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In die Realität zurückgekehrt

 
     
 
Am ersten Aprilwochenende haben die Italiener in 13 der 20 Regionen gewählt und ihrem Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi einen gewaltigen Denkzettel verpaßt.

Laut politischen Beobachtern ging es dem Wahlvolk diesmal nicht darum, über die Verwaltung in den Regionen abzustimmen. Die Wahlen sind mit einem Referendum über die Person Berlusconis gleichzusetzen, der sich mit geschickten Medieninszenierungen und leeren Versprechungen immer wieder in Szene zu setzen weiß.

Daß Themen wie Lifting, Haarimplantate oder der Strandlook des Ministerpräsidenten dieses Mal bei den Italienern keine Wirkung mehr erzielen konnten, hat der Ausgang der Wahlen in den Regionen nun deutlich bestätigt. In elf der Regionen erlangten die unter dem ehemaligen EU-Kommission
spräsidenten Romano Prodi geführten Mitte-Links-Parteien die Mehrheit der Stimmen. Romano Prodi zieht als Kandidat der Unionsparteien, die sich aus Margherita, DS (Demokratische Linke) und SDI (Sozialistische Demokaten Italiens) zusammensetzen, im nächsten Jahr in den Wahlkampf für die Parlamentswahlen.

Vor fünf Jahren hatte sich das Mitte-Rechts-Bündnis, das aus dem Berlusconi-Lager Forza Italia, der ultranationalen Alleanza Nazionale, der separatistischen Lega Nord und den Christdemokraten besteht, noch in acht der 13 Regionen durchsetzen können. Nun haben die Regierungsparteien ihre sechs Regionen Piemont, Ligurien, Latium mit der Hautstadt Rom, Abruzzen und Apulien an die Unionsparteien verloren. Noch nie seit Bestehen der Republik hat das Mitte-Links-Bündnis in derartig vielen Regionen die Mehrheit erreichen können. Dieses Resultat ist als ein besonderes Alarmsignal an den Medienzaren Berlusconi zu werten, da diese Wahlen als Generalprobe für die Parlamentswahlen im kommenden Jahr gelten. Denn auch wenn in Italien keineswegs eine mit Deutschland vergleichbare Untergangsstimmung herrscht, so mehren sich doch die mit der Regierung unzufriedenen Stimmen.

Worin nun liegen die Gründe der Wahlniederlage Berlusconis, die einem politischen Erdrutsch gleichkommt?

Der Wahlkampf hat dieses Mal unter ganz außergewöhnlichen Bedingungen stattgefunden. Das Medieninter-esse konzentrierte sich ausschließlich auf Papst Johannes Paul II., der im Sterben lag und einige Stunden vor Öffnung der Wahllokale verstarb. Das heißt, Wahlwerbespots wurden auf den staatlichen und privaten Kanälen ausgesetzt.

Ein weiterer Grund für das Ende der Flitterwochen zwischen dem italienischen Volk und seinem Premierminister ist, daß seine Versprechungen wie Seifenblasen zerplatzt sind.

Silvio Berlusconi hat sich mit Parolen wie "Steuersenkungen" und "neue Arbeitsplätze" angesichts steigender Lebenshaltungskosten und erhöhter steuerlicher Abgaben an die Regionen unglaubwürdig gemacht. Nutznießer seiner im vergangenen Jahr auf den Weg gebrachten Steuerreform ist nur die Oberschicht.

Die sogenannte "Devolution", eine besonders von der Lega Nord favorisierte föderalistische Reform, welche die Unabhängigkeit der Regionen stärken soll, schafft in der Realität eine noch größere Kluft zwischen Norden und Süden. Da die Reform im Sinne des wohlhabenden Nordens ist, konnten die Regierungsparteien auch nur in den nördlichen Regionen Venetien und Lombardei ihre Mehrheit behalten - mußten allerdings auch dort Verluste hinnehmen.

Im Süden hat die noch nicht im Parlament verabschiedete "Devolution", welche das Steuer-, Gesundheits- und Bildungswesen von Rom trennen will, die Wähler verschreckt. In der Tat siegte im traditionell konservativen Apulien Nichi Vendola, ein Kandidat der kommunistischen Parteineugründung Rifondazione Comunista, der mit sozialen Reformen für den "kleinen Mann" warb. Als Parlamentarier war er zuletzt in der Anti-Mafia-Kommission tätig.

Innerhalb der Regierungskoalition sorgte das Wahlergebnis für Spannungen. Vizepremier und Außenminister Gianfranco Fini von der Alleanza Nazionale forderte Berlusconi gemeinsam mit dem Chef der Christdemokraten Marco Follini auf, die "Devolution" zu stoppen und den Mittelstand sowie die sozial schwächer gestellten Schichten stärker zu unterstützen. Außerdem verlangten beide Bündnispartner, daß finanzielle Mittel in den armen, südlichen Teil Italiens fließen sollten. Diese Forderungen lehnt die separatistische Lega Nord vehement ab. In der kommenden Woche werden die Chefs der vier Bündnisparteien zusammentreffen, um über einen gemeinsamen Konsens zu beraten.

Romano Prodi wurde als Ministerpräsidentenkandidat der Mitte-Links-Parteien für die Wahlen im kommenden Jahr bestätigt. Er steht vor der schwierigen Aufgabe, das heterogene Bündnis, das von der moderaten Margherita über die katholischen Sozialisten bis hin zu den Kommunisten reicht, zu vereinen und ein gemeinsames Wahlprogramm zu präsentieren.

Es besteht die Gefahr, daß ein Jahr vor den Parlamentswahlen eine politisch turbulente Zeit anbricht, in der den Wahlkampfparolen keine Taten folgen. Dabei sind Reformen, die den Mittelstand sowie die kleinen und mittelständischen Betriebe fördern, dringend erforderlich. Denn auch in Italien wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer. Vittoria Finzi

 

In Herrscherpose: Italiens Möchtegernmonarch droht die Abwahl durch seine frustrierten Wähler. Auch wenn der Premier seinen Landsleuten immer eine gute Show bietet; inzwischen lassen sie sich nicht mehr damit abspeisen, sondern erwarten Einhaltung der Wahlversprechen.
 
     
     
 
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