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Institution mit Tradition

 
     
 
Auf dem Deutschlandtreffen der Ostdeutschland am 21./22. Mai in Berlin werden die diesjährigen Kulturpreise der Freundeskreis Ostdeutschland verliehen. Der Kulturpreis für Wissenschaft geht 2005 an das "Preußische Wörterbuch", eine Institution mit langer Tradition. Was aber verbirgt sich hinter dem Begriff "Preußisches Wörterbuch
"? Künstlerin Peter van Lohuizen sprach mit Reinhard Goltz, der in der Nachfolge von Erhard Riemann und Ulrich Tolksdorf die Herausgabe übernommen hat, über die Arbeit der Wissenschaftler und die Bedeutung der Mundartforschung in unserer Zeit:

Im Jahr 2000 endete die Lieferung des "Preußischen Wörterbuchs" mit dem Stichwort "Zylinderputzer", dennoch kommen noch heute neue Lieferungen auf den Markt. Können Sie dieses dem Laien erklären?

Goltz: Ja, bei den Ost- und Westpreußen ist die Sprache bei Z eben noch nicht zu Ende. Zunächst war es aber für alle Mitarbeiter ein erhebendes Gefühl, ein großes Wörterbuch zum Ende des Alphabets zu führen. Aber wir alle wußten, daß der erste Band (A bis Fe) noch ausstand.

Unter Mundartforschern kursiert der Begriff vom "abgerissenen Fingernagel". Dabei handelt es sich doch gewiß nicht um einen schmerzhaften Unfall?

Goltz: Als 1974 mit dem Schreiben des "Preußischen Wörterbuchs" begonnen wurde, hat man sich für einen ungewöhnlichen Weg entschieden: Man fing mit Band 2 an. Die Ursache liegt in der Geschichte. Vor dem Krieg hatte Walther Ziesemer in Königsberg ein Preußisches Wörterbuch bearbeitet. Der erste Band war 1939 fertig, bis 1944 kamen dann noch mehrere Lieferungen heraus. Die letzte reißt mitten im Stichwort "Fingernagel" ab. Das gesamte Archiv des "alten" Wörterbuchs ging bei der Evakuierung verloren, so daß nach dem Krieg der Bestand völlig neu aufgebaut werden mußte.

Haben Sie noch selbst Gewährsleute befragt oder konnten Sie auf vorhandene Stichworte zurückgreifen?

Goltz: Ich selbst gehöre ja bereits zur dritten Generation der Bearbeiter. Die Arbeit erfolgte aus dem Archiv mit gut zwei Millionen Zetteln, mit Büchern, Fotos, Tonaufnahmen und so weiter. Seit Mitte der 90er Jahre habe ich allerdings eng mit dem Bielefelder Arbeitskreis "Ostpreußisch Platt" zusammengearbeitet. So konnten viele biographische Texte im unverkennbaren ostdeutschen Platt aufgezeichnet und für die Nachwelt dokumentiert werden. Mir hat dieser Teil meiner Arbeit immer besonders viel Freude gemacht.

Der Hauptteil der Arbeit ist beendet. Was wird jetzt aus der sicher umfangreichen Sammlung?

Goltz: Wir hätten gern in Kiel eine Arbeitsstelle erhalten, in der kompetente Mitarbeiter auch weiterhin Fragen hätten beantworten können. Doch leider sind wir aus der Finanzierung herausgefallen, die Arbeitsstelle wurde mittlerweile aufgelöst. Die wertvollen Materialien lagern nun beim "Deutschen Sprachatlas" in Marburg, wo sie für die Forschung weiterhin zur Verfügung stehen.

Wo sehen Sie die besondere Bedeutung der Sammlung von mundartlichen Ausdrücken 60 Jahre nach Flucht und Vertreibung?

Goltz: Mit der wissenschaftlichen Lexikographie kann man nur dokumentieren. Wir dokumentieren also Wörter sowie deren Bedeutung und Verwendung; daneben geben wir aber auch Einblicke in den Alltag, in Gerätschaften und deren Einzelteile, in Formen des Aberglaubens, in Wetterregeln und Erntebräuche. Die Deutschen haben ja in den letzten Jahren wieder stärker gelernt, ihre eigene Geschichte und Kultur anzunehmen. Das Interesse an unserem Wörterbuch, aber auch an unserem Archiv ist kontinuierlich gestiegen. Das gilt übrigens auch für Historiker und Volkskundler aus Polen und Rußland. Viele Anfragen kommen auch von den weltweit siedelnden Mennoniten, deren Plattdeutsch im Weichselmündungsgebiet zu Hause ist.

Ein Mundartwörterbuch gilt als kollektives Gedächtnis einer Landschaft. Gerade weil es als lebendige Sprache verklingt, ist es unverzichtbar, das ostdeutsche Platt als Teil der deutschen Kultur zu dokumentieren.

Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
 
     
     
 
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