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Interview mit ukrainischem Bischof: Moralische Waffen für das Volk

 
     
 
Her Bischof Husar, wie ist die Ukrainische Griechisch-katholische Kirche (UGkK) in da kirchliche Gefüge Ihres Landes einzuordnen?

Lubomir Husar: Wir sind Katholiken, mit dem Heiligen Vater verbunden, aber wir folge der byzantinischen Tradition, in unserer Theologie, in unserem kanonischen Recht und auc in unserer Liturgie. Unsere Kirche wird "griechisch-katholisch
" genannt, is aber in Wirklichkeit die Kirche der Ukraine. Sie hat schon vor tausend Jahren in Kie ihren Anfang genommen.

Im Jahr 988 wurde das Christentum als Staatsreligion angenommen. Ende des 18 Jahrhunderts, als ein Teil der Ukraine in das Habsburgerreich eingegliedert war, haben die Wiener Bürokraten, um die Katholiken des römischen Ritus und des byzantinischen Ritus zu unterscheiden, die Terminologie eingeführt: römisch-katholisch un griechisch-katholisch.

Wegen der Verbindung zum Papst spricht man von der unierten Kirche ...

Husak: Diese Benennung stammt vom Ende des 16. Jahrhunderts. Unsere Kirche war damal stark bedroht durch Moskau, das ein eigenständiges Patriarchat ausgerufen hatte Andererseits gab es in Polen, dem wir angehörten, die lateinische Tradition, die man un aufdrängen wollte, um uns besser in den polnischen Staat einzugliedern.

Darum haben sich unsere Bischöfe entschieden, ihre Verbindung mit dem Papst zu bestätigen, damit unsere Kirche mit ihrer eigenen Tradition fortbestehen konnte. 159 wurde die Union von Brest geschlossen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg sind ja die unierten Katholiken im östlichen Europ besonders schwer verfolgt worden. Wie war das in der Ukraine?

Husak: 1945 hat man alle unsere Bischöfe an einem einzigen Tag, dem 11. April verhaftet. Im folgenden Jahr organisierte das NKWD dann eine Synode, an der keiner unsere Bischöfe teilnehmen konnte. Die anwesenden 218 Priester wurden gezwungen, die katholisch Ostkirche zu liquidieren, und man sagte, sie sollen sich jetzt der orthodoxe "Mutterkirche" angliedern.

Jedem Pfarrer wurde für diesen Fall eine Pfarrei versprochen. Wer sich weigerte, ka für mindestens zehn Jahre in die Verbannung nach Sibirien oder wurde in ein Arbeitslage geschickt. Bis 1989 war unsere Kirche dann rechtlos und litt unter ständiger Verfolgung.

Ihre Familie mußte am Beginn dieser Verfolgungszeit emigrieren. 1993 sind Sie in die Ukraine zurückgekehrt. In welcher geistigen Situation haben Sie Ihre Landsleut vorgefunden?

Husak: Das war eine Enttäuschung für uns, die wir zurückgekehrt sind. Irgendwi haben wir immer gedacht, es seien noch dieselben Leute unserer Jugendzeit, aber es ware zwei Generationen, die in den kommunistischen Schulen und unter dem kommunistischen Syste aufgewachsen sind.

Sehr viele Menschen sind bis heute dem Glauben fern geblieben. In der Westukraine is die religiöse Lage immerhin noch relativ gut. In der Ostukraine, die siebzig Jahre unte kommunistischer Herrschaft stand, ist die Situation viel schlimmer, denn es gibt noch ein dritte atheistisch erzogene Generation.

Wie hat sich die kommunistische Erziehung ausgewirkt?

Husak: Das Regime war in seiner Politik gegen Kirche und Religion sehr geschickt un erfolgreich. Abgesehen von den religiösen Überzeugungen, hat es auch menschliche Wert untergraben, etwa die Würde des Menschen, die Rechte des Individuums, und es wurde moralische Wunden geschlagen, unter denen das Volk bis heute leidet.

Zum Beispiel?

Husak: Vor allem der Mangel an Vertrauen zueinander und an Verantwortungsgefühl. Ma wollte den "homo sovieticus" erziehen. Das sollte ein Sklave sein, ei gefügiges Glied der Gesellschaft, das zu allem bereit ist und gar nicht mehr kritisc denken konnte und sollte.

Seit der Wende ist es der Ukrainischen Griechisch-katholischen Kirche wieder möglich sich zu organisieren. Heißt das, daß Sie die Kirchen und kirchlichen Gebäude, die enteignet wurden, jetzt zurückbekommen haben?

Husak: Viele haben wir zurück- bekommen, besonders dort, wo die ganze Gemeinde sic für die UGkK entschieden hat. Seit Dezember 1989 durfte man die griechisch-katholische Gemeinden wieder staatlich registrieren lassen.

Über tausend Gemeinden taten dies seitdem. Andere haben sich gespalten. Dort gibt e ein Gebäude und zwei Gemeinden, die es nutzen wollen. Manchmal haben sie es geschafft das friedlich zu regeln. In ein paar hundert Fällen ist es nicht glatt gegangen, was bi heute ziemlich schwere Konflikte schafft.

Nun nimmt die UGkK trotz dieser Schwierigkeiten einen großen Aufschwung. Darübe beklagt sich die Orthodoxie bitter. Der russisch-orthodoxe Patriarch Alexij wirft der UGk sogar "Verfolgungen der orthodoxen Christen in der Westukraine" vor. 

Husak: Nach der Wende gab es einen Schock für die orthodoxe Kirche, als auf einma über tausend Gemeinden wieder griechisch-katholisch wurden. Man muß sich bewußt machen daß in den frühen 90er Jahren die Hälfte aller russisch-orthodoxen Pfarreien in de West-ukraine angesiedelt waren.

In ganz Rußland gab es zusammengenommen nicht so viele Pfarreien wie in de Westukraine. Diese Region zu verlieren, war also nicht nur ein Prestigeverlust, sonder auch ein materieller Rückschlag.

Was kann die UGkK jetzt tun, um den Menschen die Orientierung in der neuen Zeit zu erleichtern?

Husak: Unsere Aufgabe sehen wir in zwei Richtungen. Das wichtigste ist eine seh gewissenhafte Vorbereitung auf das Priesteramt und bei den Laien die Bildung im Glauben Das zweite ist, daß die Kirche sich sehr für die soziale Lage einsetzen muß. Wi müssen die Menschen sozusagen mit christlichen Werten bewaffnen.

Dieses Gespräch führte Michael Ragg, Pressesprecher von "Kirche in Not/Ostpriesterhilfe", die den Neubeginn der Ukrainischen Griechisch-katholische Kirche unterstützt, indem sie u. a. den Bau und die Renovierung von Kirchen und Klöster mitfinanziert (Kontakt: Postfach 70 10 27, 81310 München, Tel.: 0 89 / 7 60 70 55).

Zur Person:

Lubomir Husar wurde am 26. Februar 1933 in Lemberg geboren. Nach der Vertreibung seine Familie aus der Ukraine hielt er sich in Österreich auf, bis er 1949 in die US emigrierte.

Husar promovierte 1972 und nahm von 1973-1984 einen Lehrauftrag an der Päpstliche Universität "Urbania" in Rom wahr. Zum Bischof geweiht wurde er 1977 und kehrt 1993 in die Ukraine zurück. Seit 1996 ist Lubomir Husar Weihbischof für das Oberhaup der Ukrainischen Griechisch-katholischen Kirche in Lemberg.

 
     
     
 
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