeinwohls schlechthin. Die Beschneidung des Aktionsradius mündiger Bürger und innovativer Unternehmer ist heute um so verhängnisvoller, als Deutschland, wie die EU insgesamt, sich einer breit angelegten, zielbewußten Offensive asiatischer Länder - China und Indien vorne an - gegenüber sehen, unsere Märkte, die heimischen wie die Exportmärkte in aller Welt, zu erobern. Märkte, in denen unsere Waren und Dienstleistungen produzierende Wirtschaft bislang eine fundierte Basis für gewinnträchtige und heimische Arbeitsplätze sichernde Betätigung fand. Ein weiterer gewichtiger Faktor erhöht den Grad der Gefährdung unserer Wettbewerbsfähigkeit beträchtlich: Das Fehlen einer realitätsgerechten nationalen Energiepolitik. Das Beharren der Großen Koalition auf dem Ausstieg aus der Kernkraftproduktion, andererseits kostenintensive Übersollerfüllung der Kyoto-Kriterien, Energiesparappelle an Wirtschaft und Normalverbraucher sowie kostspieliger massiver Ausbau der Förderung regenerativer Energien machen Deutschland in wenigen Jahren zu dem Land in Europa, in dem Energie am teuersten, ihre Verfügbarkeit am gefährdetsten und ihre Umweltfreundlichkeit mit enormen Prämien belastet sein wird. Die Auswirkungen all dessen auf die ohnehin durch die wachsende Billigkonkurrenz aus Asien stark herausgeforderte Wettbewerbsfähigkeit und das Ausmaß der Gefährdung von Millionen heimischer Arbeitsplätze dürften dramatisch sein und das soziale Gefüge in Deutschland vor kaum noch zu bewältigende Probleme stellen.

Zusätzliche Gefahrenpunkte liegen in der Mehrheitsmentalität, die in der Bundestagswahl im Herbst 2005 deutlichen Ausdruck fand. Rückhalt für eine Politik, die endlich damit beginnt, Schuldenabbau durch weniger Staat, Abbau von Behörden und Verzicht auf den Wildwuchs von zumeist entbehrlichen Regeln zu erzielen, brachte der Wahlausgang jedenfalls nicht. Etwa die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts wird weiter behördlich umverteilt. Der Nutzen solcher Politik bleibt umstritten und was bislang an Reformen sichtbar wird, bietet keinen Anlaß zu Freudenfesten. Eher müssen wir in absehbarer Zeit mit einer Revolution der schrumpfenden Jugend rechnen, die von der hohen Politik mit Altlasten bedacht wird, welche unsere Nachfahren auch nicht begleichen könnten, wenn sie einen Lebensstandard nahe der Armutsgrenze in Kauf nehmen würden.

Ein Mentalitätswechsel ist also in doppelter Hinsicht unabdingbar: Die Menschen im Land müssen begreifen, daß der Versorgungsstaat im Stil der letzten Jahrzehnte zum Staatsbankrott führt und daß die Vorrangstellung der Industrienationen der "Alten Welt", welche dieser einen vergleichsweise hohen Lebensstandard bescherte, nun dem Wettbewerb jener ausgesetzt sind, die bislang auf der Schattenseite einer florierenden Weltwirtschaft lebten. Die Realität heißt heute "globaler Wettbewerb". Wir können diesen durchaus erfolgreich bestehen, wenn unsere Mentalität sich normalisiert. Das heißt: Mehr als zuvor sind zunächst einmal wir ganz persönlich gefordert, unsere Leistung, unsere Konzentration auf das, was wir nach wie vor wahrscheinlich besser können als andere, bietet unserer Wirtschaft die Grundlagen, weiter mit Erfolg im Rennen zu bleiben, wenn auch in vielfach anderen Disziplinen, als gewohnt. Parallel zum "Volk" muß aber auch der politischen Klasse parteienübergreifend klar werden, daß Politik nicht für Jobs in der Politik, sondern vorrangig zum Wohl des Volkes gemacht werden muß. Und, daß das Wohl des Volkes nicht dadurch gefördert wird, wenn durch Gesetzesfluten der Einzelne gegängelt wird, bis er zum Mitläufer in der lenkbaren Masse für die jeweiligen Inhaber der Macht geworden ist. Unsere freiheitliche Demokratie dürfte durch überheblich-arrogantes Gehabe politischer Entscheidungsträger weit stärker in ihrem Bestand gefährdet sein als durch die Wortblasen und Muskelspiele staatsfeindlicher Extremisten von Links und Rechts.

Das Reformgehabe der Großen Koalition zeigt den qualitativen Niedergang der großen Volksparteien deutlich an. Zusammenhängendes Denken fehlt, Lösungskonzepte für Einzelbereiche laufen überwiegend auf zentrale Steuerung durch den Staat und Schmälerung der Selbstverwaltung durch erfahrene Fachgremien an der Basis hinaus. Tausende von Details werden "von oben" geregelt, obwohl niemals jeder denkbare Vorgang vorausbedacht und in eine Norm gefaßt werden kann. Statt im Interesse der Nutzung von Eigeninitiativen der Bürger und Unternehmen Subsidiarität zu aktivieren, legt sich der Schatten eines planwirtschaftlich anmutenden Zentralismus über die Szene.

Die Anzeichen mehren sich, daß die in freiheitlichen Demokratien unentbehrliche Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative merklich schwächelt. Der auf Grund eines Listenplatzes ins Parlament gekommene Abgeordnete wird wenig Neigung verspüren, seinem Gewissen statt dem Fraktionszwang zu folgen. So kann die Volksvertretung zu einer Absegnungsanstalt für Vorlagen der Regierung degenerieren, jedenfalls soweit es die Abgeordneten der Regierungsparteien angeht.

Als äußerst langlebiges Übel aus der Vergangenheit ist zuweilen ein Trend erkennbar, der um ideologischer, total überholter und im Grunde reaktionärer Prämissen willen zur Selbstzerstörung unserer Gesellschaft führen kann. Das Wandern auf deutschen Sonderwegen, auch der Hang, vorschnell auszugrenzen und Toleranz zu verweigern, gehört zu den Übeln, die noch der Heilung bedürfen. Vielleicht kommen wir eines Tages auch zu einer Neudefinition des Begriffes der politischen Korrektheit, die so dann in Einklang mit Geist und Buchstaben unserer Verfassung stehen würde, etwa so: "Politisch korrekt ist, was dem Allgemeinwohl nützt und die Freiheit des in Verantwortung handelnden Individuums schützt." So eine Interpretation läge auch auf gleichem Kurs wie die Worte von Walter Eucken "Das Ziel der Wirtschaft ist der Mensch", ein Petitum, das in logischer Folge den absoluten Vorrang des Subsidiaritätsprinzips für eine gute Zukunft Deutschlands und Europas erheischt.
 
     
     
 
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