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Kuschelstrafrecht

 
     
 
Dem oft gescholtenen Föderalismus sei s gedankt: Die Bundesländer haben endlich Bewegung in ein leidiges Thema gebracht, das die Bundestags-Großkoalitionäre bereits auf dem Altar der "Erledigung durch konsequente Nichtbeachtung" geopfert hatten - eine Reform des Jugendstrafrechts. Die Unionsmehrheit im Bundesrat setzte einen Antrag durch, der weitgehend identisch ist mit den rechtspolitischen Positionen, die CDU und CSU auch im Wahlkampf vertreten hatten, in den Koalitionsverhandlungen aber nicht durchsetzen konnten. Nun soll die Reform durch die Hintertür kommen, als von den Ländern eingebrachter Gesetzentwurf.

Reform bedeutet in diesem Falle deutliche Verschärfung
. So soll bei Straftaten von Heranwachsenden im Alter zwischen 18 und 21 Jahren künftig das Erwachsenen- und nicht mehr das mildere Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) zeigte sich prompt verärgert. Die Unionspolitiker in den Ländern hätten verkannt, daß auch das Jugendstrafrecht "kein Kuschelstrafrecht" sei; es verfüge durchaus "über ein sehr differenziertes Instrumentarium".

Mag sein. In der Praxis merkt man aber nicht viel davon. Im Gegenteil: Polizeibeamte, Pädagogen, Mitarbeiter von Jugendämtern, Wohlfahrtsverbänden und Kirchen klagen immer wieder, nach ihren Erfahrungen habe das Jugendstrafrecht offenbar überhaupt kein Instrumentarium; zumindest werde ein solches nur selten angewandt.

Im Klartext: Statt Täter zu bestrafen, wie Recht und Gesetz es fordern, werden krampfhaft Erklärungen und Entschuldigungen gesucht, werden der Staat, die Gesellschaft, die Medien, das Bildungssystem oder wer auch immer für individuelles Fehlverhalten verantwortlich gemacht, wird "resozialisiert", was aber leider oft eher den Weg von der läßlichen Jugendsünde zur Serienkriminalität ebnet.

Resozialisierung statt Strafe, das ist die falsche Alternative. Natürlich ist es vorrangig, junge, fehlgeleitete Menschen rechtzeitig auf den rechten Weg zurückzuführen. Und natürlich trifft es zu, daß Kinder, Jugendliche und Heranwachsende auf ihrem Weg zum Erwachsensein heute großen Gefährdungen ausgesetzt sind, durch mediale Reizüberflutung, durch freien Zugang zu Alkohol und Drogen, durch den Mangel an positiven Vorbildern, durch eine Gesellschaft, die immer stärker von Materialismus, Egoismus und Neid geprägt ist, oft auch durch das Versagen von Eltern, die mit sich selbst und ihrer eigenen Lebensgestaltung schon überfordert sind. Was erwarten wir Älteren eigentlich von einer Generation, die in eine solche Welt hineinwächst?

Die wichtigere Frage muß lauten: Wie können wir dieser Generation am besten helfen? Nun, ganz bestimmt nicht durch "Laissez-faire", durch überzogene Nachgiebigkeit, durch das Verschieben und Aufheben aller Grenzen, durch Verständnis für alles und jedes. Wo die Grenzen der eigenen Freiheit und der eigenen Rechte und Ansprüche liegen, wo Freiheit und Rechte der anderen beginnen - wer das als Kind nicht gelernt hat, wird es auch als Erwachsener nicht mehr lernen. Diese Grenzlinie muß jeder Mensch für sich persönlich erkunden, indem er sich an sie herantastet, sie zu überschreiten versucht und eben daran gehindert wird. Zum Beispiel durch angemessene, nicht übertrieben strenge, aber auch nicht zu milde Bestrafung. Insofern ist Strafe ein unverzichtbares Mittel der Resozialisierung. Übrigens läßt sich auch aus dieser Perspektive ermessen, in welchem Maße die antiautoritären Ideologen, die 68er, sich an ihren Kindern versündigt haben.

Angesichts der dramatisch hohen Zahlen im Bereich Kinder- und Jugendkriminalität können wir es uns nicht leisten, endlos darüber zu diskutieren, welchen

Rang Festlegungen in einem Koalitionsvertrag haben. Es muß gehandelt werden, und wenn die Große Koalition im Bundestag sich selber blockiert, muß die Länderkammer eben vorangehen. Hier geht es um weit mehr als die Frage, warum 18- bis 21jährige überall, wo dies von Vorteil ist, als Erwachsene gelten wollen, nicht aber vor Gericht. Es geht um die Zukunft unseres Landes.
 
     
     
 
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