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Nach der Ermordung des prowestlichen Premiers bleibt Tristesse

 
     
 
Im Schatten großer Konflikte werden auch kleinere Rechnungen beglichen. Umso mehr gilt das für Serbien, wo in den letzten Jahren etliche Politiker (darunter Minister), Journalisten, "Geschäftsleute" oder auch echte Verbrecher wie der Milizenführer Arkan erschossen wurden. Es handelt sich allerdings nicht um eine Mord-"Serie", denn jeder Fall ist ein Fall für sich - und gerichtlich aufgeklärt wurde so gut wie keiner.

Vor allem bei politischen Verbrechen gilt es, nicht nur einen Täter zu präsentieren
, sondern auch die Umstände zu erklären: Anstifter oder Nutznießer, selbst wenn diese nicht belangbar sind, sowie Tatmotive einschließlich solcher, die im Verhalten des Opfers liegen. Dieses Erklären dient keineswegs dazu, den Täter zu entschuldigen, und ist daher nicht "Verharmlosung" oder "Relativierung", wie das zuweilen in entlarvend einseitiger Weise behauptet wird.

Und wie steht es damit im Fall Djindjic? Man bezeichnete sofort die "Zemun-Mafia" als Urheber. (Der Belgrader Vorort Zemun ist jener im Prinz-Eugen-Lied erwähnte Ort Semlin, wo man ein Lager schlug, um "alle Türken zu verjagen".) Besonders ungute Assoziationen erweckt dabei, daß man das Haus eines mutmaßlichen Drahtziehers niederreißen ließ. Angeblich war es ohne Genehmigung errichtet worden - aber das wußte man schon seit Jahren.

Es heißt, Djindjic habe der Mafia das Leben schwergemacht. Es heißt allerdings auch, Djindjic sei Liebkind der montenegrinischen Mafia gewesen. Und Tatsache ist, daß er sich mit den im Apparat verwurzelten Milosevic-Leuten arrangierte, die bekanntermaßen Verbindungen zur Unterwelt unterhalten. Fairerweise muß man sich aber auch fragen, wer es in der verfahrenen Lage am Balkan vermöchte, keinerlei Kontakt mit Personen zu haben, die in dunkle Machenschaften verstrickt waren oder sind. Selbst die internationalen Besatzungstruppen und zivilen Verwalter in Bosnien, Kosovo und Makedonien (das die Amerikaner jetzt den Europäern "überlassen") sind davor nicht gefeit.

Zoran Djindjic war mit gefälligem Äußeren, manierlichem Auftreten und Sprachkenntnisssen ein wohltuender Kontrast zu titoistischen Apparatschiks und ruppigen Hetzern. Das allein erklärt allerdings nicht sein "Image", welches noch dazu im Ausland viel besser war als in Serbien: Das Wohlwollen der internationalen Medien und den Aufstieg im eigenen Lande verdankte er vielmehr in hohem Maße seinen Beziehungen zum Netzwerk der George-Soros-"Stiftung".

Dementsprechend war er der Globalisierung verpflichtet. Und dementsprechend mußte er damit nicht nur die Nutznießer der "alten" sozialistischen Wirtschaft und die vielen von Verarmung Betroffenen verärgern, sondern auch den Stolz aller Serben verletzen, die sich ans Ausland verhökert fühlen. Der Habermas-Schüler Djindjic, der noch bis Mitte der neunziger Jahre als großserbischer Nationalist auftrat, hatte keine Hemmungen, mit der Auslieferung von Milosevic an das Haager Tribunal serbisches Recht zu verletzen. Der "Staatengemeinschaft" war dies erst recht "recht", und wohlgeübt im Anlegen von zweierlei Maß ließ man es ebenso ohne Sanktionen durchgehen, daß Djindjic die Abgeordneten der Partei seines Rivalen Kostunica aus dem Parlament warf. (Ein wenig verärgert war man zuletzt nur darüber, daß Djindjic das Kosovo-Problem anschnitt, welches man doch auf die ganz lange Bank schieben will, weil es mit der multi-ethnischen EU-Doktrin nicht vereinbar ist.) Jedenfalls - es gab viele Motive und viele Motivierte. Was nicht ausschließt, daß wirklich ein Zemun-Mann den Mord gesteht. Wenn das etwas heißt.

Die Doppelmoral der "Staatengemeinschaft" zeigt sich sogar an Begräbnissen: Für Präsident Tudjman von Kroatien hatte man nur subalterne Vertreter entsandt - einzige Ausnahme war das türkische Staatsoberhaupt. Für Djindjic hingegen gab es quasi ein Gipfeltreffen. Trotz ausdrücklichen Abratens durch den serbischen Außenminister bestand auch die Haager Chef-Anklägerin Carla del Ponte auf ihrer Teilnahme. Was verständlich ist: Djindjic war gewissermaßen der wichtigste Brötchengeber für ein Tribunal, dessen Fragwürdigkeit ohne den dicken Fisch Milosevic noch augenfälliger wäre.

Die Lage Serbiens bleibt trist: Wirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit, Abwanderung von Fachkräften, Rechtsunsicherheit, Korruption, Bürokratie, ein nur interimistisches Staatsoberhaupt und dazu noch die vielen offenen Probleme aus der abstrusen Föderation mit Montenegro. Der neue Ministerpräsident Zivkovic wird aber in erster Linie ein persönliches Glaubwürdigkeitssproblem haben: Denn als bisheriger Innenminister trägt er Mitverantwortung dafür, daß die Polizei nach wie vor mit Altkommunisten durchsetzt und zusätzlich mit dem organisierten Verbrechen auf dem Balkan verfilzt ist.

Volksnah: In der Menge der Demonstranten gegen Milosevic 1999 in Belgrad scherzt Djindjic mit einem Sicherheitsoffizier.
 
     
     
 
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