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In der Stadt der Künstler

 
     
 
Die Stimmung unter den Besuchern war freudig bis festlich - wie es sich gehört, wenn man ein neues Haus bezieht. Tausende waren am Wochenende gekommen, um das neue Domizil der Berlinischen Galerie in einem umgebauten Kreuzberger Glaslager zu besichtigen.

Endlich einmal waren keine Sozialproteste, Schließungen und Kürzungen zu vermelden, sondern der erfolgreiche Abschluß eines mühseligen, siebenjährigen Interregnums, in der das "Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotograf
ie und Architektur" - so der Untertitel - faktisch obdachlos war, seine Bestände in Depots verstauen mußte und nur auf Wanderausstellungen präsentieren konnte. In der eiligen Gegenwart, die schnell vergißt, was ihr einmal aus dem Blick geraten ist, und angesichts der desolaten Haushaltslage in Berlin hätte das auch das Aus bedeuten können.

Die Berlinische Galerie war 1975 als privater Verein gegründet worden, um wichtige Kunstwerke der Moderne, die in Berlin entstanden waren, in der Stadt zu behalten. Seinerzeit lebten in der Stadt noch Künstler, die in den 20er Jahren den Ruf Berlins als moderne Kunstmetropole begründet hatten, bzw. deren Erben.

Seit dem Mauerfall ist die Galerie auch für den Ostteil der Stadt zuständig, wo es eine vergleichbare Institution nicht gab. Ihre Quartiere wechselten. 1986 konnte sie in den Martin-Gropius-Bau ziehen, den sie 1997 aber wieder verlassen mußte, weil er für große Wechselausstellungen benötigt wurde. Mit extravaganten Zuwendungen des Landes oder der Industrie konnte die Galerie nicht rechnen. Dem Engagement des Direktors Jörg Merkert sowie den zahlreichen Kunstfreunden und Mäzenen ist es zu danken, daß sie jetzt trotzdem Herr in ihrem eigenen Hause ist.

Die Galerie umfaßt unter anderem eine Sammlung Moderner Kunst und eine Graphische Sammlung, für die Namen wie Lovis Corinth, Otto Dix, George Grosz, Ernst Ludwig Kirchner, Max Liebermann, Max Pechstein und Emil Nolde stehen. Hinzu kommen Dadaisten und Vertreter der russischen Avantgarde, die sich in Berlin niedergelassen hatten, sowie zahlreiche Nachkriegs- und Gegen- wartskünstler. Die Architektursammlung umfaßt Entwürfe und Modelle von 3.500 Architekten, 300.000 Pläne und Zeichnungen, 2.000 Modelle, 80.000 Fotografien sowie 800 Meter Aktenmaterial.

Zur Zeit sind einige Modelle der Regierungsbauten ausgestellt, die für den Bund errichtet wurden. Präsentiert wird aber auch die Große Halle, die Hitler im Berliner Spreebogen bauen lassen wollte. Das Reichstagsgebäude hätte sich dagegen wie ein Smart neben einem Fernlaster ausgenommen. Hinzu kommen Künstlernachlässe, Fotosammlungen und vieles andere aus der Zeit von 1900 bis heute.

Das neue Domizil ist ein schlichter, geräumiger, zweistöckiger Bau, der in nur zwei Jahren der Planung und der Umgestaltung errichtet wurde. Das knapp kalkulierte Budget wurde exakt eingehalten. Die Freifläche vor dem Eingangsbereich ist mit ockerfarbenen Platten ausgelegt, die je einen Buchstaben tragen und zusammen eine Art Kreuzworträtsel bilden. Im Innern fällt eine X-förmige Freitreppe auf, die von oben einen Rundumblick über den zentralen Ausstellungsbereich gestattet. Neben den Ausstellungsräumen enthält die Galerie eine Bibliothek, einen Veranstaltungs- und Studiensaal, sowie ein nach dem Galeriegründer benannten Eberhard-Roters-Saal, wo Besucher sich selten gezeigte Arbeiten auf Papier vorlegen lassen können.

Das Haus liegt nur wenige Minuten vom Jüdischen Museum entfernt. Ein positiver Nebeneffekt des Hauses liegt darin, daß es zur Aufwertung der Gegend beitragen wird. Voraussetzung dafür ist ein anhaltender Besucherzuspruch der Galerie. Verdient hat sie ihn.

Berlinische Galerie, 10969 Berlin, Alte Jakosstraße 124-128. Öffnungszeiten Montag bis Sonnabend 12-20 Uhr, Sonntag 10-18 Uhr.

Spiegel einer der wichtigsten Kunst- metropolen des 20. Jahrhunderts: Eine markante, X-förmige Treppe verbindet die verschiedenen Abteilungen der neuen "Berlinischen Galerie" Foto: Berlinische Galerie

 
     
     
 
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